»Keine Angst, ich habe es nicht verlernt«
Skispringen ist sein Leben, darum kehrt Janne Ahonen zum zweiten Mal in den Weltcup zurück. Der Finne, 36, träumt von Olympia, ist fit, hat sogar auf das Saunabier verzichtet. Seine Familie gab grünes Licht.
Sie kehren jetzt zum zweiten Mal aus der „Skisprungpension“zurück. Warum wagen Sie diesen Schritt erneut – und verlernt man das Skispringen denn eigentlich nicht? Janne Ahonen: Das Interesse an meiner Person ist gewaltig, das freut mich. Jeder will wissen, warum ich es noch einmal versuche, dabei ist es ganz einfach erklärt: Ich will es noch einmal probieren. Skispringen ist mein Leben. Ist Skispringen wie Radfahren? Man lässt es einige Jahre sein, springt irgendwann wieder ab, und es funktioniert auf Anhieb? Der Vergleich ist sehr gut! Als ich vor zwei Jahren mit dem Skispringen aufhörte, fehlte mir alles: Form, Willen, Ausrüster und Motivation. Ich wollte nicht mehr, ich hatte genug. Die vielen Reisen, das Drumherum. Jetzt spüre ich wieder dieses Verlangen, und dass ich es nicht verlernt habe, hat man im Sommer-GP (Qualifikationssieg in Einsiedeln, Platz drei in Klingenthal, wo heute der erste Weltcupbewerb stattfindet, Anm.) gesehen. Ich bin fit! Haben Sie allen Verlockungen, etwa finnischem Schinken oder Saunabier, widerstanden und das Gewicht gehalten? Ich habe mich immer fit gehalten, habe nie über die Stränge geschlagen oder zu viel Bier getrunken. Ich habe auch den ganzen Sommer hart trainiert. Außerdem habe ich zwei Söhne, da ist man ohnehin immer auf Draht. Springen Sie nur wegen der Winterspiele in Sotschi und des Traums der Einzelmedaille ab? 2010 in Vancouver hat es ja schon einmal nicht geklappt, und viele wunderten sich darüber, nicht nur in Finnland. 1993 feierte ich in Engelberg meinen ersten Weltcupsieg, habe seitdem WMGold, fünfmal die Tournee, 36 Weltcupsiege und auch bei Olympia mit dem Team Medaillen gewonnen. Natürlich ist die Einzelmedaille das Ziel, aber sie ist nicht alles. Ich will bei der Tournee gut springen, sie gewinnen. Erst die Zeit wird zeigen, ob dieses Vorhaben funktioniert. Wie die Leute reagieren, weiß ich nicht. Lass sie doch reden. Ich habe davor keine Angst. Wenn Sie schon so durch die Vergangenheit schweifen – welcher war Ihr größter Sieg, welcher brachte die größten Emotionen? Ganz klar: Der fünfte Tourneesieg. Der war gigantisch, das war historisch, eine tolle Geschichte. Das kann nicht jeder schaffen – wenn ich daran denke, wie oft ich nur Zweiter oder Dritter (128 Podestplätze, Einzel und Mannschaft, 36 Siege; Anm.) geworden bin, wird mir schlecht. Aber 2008, in Bischofshofen, da war ich ganz oben – nur ich. Sie wurden 1999, bei Ihrem ersten Tourneesieg, als „Mann mit der Maske“berühmt. Was ist denn mit dem guten Stück passiert, spielen jetzt die Kinder im Garten damit? Nein! Die Buben haben ihre eigene Ausrüstung, sie sind beide selbst Skispringer. Für mich war es Slapstick. Irgendwann, ich glaube es war 2002, habe ich die Maske abgelegt. Das war’s. Wie reagierte Ihre Familie auf das Comeback? Sie waren schließlich zwei Jahre daheim, jetzt kommen Reisen, Bewerbe, . . . Meine Familie ist mein ganzer Stolz, es wird aber irgendwie klappen müssen. Ich denke, meine Frau und die Buben haben meinen Wunsch schnell akzeptiert. Es wird hart, ja, aber wir schaffen es. Mit Mico, er wird jetzt zwölf, habe ich sogar trainiert . . . . . . auf der gleichen Schanze? Ja. Und er kann sehr gut Ski springen. Sie sind jetzt 36 Jahre alt – springen Sie so lange weiter, bis Ihr Sohn auch im Nationalteam ist? 16-Jährige gewannen schon große Bewerbe, Toni Nieminen sogar die Tournee. Also ich habe mir noch keine großen Gedanken darüber gemacht, wie lange ich das jetzt machen werde. Aber schaut doch Noriaki Kasai an, der ist 41 und immer noch dabei. Aber Mico soll seinen Weg gehen, ich zwinge und dränge ihn zu nichts. Sie sprechen Ihr Alter oft explizit an, was ist denn nun alles anders geworden? Wie sehr hat sich der Sport verändert? Ich bin älter geworden, ruhiger, reifer, das stimmt. Training und Ski sind bei- nahe gleich geblieben, es gibt neue Bindungen, die Anzüge sind enger geworden, die Technik ist wieder etwas anders. Es gibt neue Trainer, andere Kollegen – aber in Wahrheit siehst du den Unterschied von damals und heute vor allem dann, wenn du selbst in den Spiegel schaust. Skispringen gilt in Finnland als Volkssport neben Langlaufen oder Eishockey. Das Nationalteam ist aber zuletzt brutal abgestürzt; bei der vergangenen Tournee war überhaupt nur ein Finne dabei. Was ist passiert, was können, was wollen Sie tun, damit wieder der Aufschwung gelingt? Das ist eine gute, aber eine sehr schwierige Frage. Das Training wurde verändert, zu viele Individualisten brachten in ihren Klubs unterschiedliche Philosophien, Meinungen ein, das war nicht richtig, im Team lief es aus dem Ruder. Dazu kam fehlendes Interesse, bei Sponsoren und im Nachwuchs. Jetzt ist es schon besser geworden, aber es wartet immer noch viel Arbeit. Natürlich will ich mithelfen, dass Finnjumping wieder ganz oben landet – auch als alter Mann . . . Skispringen ist ein toller Sport.
Janne Ahonen
wird am 11. Mai 1977 in Lahti geboren. Der Finne ist verheiratet, hat zwei Söhne.
Zweites Comeback
Der zweifache Weltmeister und fünffache Tourneesieger kehrt nach 2009 nun zum zweiten Mal in den Weltcup zurück.
130 Meter
Die Qualifikation in Klingenthal (13.30 h, ORF1) meisterte er als Neunter spielend. Und die Vision, Sie eines Tages als Trainer zu sehen . . . . . . bleibt vorerst eine Vision. Jetzt will ich nur springen, sonst nichts. Als Springer müssen Sie sich wieder mit den Österreichern beschäftigen. Warum sind die ÖSV-Adler so gut? Sie sind doch schon seit vielen Jahren gut, sie haben eben richtig gearbeitet, vieles richtig gemacht. Aber das war früher nicht anders, es gab doch immer Zeiten, in denen ein Team alles dominiert hat, etwa die Finnen – oder die Deutschen, mit Hannawald. Und, es wird sich auch wieder ändern, andere kommen nach oben. Imponiert Ihnen Gregor Schlierenzauers Rekord von 50 Siegen, und springt bei Ihnen da nicht Nostalgie mit, weil Matti Nykänen nicht mehr die Nummer eins ist? Ich wehre mich dagegen, Generationen miteinander zu vergleichen. Das geht einfach nicht. Schlierenzauer ist ein toller Athlet, keine Frage. Aber Matti war das auch. Und, diesen Vergleich kann man durchaus machen, das ist auch zu belegen: Damals gab es viel weniger Bewerbe.