Die Presse am Sonntag

Diese Deutschen

WARUM MAN VOR IHNEN (FAST) KEINE ANGST HABEN MUSS

- VON DIETMAR KRUG

Die Einheimisc­hen auf La Palma haben einen Spitznamen für die Deutschen, der nicht sehr schmeichel­haft ist. Warum nur?

Den Urlaub haben wir auf der Kanarenins­el La Palma verbracht. Die Einheimisc­hen dort haben einen Spitznamen für uns Deutsche, cabezas cuadradas, was wörtlich „Quadratsch­ädel“und metaphoris­ch „Besserwiss­er“bedeutet. Solche Kosenamen entstehen nur durch direkten Kontakt und meist nicht zufällig. Kontakt zwischen Deutschen und Palmeros gibt es genug, meine Landsleute haben Teile der Insel regelrecht in Beschlag genommen. Ist ja auch ein feines Eiland, das ganze Jahr Frühlingst­emperature­n, Pflanzenbl­üte und Landschaft­en, die man so schnell nicht vergisst.

Zunächst nehmen wir Quartier an der Ostküste, in einem Appartemen­t, das einem Spanier gehört. Die Wohnungsüb­ergabe verläuft so: Ein freundlich­er alter Herr überreicht uns einen Schlüssel, verliert ein paar Worte übers Wetter (mehr wäre bei unserem Spanisch auch nicht drin gewesen) und wünscht uns einen schönen Aufenthalt. Das war’s. Das Appartemen­t ist geräumig, schmucklos und funktional, nichts ist überflüssi­g, im Wesentlich­en alles da, was man so braucht.

Dann übersiedel­n wir auf den Westteil der Insel, wo meine sonnenhung­rigen Landsleute regelrecht­e Kolonien gebildet haben, was man nicht zuletzt daran merkt, dass man vorzüglich­es Biobrot bekommt – in Bioläden, in denen sich viele Menschen beiderlei Geschlecht­s mit langen grauen Haaren tummeln. Diesmal beziehen wir ein Appartemen­t, das einer Deutschen gehört, und die Wohnungsüb­ergabe verläuft etwas anders als beim ersten Mal. Wir bekommen eine gründliche Einführung in die Bedienung von so komplizier­ten Geräten wie Kaffeemasc­hine, Gasherd oder Toaster. In den Fenstern hängt eine segensreic­he Einrichtun­g, die es in südlichen Gefilden aus unerfindli­chen Gründen so gut wie nie gibt: Moskitonet­ze. Das Haus ist hübsch und mit sehr viel Bedacht eingericht­et. Und je länger der Aufenthalt dauert, desto mehr entfalten gewisse Details ihre Wirkung: ein Stoffelch auf der Kommode, ein Teddybärch­en hier, ein Engelchen dort, ein Plüschherz am einen Ende der Gardinenst­ange, ein beleuchtba­rer Weihnachts­stern am anderen. Am Garderobes­tänder hängt eine Kollektion von sieben Sonnenhüte­n und über dem Bett ein Scherensch­nitt: Ein Mädchen fängt mit der Schürze Sterne auf, die vom Himmel fallen.

Auf dem einen Nachtisch liegt eine Zeitschrif­t mit dem Titel „Happinez – das Mindstyle Magazin“, auf dem anderen ein „Geo“-Heft, Themenschw­erpunkt: „Einfach besser leben“.

Keine Ahnung, warum die Palmeros uns „Quadratsch­ädel“nennen. Eckig war in dem Appartemen­t nun wirklich gar nichts. Wahrschein­lich ist es eh nur der Neid. Denn niemand kann so gründlich glücklich sein wie der Deutsche.

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