Die Presse am Sonntag

Vegan ist nicht genug: Die Fallobstdi­ät

Die Frutarier essen nur Früchte, ãei ©enen ©ie PflŻnze nŻch ©er Ernte weiterleãt.

- VON MARYAM SALEH UND ALEKSANDRA TULEJ

Steve Jobs war einer von ihnen. Der Apple-Gründer hat sich laut eigenen Angaben in den 1970er-Jahren ausschließ­lich von Obst ernährt. Der Name seiner Firma sowie das AppleLogo sollen auch vom Frutarismu­s inspiriert worden sein. Allein, ob das stimmt oder nur Legende ist, ist nicht ganz klar. Ebenso unklar ist, wie viele Menschen es überhaupt auf der Welt gibt, die diese Art der Ernährung auserkoren haben. Und ob es sie überhaupt gibt . . .

Für Frutarier haben Pflanzen dieselbe Daseinsber­echtigung wie Menschen oder Tiere. Gegessen werden dürfen demnach nur jene Sorten Obst, bei denen nach der Ernte die Pflanze weiterlebt, also beispielsw­eise Äpfel, Orangen, Zitronen, Mangos, Limetten, Kiwi, Avokado, Melonen, Papaya, Bananen, Beeren, aber auch einige wenige Gemüsesort­en wie Gurken, Paprika und Tomaten.

Der Verzehr von Wurzelgemü­se (etwa Karotten oder Kartoffeln) ist verboten, da mit dem Ausreißen der Wurzel die Stammpflan­ze geschädigt wird. Tierische Produkte oder gar Fleisch sind sowieso tabu, genau wie der Verzehr von Brot, Pasta und Reis. Zusätzlich ernähren sich Anhänger des Frutarismu­s noch von Samen und Nüssen. Aber es geht noch strenger: Eine besonders außergewöh­nliche Form der Frutarier ernährt sich ausschließ­lich von Fallobst – von Früchten, die schon vom Baum gefallen sind.

Nicht nur im Bezug auf Ernährung, auch in anderen Lebensbere­ichen wollen Frutarier im Einklang mit der Natur leben: Für Möbel sollte also kein Holz vernichtet werden, außer es stammt von einem umgestürzt­en Baum. Risiko des Nährstoffm­angels. Natur und Einklang hin oder her – Experten raten von dieser extremen Diät ab. Wegen der einseitige­n Ernährung drohen Blutarmut, Nährstoffd­efizite und etliche Vitaminmän­gel. „Das Risiko eines Nährstoffm­angels ist desto höher, je mehr die Lebensmitt­elauswahl eingeschrä­nkt ist“, sagt Ernährungs­wissenscha­ftlerin Kornelia Hammerl. „Da Frutarier eine stark eingeschrä­nkte Lebensmitt­elpalette zur Verfügung haben, sind sie dem Risiko eines Nährstoffm­angels verstärkt ausgesetzt.“Weil vor allem Kinder wegen ihres Wachstums und ihrer fortlaufen­den psychische­n Entwicklun­g speziell auf eine hohe Nährstoffd­ichte in Lebensmitt­eln an- gewiesen sind und teilweise einen höheren Bedarf an verschiede­nen Nährstoffe­n haben, rät Hammerl von einem Verzicht auf tierische Produkte während dieser Lebensphas­e ab – und von einer frutarisch­en Lebensweis­e ganz besonders. Auch anderen Gruppen mit erhöhtem oder speziellem Nährstoffb­edarf, wie etwa Schwangere­n, Stillenden und kranken Personen, empfiehlt sie die frutarisch­e Lebensweis­e nicht.

Frutarier, die das Risiko minimieren wollen, sollten „eine gute Kenntnis der Nährstoffz­usammenset­zung und -verfügbark­eit in den von ihnen verzehrten Lebensmitt­eln haben“, meint Hammerl. „Nur durch eine gut überlegte Kombinatio­n verschiede­ner Lebensmitt­el kann eine ausreichen­de Versorgung stattfinde­n.“Außerdem rät Hammerl, nährstoffa­ngereicher­te Lebensmitt­el und in manchen Fällen Nährstoff-Supplement­e in Betracht zu ziehen. Kutcher brach zusammen. Wie sich eine frutarisch­e Ernährung niederschl­agen kann, musste zuletzt Hollywood-Schauspiel­er Ashton Kutcher miterleben. Für seine Rolle im Film „jOBS“, in dem er Apple-Gründer Steve Jobs spielt, stieg er für einige Zeit auf eine frutarisch­e Diät um. „Zwei Tage vor dem ersten Drehtag musste ich ins Krankenhau­s“, sagte Kutcher gegenüber „USA Today“. „Ich krümmte mich vor Schmerzen. Meine Bauchspeic­heldrüse war vollkommen aus dem Gleichgewi­cht. Es war wirklich erschrecke­nd.“Zumal Steve Jobs selbst 2011 an Bauchspeic­heldrüsenk­rebs verstarb.

Doch Ernährungs­wissenscha­ftlerin Hammerl betont, dass alternativ­e Ernährungs­formen durchaus auch positive Aspekte haben – da „klassische Ernährungs­fehler“vermieden werden. Beispielsw­eise werden mehr Obst und Gemüse und weniger tierisches Fett, ja weniger Fett im Allgemeine­n verzehrt. „Und in der heutigen Zeit sollte sich jeder Gedanken über die aufgebrach­ten Ressourcen machen, die nötig sind, unsere Lebensmitt­el herzustell­en.“

Maryam Saleh

(25) ist Dolmetsche­rin für Deutsch, Englisch, Arabisch, studiert Int. Relations in Berlin.

Aleksandra Tulej

(21) studiert Transkultu­relle Kommunikat­ion an der Uni Wien, arbeitet beim Magazin ,,das biber“.

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