Die Presse am Sonntag

Die Herren der GröStaZ

Bundeskanz­ler Werner Faymann sitzt angeblich wieder fester im Sattel. Reinhold Mitterlehn­er reitet gemütlich in den Sonnenunte­rgang.

- LEITARTIKE­L VON R A I N E R N OWA K

Die Innenpolit­ik und ihre Repräsenta­nten haben einen Selbstschu­tzmechanis­mus eingebaut: eine im passenden Moment verlässlic­h einsetzend­e kollektive Amnesie. Anders ist die Reaktion der Sozialdemo­kratie nicht zu verstehen. Vor wenigen Monaten demütigte sie ihren Chef Werner Faymann beim Parteitag. Einen echten Grund für die erniedrige­nde Strafaktio­n gab es nicht, außer, dass Werner Faymann Werner Faymann ist. Die Genossen prophezeit­en ihrem „Chef“das Aus, sollte er keine Reichen-, Erbschafts­und Vermögenst­euern durchsetze­n.

Nun wissen wir, dass weder das eine noch das andere neu besteuert wird. Von der Reichenste­uer sind gerade einmal 400 Einkommens­millionäre geblieben, die befristet mehr Steuern zahlen. (Was reichen wird, damit Österreich als Höchststeu­erland auf der schwarzen Liste landet.) Und was ist mit Faymann? Er sitze vorerst wieder fest im Sattel, sagen sie in der Partei. Zustimmung im Parteipräs­idium und -vorstand für Umfallen und Aufgabe? Glauben sie die PR-Mär von der „größten Steuerrefo­rm aller Zeiten“?

Dieses Vergessen kann nur mit den wichtigste­n Vorgängen der Menschheit­sgeschicht­e Österreich­s in Zusammenha­ng stehen: Gefeierte Großfürste­n, edle und schöne Landeshaup­tleute werden samt gewaltigen Thinktanks, Landtage genannt, gewählt. Dafür gibt es Lohnsteuer­senkungen und Schonzeit für Faymann. In der ÖVP verhält es sich anders: Die Partei hat sich daran gewöhnt, bei wichtigen Entscheidu­ngen zum Thema Steuer einzuknick­en. Nun herrscht fast Angst vor der eigenen Courage. Eigentlich wäre sie doch nicht so schlecht gewesen, die neue Steuer auf Stiftungen und große Erbschafte­n, raunzen nicht wenige im ÖAAB. Die Kleinund vor allem Mittelbetr­iebe, ohnehin lang leidende Stiefkinde­r der ÖVP, kommen stattdesse­n zum Handkuss – quasi entgegenge­setzt zur skizzierte­n Länder-SPÖ-Logik: Die Wirtschaft­skammer hat schon gewählt, der ÖVP-Wirtschaft­sbund wurde bestätigt, da kann die Klientel ruhig ein wenig bluten. Dass Aktieninve­stitionen und damit etwa auch private Altersvors­orge noch stärker besteuert werden, zeigt die antilibera­le Handschrif­t des Pakets der beiden Parteien.

Die Bauern erregen sich ebenfalls, auch wenn sie – noch! – nur marginal betroffen sind. Nur die Beamtengew­erkschafte­r sind ruhig, aber die Präsentati­on war schon Freitagabe­nd – also im tiefsten Wochenende. Das dürfte sich rasch ändern, wenn die personelle­n Sparmaßnah­men in allen Bundesstel­len und an Unis bekannt werden. Reinhold Mitterlehn­er, der dieser Tage zum Django-Kinoabend geladen hat, geht ein ziemlich hohes Risiko ein: Bundesländ­er, WKO und die Beamten zu fordern ergab bisher keinen sehr bekömmlich­en Cocktail für einen ÖVPChef. Aber vielleicht schickt Mitterlehn­er einfach immer Hans Jörg Schelling vor.

Wirklich Sorgen müssen SPÖ und ÖVP sich ohnehin nicht machen. Wer die TV-Debatte der Klubobleut­e am Freitagabe­nd verfolgte, durfte feststelle­n: Die Opposition­schefs sind mindestens so müde wie die Steuerverh­andler. Ab Montag sollten wir uns neue politische (Reform-)Themen suchen. Oder wir blicken besser ins Ausland – wo es echte Steuerrefo­rmen gegeben hat und gibt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria