LANDLEBEN
in Wien an Land ziehen kann, müsse man sich auf dem Land aber verabschieden. „Kleine und mittelständische Unternehmen zahlen weniger als international ausgerichtete Großkunden.“Das liege nicht an der fehlenden Wertschätzung für die kreative Arbeit. Sondern einfach am kleineren Budget. Nicht unter Wert verkaufen. Am Anfang sei das ein bisschen eine Gratwanderung gewesen. Auch Wurzinger ist mit den Preisen etwas nach unten gegangen. „Man muss aber aufpassen, dass die Qualität nicht darunter leidet, dass man sich nicht unter Wert verkauft.“Vor drei Jahren hat die Illustratorin dieselbe Zusatzausbildung gemacht wie auch die ausgebildete Drucktechnikerin Tanja Dittrich: Werbung und Marktkommunikation. „Kleinbetriebe brauchen einfach das volle Paket der Werbeagentur. Ohne das kann man auf dem Land nicht arbeiten.“Die Illustra- bracht, wie sie ihre Idee verbessern und an Geld gelangen können. „Grundsätzlich ist es ja so, dass man als Sozialunternehmen am Anfang sogar leicht an eine Förderung kommen kann, wenn man klein ist und etwas Kapital zum Starten braucht. Schwierig ist es, wenn man einen größeren Raum erreichen will“, sagt Gansterer. Afrika, Asien, die ganze EU – viele nachhaltige Projekte beschränken sich nicht nur auf ein Land.
Die Tatsache, dass soziale Unternehmer hingegen oft selbst nichts mit Investoren zu tun haben wollen, macht die ganze Sache auch nicht einfacher. „Investoren sind oft negativ behaftet. Viele Gründer wissen auch gar nicht, dass es ,gute‘ Investoren gibt“, sagt Gansterer. Diese agieren nachhaltig, stecken den Gewinn vielleicht auch wieder in das Unternehmen. Freilich, komplett auf den Gewinn verzichten werde niemand. „Im Idealfall entwickelt man das perfekte Businessmodell. Man agiert nachhaltig und macht auch noch Geld damit.“ tion mache jetzt noch ungefähr zehn Prozent ihrer Arbeit aus, schätzt Wurzinger. Was das Kreativleben auf dem Land von dem in der Stadt unterscheide: „Man muss selbst aktiv werden. In Wien passiert das mit dem Netzwerken automatisch. In Weiz nicht.“Vor allem um den kreativen Input müsse man sich kümmern: „Das Rausschnuppern ist ganz wichtig.“Ab und zu nach Graz, Wien, Berlin, New York. Um zu sehen, was in der Szene lebt, wie sie sich weiterentwickelt.
Das Tolle am Arbeiten in Weiz sei, „dass man noch etwas bewegen kann. Das ist ein ganz starkes Gefühl. Hier kennt mich jeder, in Wien wäre ich eine unter vielen.“Gerade hat sie mit ihrer Workspace-Kollegin Marie-Theres Zirm den ersten Weizer Kreativwirtschaftsbrunch organisiert. Wurzinger ist überzeugt: „Es gibt unter den Kreativen diesen Wunsch nach Ruhe, nach Rückzug, nach einer gewissen
Genügend sozial interessierte Investoren gibt es aber nicht. Denn gilt die reguläre heimische Investorenszene schon als mau, ist jene für Sozialunternehmungen noch viel schlechter ausgeprägt. Das meiste Geld kommt daher – fernab der Öffentlichkeit – aus Familienstiftungen, die noch eher dazu tendieren, in solche Unternehmen zu investieren. Es wächst. Damit liegt Österreich – wie so oft – auch im internationalen Vergleich hinten. In Deutschland gibt es mit dem Social Venture Fund schon einen eigenen Fonds, der sich nur auf Sozialunternehmen spezialisiert hat. Auch im englischsprachigen Raum wie den USA sei man schon viel weiter vorn. „Da gibt es eigene Konferenzen, auf denen man sich nur auf Social Entrepreneurship konzentriert“, sagt Gansterer. Denn grundsätzlich hätte die Szene in den vergangenen Jahren einen starken Aufschwung erlebt. Das hat auch die EU bemerkt, die „Social Innovation“nun vermehrt fördert. Freiheit beim Arbeiten, die man auf dem Land findet.“Auch wenn sie die Stadt als Inspirationsquelle hin und wieder brauche – die Werbebranche sei schnell und stressig. „In Wien wäre ich eine Getriebene.“ Pendeln als Philosophie. Begeisterte Stadtflüchtlinge sind auch Barbara und Christoph Abel. Alpenpendler nennt sich das Architektenpaar, das das Pendeln zwischen der Mostviertler Gemeinde Strengberg und Klagenfurt zum Lebens- und Arbeitsprinzip erhoben hat. An beiden Standorten betreiben die Architekten Coworking Spaces und suchen die Vernetzung mit Gleichgesinnten.
„In Wien heißt es immer, auf dem Land wird so schlecht gebaut. Kein Wunder, wenn die ganze Kreativität in die Stadt verschwindet“, sagt Christoph Abel. Neben den Alpenpendlern arbeiten im Gemeinschaftsbüro im Strengberger Ortszentrum eine Grafikerin, eine Fotografin, ein weiterer Architekt und ein Softwareentwickler. „Wir wollten unseren Standort unbedingt im Ortskern haben. Da stehen viele Gebäude leer. Wir möchten etwas gegen die Zersiedelung tun“, sagt Abel. Willkommen waren sie anfangs nicht. Ge-
»Auf dem Land gibt es noch Bauaufgaben, die kaum besetzt sind.«
gen das Gemeinschaftsbüro gab es sogar Bürgerproteste: „Die Leute haben sich bei der Gemeinde beschwert, sie hatten Angst, dass wir laut sind und sie fotografieren.“
Wer als Architekt auf dem Land arbeiten wolle, habe eben viel Aufklärungsarbeit zu leisten. „Viele Menschen denken, ich habe irgendwo ein Haus gesehen, das möchte ich da jetzt hinstellen. Dass ein Toskanadach nicht in die Bautradition des Mostviertels passt, erklärt den Leuten niemand.“ Mehr als nur ein Parkplatz. „Wenn man mit den Leuten redet, fangen sie an umzudenken.“Und wenn es Christoph Abel einmal in Strengberg zu eng wird, setzt er sich in den Zug. „Beim Pendeln bekomme ich den Kopf frei. Nach Klagenfurt dauert es fünf Stunden, da kann ich konzentriert arbeiten.“
In Klagenfurt hat die bessere Hälfte des Pendlerduos, Barbara Abel, am Lendhafen ein Gemeinschaftsbüro aufgebaut. „Ich finde, es war in Klagenfurt schwieriger als in Strengberg, gerade weil man in bestehende Strukturen eintaucht.“Auf dem Land gebe es noch viele Bauaufgaben, die kaum besetzt sind. „Ein Ortsplatz kann mehr sein als nur ein Parkplatz. Wenn man für solche Dinge ein Bewusstsein schafft, kann man viel verändern.“
Unternehmensgröße.
60 Prozent der Kreativen auf dem Land sind Einpersonenunternehmen (EPU). 40 Prozent machen mehr als 100.000 Euro Jahresumsatz.
Wichtigste Branchen.
Mit 34 Prozent bilden die Werbeagenturen die größte Gruppe, gefolgt von Musik, Buch und künstlerischer Tätigkeit (22 Prozent) sowie Software und Games (20 Prozent).
Ansiedlung.
Besonders hoch ist der Anteil der Kreativen in den Speckgürteln und den Bezirken rund um die Landeshauptstädte. Rund um Wien sind das die Bezirke Tulln, Korneuburg, Gänserndorf, Mödling und Baden.
Standortwahl.
Während für städtische Kreative öfter harte Standortfaktoren wie der Arbeits- und Absatzmarkt oder Immobilienpreise eine Rolle spielen, stehen bei den ländlichen Kreativen weiche Faktoren wie Lebensqualität und regionale Verbundenheit an erster Stelle. Quelle: Kreativwirtschaftsbericht 2013