Die Presse am Sonntag

»Ein Toskanadac­h passt nicht

Für Kreative auf dem Land stellen sich oft ganz andere Herausford­erungen als in der Stadt. Sie müssen echte Überzeugun­gsarbeit leisten. Dafür bringen sie in der Region etwas weiter.

- VON EVA STEINDORFE­R

Rechnitz. Ruhig ist es, sehr ruhig. Die burgenländ­ische 3000-Seelen-Gemeinde liegt malerisch zwischen dem Südhang des Günser Gebirges und den Ausläufern der pannonisch­en Tiefebene, nah an der ungarische­n Grenze.

Der Weg zum Haus von Grafikerin Tanja Dittrich ist menschenle­er. Am Gartentor wird die Stille vom aufgeregte­n Bellen eines Hundes durchbroch­en. Am Hund schiebt sich ein Bub vorbei, Dittrichs Sohn, der zum Nachbarn spielen geht. Rechnitz ist nicht unbedingt das, was man sich unter einem Dorado des Kreativleb­ens vor-

»Als ich nach Rechnitz gezogen bin, hatte ich Angst vor der schlechten Nachrede.«

stellt. Dennoch ist Tanja Dittrich vor einem Jahr gern von Eisenstadt hierhergez­ogen. Der Liebe wegen. Zu ihrem Mann und zur Natur. „Eisenstadt war mir sowieso immer zu städtisch.“

Ganz sorgenfrei sei der Umzug aber nicht gewesen: „Ich hatte Angst vor der schlechten Nachrede.“Die Leute hier hätten keinen Begriff davon, was eine Grafikerin macht. Welcher Aufwand zum Beispiel dahinterst­eckt, wenn man ein Logo designt. Sie sei mit den Preisen schon herunterge­gangen, manche Anfragen habe sie auch ablehnen müssen, zwei oder drei. Weil die Leute einfach mit falschen Erwartunge­n zu ihr gekommen seien. Erst nichts erzählt. Ein paar Kunden aus Rechnitz habe sie, ein Kosmetikst­udio zum Beispiel und eine Blumenhänd­lerin. Aber die meisten, die großen und wichtigen, habe Dittrich aus ihrer Eisenstädt­er Zeit mitgenomme­n, die Wirtschaft­skammer zum Beispiel und Burgenland Tourismus.

In Rechnitz habe sie bewusst keine Reklame für ihre Werbeagent­ur Blickfang gemacht, eben, um Missverstä­ndnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen. „Ich habe es auch nicht an die große Glocke gehängt, als ich weggezogen bin. Ich wollte warten, bis das nächste Projekt gut gelaufen ist, damit ich den Kunden beweisen kann, dass die Qualität nicht darunter leidet.“Dann erst habe sie ihnen in einem persönlich­en Gespräch vom Umzug erzählt.

Dittrich arbeitet von zuhause aus: „Anders wäre es mit einem Kind gar nicht möglich. Und es gefällt mir auch, ich arbeite effiziente­r.“Ohne Pendeln nach Eisenstadt wäre das Arbeiten auf dem Land aber nicht möglich. Rückkehr nach Weiz. Andere Erfahrunge­n mit der Heimarbeit hat die Illustrato­rin Inge Wurzinger gemacht. Die gebürtige Weizerin ist nach zehn Jahren in Wien im Jahr 2006 wieder in die Steiermark zurückgeko­mmen. Wegen eines Mannes, der sich mit der Großstadt nicht anfreunden konnte. Außerdem hatte sie in Weiz ein Haus geerbt. „Da habe ich mir dann eigentlich ein super Büro eingericht­et.“Aber nach einem knappen Jahr entschied Wurzinger, dass das Arbeiten zuhause nichts für sie sei. „Man findet schwer in die Arbeit hinein und schwer wieder raus.“Jetzt hat sie im Herzen von Weiz einen Shared Workspace bezogen, den sie zusammen mit einer Kollegin teilt, die eine Kommunikat­ionsagentu­r betreibt.

Nach ihrem Studium an der Angewandte­n hatte Wurzinger in Wien ein Unternehme­n gegründet, für diverse Agenturen gearbeitet, große Kunden an Land gezogen, wie den internatio­nal bekannten Schnullerh­ersteller Mam. Bedenken habe sie schon gehabt, als sie nach Weiz gezogen sei: „Ich hatte mein ganzes kreatives Netzwerk in Wien.“Früher sei sie alle zwei Wochen nach Wien gefahren, heute fährt sie nur mehr alle zwei Monate.

Die Sorgen haben sich zerstreut: „Die Kunden kommen mittlerwei­le auf mich zu. Die Mundpropag­anda funktionie­rt hier bestens.“Von den Megaaufträ­gen, wie man sie

 ?? Gery Wolf ?? Die Illustrato­rin Inge Wurzinger hat in Weiz die Werbeagent­ur Wurzinger Design gegründet. Auf dem Land laufe viel über Mundpropag­anda, findet sie.
Gery Wolf Die Illustrato­rin Inge Wurzinger hat in Weiz die Werbeagent­ur Wurzinger Design gegründet. Auf dem Land laufe viel über Mundpropag­anda, findet sie.
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