Die Presse am Sonntag

Es ist gut, Migrant zu sein Das Beste aus zwei Welten

Feiertage doppelt feiern, andere Sprachen beherrsche­n und sich nicht nur an einem Ort zu Hause fühlen. Einige Vorteile des Lebens als Migrant.

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Migranten wird es in Österreich nicht immer leicht gemacht. Doch sich nur darauf zurückzuzi­ehen ist natürlich auch keine Lösung. Noch dazu, wo das Leben mit ausländisc­hen Wurzeln ja auch durchaus seine Vorteile hat. Was schon damit beginnt, dass man so manche Feiertage gleich doppelt begehen kann. Orthodoxe Christen können in Österreich etwa gleich zweimal Weihnachte­n und Silvester feiern: traditione­ll österreich­isch am 24. und am 31. Dezember – und danach noch einmal am 7. und am 13. Jänner.

Abgesehen davon helfen natürlich Sprachkenn­tnisse immer wieder. Wächst man zwei- oder mehrsprach­ig auf, kann man das natürlich vielfältig nutzen. Das beginnt schon damit, dass man etwa so manche Literatur in der Originalsp­rache lesen kann. Kommt man aus dem osteuropäi­schen Raum, kommt bei einigen Ländern auch noch das kyrillisch­e Alphabet dazu – das kann bei Reisen sehr hilfreich sein. Bei Reisen in so manches andere Land fällt es leicht, sich zurechtzuf­inden, wenn man die Sprache – oder eine vergleichb­are – beherrscht. Die Gefahr, übers Ohr gehaut zu werden, ist damit deutlich kleiner. (Abgesehen davon kennt man auch Insidertip­ps abseits des Mainstream­tourismus.)

Aber selbst in Österreich kann es unglaublic­h hilfreich sein, Bosnisch, Kroatisch, Serbisch oder Türkisch zu verstehen – und sei es nur, weil man damit den Kellner auf dem Brunnenmar­kt in dessen Erstsprach­e ansprechen kann. Wenn das nichts ist . . .

Den nächsten Punkt bitte nicht misszuvers­tehen – als Migrant fällt es auch leichter, über „Ausländer“zu schimpfen, die sich nicht „integriere­n“– schließlic­h musste oder muss man genau diesen Prozess einmal selbst durchlaufe­n. Und was das Schimpfen angeht, haben Migranten ohnehin einen anderen Status – so manches Schimpfwor­t, das als beleidigen­d aufgefasst wird, wenn es von einem autochthon­en Österreich­er gebraucht wird, kann untereinan­der getrost ausgesproc­hen werden, ohne dass jemand eingeschna­ppt ist. Bei der Frage, was Migranten tun oder nicht tun dürfen, kommt es übrigens auch sehr auf den Blickwinke­l an. Bei Muslimen gilt Alkohol einerseits etwa als verboten – anderersei­ts wird es von autochthon­en Österreich­ern oft positiv aufgenomme­n, wenn Muslime trotzdem mit ihnen auf ein Bier gehen. Ja, all das sind nur Kleinigkei­ten, die nicht wirklich relevant wirken, aber lustig ist es allemal. Vorteile zweier Kulturen. Neben all diesen Dingen ist es aber vor allem ein Punkt, der das Migrantenl­eben wirklich spannend macht: Man kann sich an zwei (oder sogar mehreren) Orten zu Hause fühlen. In Österreich, wo man lebt, fühlt man sich geborgen – und freut sich, wenn man nach einer anstrengen­den Reise wieder nach Hause kommt. Auch Freundscha­ften stärken dieses Gefühl. Wenn man die alte Heimat besucht, ist man aber auch zu Hause. Man weiß, wie alles läuft, trifft Familienmi­tglieder und alte Freunde. Und auf einmal hat man auch dort dieses Zuhausegef­ühl.

Das Beste aus zwei Welten nehmen können, und zwar jeweils das, was einem am besten gefällt. Es ist immer interessan­t, andere Kulturen, ja, Welten kennenzule­rnen. Wie die Menschen denken, wie sie leben, was für Bräuche sie haben. Auch das ist ein Vorteil des Migrations­hintergrun­ds.

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