Die Presse am Sonntag

Rollentaus­ch: Männer als Cheerleade­r

Sie sin© nicht nur Sportler, sie wollen Żuch mit Geschlecht­erklischee­s Żufr´umen – ©ie M´nnertruppe ©er Vienna Fearleader­s tritt in hŻutengen Kostümen Żuf un© feuert mit knŻckigen ChoreogrŻf­ien Sportlerin­nen Żn.

- VON JELENA PANTI

Junge Mädchen in knappen Kostümen, die eine Mannschaft mit Parolen und einer verführeri­schen Choreograf­ie anfeuern. Das ist das Bild, das sich im Kopf auftut, sobald der Begriff „Cheerleade­r“fällt. Die Fearleader­s Vienna fallen auch in diese Kategorie – die Kostüme liegen hauteng an, und die Choreograf­ien sind knackig. Und doch gibt es einen gravierend­en Unterschie­d: Alle Mitglieder des Fearleader-Teams sind Männer. Und sie feuern eine reine Frauenmann­schaft an. Das wirkt auf den ersten Blick schräg, ist aber aus der Geschichte heraus gar nicht so ungewöhnli­ch. Denn zu Beginn der mehr als hundert Jahre alten Tradition, die in den USA entstand, waren Cheerleade­r überwiegen­d Männer. Erst im Lauf der Jahre entwickelt­e sich daraus eine beliebte Frauenspor­tart, die in den 1990er-Jahren auch in Österreich ankam.

Die Fearleader­s Vienna sind das offizielle Cheerleadi­ng-Team der Vienna Rollergirl­s, dem ersten Roller-DerbyTeam Österreich­s (siehe unten). „Meine Freundin spielt bei den Vienna Rollergirl­s, und ich dachte, es wäre lustig, sie anzufeuern“, erzählt Gründer Max Hauer. Ein Jahr nach diesem spontanen Einfall hatten die Fearleader­s Vienna ihren ersten öffentlich­en Auftritt vor 300 Leuten. Seither sind sie schon mehrmals aufgetrete­n, hauptsächl­ich bei Spielen der Vienna Rollergirl­s, einmal aber auch im Wiener Konzert- und Künstlerha­us Brut. Klischees entkräften. Die Truppe ist selbst überrascht, wie sich der anfänglich­e Gedanke entwickelt hat. Die Fearleader­s sind keine Sportler, die bei Meistersch­aften mitmachen. Dennoch sind ihre Vorbereitu­ngen harte Arbeit. Die meisten der Mitglieder kennen sich aus einem Boden- und Geräteturn­kurs und trainieren dort zusätzlich zum wöchentlic­hen Cheerleade­r-Training drei Mal pro Woche. Auch sonst gehen sie täglich ins Fitnesscen­ter, Radfahren oder Klettern.

Neben dem sportliche­n Aspekt ist aber vor allem das bewusste Spielen mit Geschlecht­erstereoty­pen eine Erwähnung wert. Während die Frauen gnadenlos Roller Derby spielen, bei dem es regelmäßig zu Verletzung­en kommt, nehmen die Männer eine eher untypische Rolle ein, tanzen in Kostümen und wedeln mit Pompons. Sie sind sich dafür nicht zu schade – im Gegenteil, sie wollen damit auch vorherrsch­ende Klischees entkräften.

Die Truppe erscheint bei ihren Auftritten in blauen Elastan-Shorts und mit Stirnbände­rn, die man aus Achtzigerj­ahre-Aerobic-Videos kennt, gepaart mit den fürs Cheerleadi­ng obligatori­schen Pompons. Dazu trägt man Hosenträge­r und ein T-Shirt mit dem Fearleader-Logo: eine Unterhose und zwei Pompons. Die Kostüme haben sie selbst entworfen. „Ich habe die Größen für die Hosen aufgeschri­eben und dann einfach für jeden eine Größe kleiner bestellt“, erzählt Andi Mayer lachend.

Die Gruppe von 22- bis 35-jährigen Männern macht alles selbst, von Fotos, Schnitt und Regie für ihre Videos bis zu den Choreograf­ien, die von Kunst, Aerobic, Freerunnin­g und Jane Fonda inspiriert sind. Das Konzept einer Show entsteht durch Brainstorm­ing aller Mitglieder, daraus ergibt sich eine in der Regel siebenminü­tige Nummer. Für ihre Finanzieru­ng kommen die Sportler seit Beginn mit ihrem eigenen Geld auf. Durch den Verkaufser­lös ihres aktuellen Fotokalend­ers erhoffen sie sich vor allem Mittel für neue Kostüme und Pompons. Auch zu Spielen im Ausland könnten sie dann mitkommen – derzeit feuern sie die Vienna Rollergirl­s nur bei Heimspiele­n an. Die 15-köpfige Truppe ist übrigens auch für Events buchbar – aber auf Junggesell­innenabsch­iede verzichten sie. „Wenn, dann nur mit hoher Gage und Bodyguards“, sagt Andi Mayer mit einem Augenzwink­ern. „Die Gefahr ist sonst für uns zu groß.“Ein bisschen auf alten Klischees herumreite­n geht ja doch . . . Selbstiron­ie muss sein. Tatsächlic­h ist Selbstiron­ie ein wichtiges Element ihrer Arbeit. Bei allem sportliche­n Ehrgeiz – der Spaßfaktor ist den Fearleader­s Vienna am wichtigste­n. Ihr Umfeld hat durchaus positiv auf die unge- wöhnliche Idee reagiert. Und vielen anderen scheint es auch zu gefallen – die Gruppe hat auf Facebook mehr als 600 Likes, ihr Video wurde schon über 10.000-mal angeklickt. Wie sie aber selbst sagen: Ihr größter Fanklub bleiben die Vienna Rollergirl­s. Die bekommen ihre Choreograf­ie auch am öftesten zu sehen.

Jelena Panti´c

(21) studiert Transkultu­relle Kommunikat­ion in Deutsch, BKS und Italienisc­h und schreibt für „Das Biber“.

 ?? Peter GrillmŻir ?? Selbstiron­ie ist wichtig, doch die Fearleader­s müssen auch hart trainieren.
Peter GrillmŻir Selbstiron­ie ist wichtig, doch die Fearleader­s müssen auch hart trainieren.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria