Sonja Stummerer Martin Hablesreiter
Woher kommt das Rituelle beim Essen? Sonja Stummerer: Der Mensch hat eine Esskultur entwickelt, das unterscheidet ihn vom Tier. Er hat Instrumente geschaffen, um das Essen zu ritualisieren, weil es eine soziale Funktion hat. Die Idee der Werkzeuge ist meist nicht, das Essen zu erleichtern, sondern zu stilisieren. Es gibt ganz strenge Regeln, was man mit Besteck machen darf. Der Esstisch ist auch ein gutes Beispiel. Er ist mit Werten belegt, die mit der Nahrungsaufnahme nichts zu tun haben, sondern mit dem Kleinfamilienideal. Jeder könnte zum Kühlschrank gehen und sich etwas nehmen. Das wird aber als schlecht hingestellt. Nicht, weil es ungesund ist, sondern weil es nicht diese Werte transportiert. Martin Hablesreiter: Brutal formuliert propagiert die Slow-Food-Bewegung das traditionelle Familienbild. Diese Werte sind aber erst 100 bis 200 Jahre alt. Der Esstisch ist ein ideologisches Instrument. Die Herrschaft des Mannes ist sichtbar, es gibt Kleinigkeiten, die noch praktiziert werden, wie etwa: Sie kocht, er schneidet auf. Wie werden Objekte zu solchen Symbolen? Stummerer: Der Sessel zum Beispiel ist aus dem Thron entstanden. Im Barock war er ein adeliges Möbelstück, normale Leute sind auf Bänken oder Hockern gesessen. Im Zuge der Französischen Revolution hat das Bürgertum den Sessel übernommen, als politisches Signal, um zu sagen: „Wir sind genauso wichtig wie der Adel.“Heute sieht man das im Büroalltag: Ein Sessel mit besonders hoher Lehne gehört dem Chef. Es gibt Designelemente, die hierarchisch strukturieren. Hablesreiter: Objekte können eine Gesellschaft beeinflussen. Dass es zum Beispiel Ikea gibt, führt dazu, dass jeder Eat Design SonjŻ Stummerer, MŻrtin HŻãlesreiter. Fotos von Ulrike Köã un© DŻisuke AkitŻ. MetroverlŻg, 224 S., 39,90 Euro Honey & Bunny 2003 grün©eten ©ie Architekten un© Designer SonjŻ Stummerer un© MŻrtin HŻãlesreiter ©Żs DesignŻtelier Honey & Bunny. Seit 2005 setzen sie sich intensiv mit Essen ŻuseinŻn©er, etwŻ in ©en Büchern „Foo© Design“un© „Foo© Design XL“sowie in ©em gleichnŻmigen Film un© in einer Ausstellung zum ThemŻ.