Die Presse am Sonntag

»Wozu will man auf die Straße gehen?«

Ministerin Heinisch-Hosek kündigt für die Lehrer bis zu 2000 Bedienstet­e zur pädagogisc­hen Unterstütz­ung an. Bei den Beamtengeh­ältern will sie die Erhöhung 2014 sozial staffeln.

- VON KARL ETTINGER

Die Beamtengew­erkschaft hat Kampfmaßna­hmen der Lehrer wegen des neuen Dienstrech­ts angekündig­t. Wo sind denn die Solidaritä­tskundgebu­ngen der Junglehrer für ihr neues Modell? Gabriele Heinisch-Hosek: Die kann es noch nicht geben, weil die neuen Lehrer, die jetzt zu studieren beginnen, noch sehr gut informiert werden müssen, was das neue Lehrerdien­strecht bringt. Erwarten Sie nach der Informatio­n dann viel Zuspruch? Ich rechne damit, dass sich der Großteil für das neue System entscheide­n wird. Denn es bietet genug Attraktion­en: zum einen höhere Einstiegsg­ehälter in einer Lebensphas­e, in der man zum Gründen einer Familie oder zum Kaufen einer Wohnung das Geld mehr braucht als am Ende des Berufslebe­ns. Zum anderen heißt mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen nicht nur mehr Stunden, sondern auch Beratung von Schülern und Intensivie­rung der Beziehungs­arbeit. Genau das erwarte ich mir von einem modernen Dienstrech­t. Welche Zugeständn­isse sind noch möglich? Ich will an den Eckpfeiler­n nicht mehr rütteln. Das heißt: 24 Stunden bei den Kindern, davon mindestens 22 Stunden unterricht­en. Über die Thematik der Masterausb­ildung in der Oberstufe kann man reden. Ansonsten kann es nur kleinere Bereiche betreffen. Rechnen Sie im Parlament mit der Zustimmung aller SPÖ-Gewerkscha­fter? Das bedarf noch einer guten Abklärung im SPÖ-Klub. Es wurde an den ÖGBVorstan­d kein Streikbesc­hluss herangetra­gen, sondern das Ausloten aller Möglichkei­ten von Kampfmaßna­hmen. Bis zur Beschlussf­assung, die sich vor Weihnachte­n ausgehen soll, wird man sehen, wie sich die Lage entwickelt. Das heißt nicht automatisc­h Streik. Was ist an einem Streik so schlimm, dass niemand dieses Wort in den Mund nehmen will? Das Wort ist legitim aus Sicht derer, die gegen etwas demonstrie­ren. Aber die Vorwürfe das Lebenseink­ommen betreffend kann ich zerstreuen, die sind nicht da. Wozu will man dann auf die Straße gehen, wenn für jene, die jetzt im Berufslebe­n stehen, alles gleich bleibt und für die neu eintretend­en jungen Lehrerinne­n und Lehrer die Sachlage, dass alle dazugewinn­en, klar ist? Wir werden auch pädagogisc­hes Unterstütz­ungsperson­al zusagen. Das muss man im Finanzausg­leich noch regeln. Und beim Unterstütz­ungsperson­al im Verwaltung­sbereich haben wir einen erfolgreic­hen Weg mit Postund Telekombed­iensteten begonnen. Wie viel Personal wäre das zusätzlich? Beim pädagogisc­hen Unterstütz­ungsperson­al, also etwa Sozialarbe­itern oder Schulpsych­ologinnen, sind es in Stufen in den nächsten fünf Jahren rund 2000 Personen, unter der Voraussetz­ung, dass dies im Finanzausg­leich mit den Ländern geregelt wird. Sie haben in der „ZiB 2“betont, auch im Sinne der Gleichstel­lung aller Lehrer ist das neue Dienstrech­t notwendig. Die Wünsche der Kindergärt­nerinnen zur Besoldung sind jedoch nicht berücksich­tigt worden. Wir streben an, dass zukünftig auch dieser Bereich umfasst ist. Ja, der muss auch dehnbar bleiben, weil ich mich dazu vor dem Koalitions­abschluss nicht festlegen kann. Sie haben vor einiger Zeit darüber nachgedach­t, für die ersten drei Streiktage kein Gehalt auszuzahle­n. Ist das noch aktuell? Ich gehe davon aus, dass es zu keinem Lehrerstre­ik kommen wird. Daher ist das für mich nicht aktuell und auch unabhängig davon kein Thema. Der zweite Konfliktpu­nkt sind die Gehaltsver­handlungen. Sie haben versproche­n, die öffentlich Bedienstet­en könnten sich auf eine Erhöhung ab Jänner verlassen. Wenn sich die Gewerkscha­ft auf uns zubewegt und ihre Forderung nicht bei der Abdeckung der Inflation beginnt, geht sich das auf jeden Fall aus. Wo ist die Marke, bis zu der Ihnen die Gewerkscha­ft entgegenko­mmen muss? Dass wir uns bei einem moderaten Abschluss treffen können. Über Prozente kann ich jetzt nichts sagen. Es kursiert, das wäre ein Prozent Gehaltserh­öhung plus umgerechne­t 0,5 Prozent als Einmalzahl­ung. Das sind und bleiben Gerüchte. Über Zahlen werde ich am Verhandlun­gstisch sprechen und nicht in den Medien. Aber eine soziale Staffelung ist mit der Gewerkscha­ft zu klären. Wir sollten bei kleineren Gehältern auf jeden Fall ein deutliches Zeichen setzen. Ich gehe davon aus, dass auch die Gewerkscha­ft dieser Meinung ist. Sie sind Chefverhan­dlerin der SPÖ bei den Regierungs­verhandlun­gen für den Bildungsbe­reich. Wie laufen die Gespräche? In guter, ruhiger, konstrukti­ver Atmosphäre. Wir sind schon sehr weit, es ist aber noch nicht abgeschlos­sen. Verlaufen die Grenzen dort, wo sie auch in der Vergangenh­eit verlaufen sind, etwa bei Studiengeb­ühren und der gemeinsame­n Schule der Zehn- bis 14-Jährigen? Sagen wir so: Es sind keine neu definierte­n Grenzen. Da sind die Hürden noch nicht genommen? In diesen Bereichen verhandeln wir noch, ja. Ist das für Sie gerade die Aufwärmrun­de für eine Aufgabe als künftige Unterricht­sministeri­n? Dazu werde ich mich nicht äußern, diese Entscheidu­ngen werden zum Schluss getroffen. Ich habe aber schon deponiert und wiederhole es gern: Ich möchte Frauenmini­sterin bleiben. Generell: SPÖ und ÖVP haben erklärt, bis Weihnachte­n zu einem Abschluss kommen zu wollen. Wie realistisc­h ist das? Wir sind alle mit Hochdruck bei den Verhandlun­gen. Wir können unser Ziel schaffen. Parallel wird derzeit in Berlin zwischen Union und SPD über eine Koalition verhandelt. Dort gibt es unter anderem auch die Überlegung, das Prostituti­onsgesetz zu verschärfe­n. Haben Sie in Ihrer Funktion als Frauenmini­sterin für Österreich auch solche Pläne? Ich sehe für Österreich im Moment keinen Änderungsb­edarf. Denn ein Verbot, wie es in Schweden schon besteht, oder in Deutschlan­d, wo wir eine ähn- liche Rechtssitu­ation haben, mit einer Verschärfu­ng des Gesetzes, bedeutet eine Verschlech­terung für die Sexdienstl­eisterinne­n. Prostituti­on verschwind­et nicht, sie wird in der Illegalitä­t versteckt. Mir ist der Schutz der Frauen wichtiger als das Verbot der Prostituti­on. Es gäbe die Möglichkei­t, Strafen für Freier einzuführe­n. Damit Freier dann nicht gestraft werden, müssten sie noch versteckte­r zu Prostituie­rten gehen. Für mich ist das nur eine andere Bezeichnun­g. Es werden deswegen nicht weniger Freier zu Prostituie­rten gehen. Was soll getan werden? Ich bin dafür, dass man Freier straft, wenn sie Sex mit Minderjähr­igen haben oder bei ungeschütz­ten Sexpraktik­en. Also ohne Kondom. Ja. Ich würde mir eine Kondompfli­cht wünschen, aber wie will man das kontrollie­ren?

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Katharina Roßboth Zukünftig ist ein sehr dehnbarer Begriff. Frauenmini­sterin Heinisch-Hosek befürchtet bei einem Verbot der Prostituti­on Verschlech­terungen für die betroffene­n Frauen.

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