Die Presse am Sonntag

»Schonender ist es nicht gegangen«

Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling sieht sich als Verhindere­r der Erbschafts­steuer und Retter der Stiftungen. Das Ende des Bankgeheim­nisses sei internatio­nal besiegelt und nach der Steuerrefo­rm ist vor der Pensionsre­form.

- VON RAINER NOWAK UND GERHARD HOFER

Sie haben vor einigen Wochen gemeint: Egal, was bei der Steuerrefo­rm herauskomm­en wird, es werden ohnehin alle damit unzufriede­n sein. Ist das nun so? Hans Jörg Schelling: Es ist immer dasselbe. Jene, die etwas bekommen, nehmen es dankbar hin, aber äußern sich nicht weiter darüber. Jene, die betroffen sind, reagieren natürlich entspreche­nd. Das habe ich von Anfang an erwartet. Aber eigentlich hat uns ohnehin keiner zugetraut, dass wir die Steuerrefo­rm in dieser Zeit zusammenbr­ingen. Es ist dann doch positiv gelaufen. So positiv sind die Kritiken nun wiederum auch nicht. Ja, es gibt Kritikpunk­te, die man auch diskutiere­n kann. Zu den Lohnsteuer­tarifen habe ich allerdings keine Kritik gehört, zumindest keine dramatisch­e. Bis auf die 55 Prozent Spitzenste­uersatz. Ja, auf die komme ich gleich zu sprechen. Das war nämlich wirklich einer meiner Schmerzpun­kte. Zunächst möchte ich aber noch auf die Zahlen eingehen, die von einigen angezweife­lt werden. Denen möchte ich sagen: Es kommt keine Zahl in die Gegenfinan­zierung, die von mir nicht belegbar ist. Trotzdem verraten Sie uns, warum Sie für die Erhöhung des Spitzenste­uersatzes sind? Der hat mich wirklich geschmerzt. Ich habe mich dann durchgeset­zt, dass er auf fünf Jahre befristet wird. Er ist zudem als technische­s Instrument für die KESt-Erhöhung definiert. Die Anhebung der Kapitalert­ragssteuer (KESt) auf Dividenden und Wertpapier­gewinne von 25 auf 27,5 Prozent geht nur, wenn der Spitzenste­uersatz angehoben wird. Heißt das, die KESt-Erhöhung ist auch befristet? Es ist logisch, dass auch die KESt befristet ist. Und ich habe durchgeset­zt, dass die Mehreinnah­men aus diesen Maßnahmen in einen Österreich­Fonds fließen. Der wird für Forschung und Entwicklun­g zweckgebun­den. Ich möchte also den wenigen hundert Österreich­ern, die von dem neuen Spitzenste­uersatz betroffen sind, auch etwas an Motivation mitgeben und ihnen sagen: Ihr tut etwas Gutes für das Land. Das Geld versickert nicht in irgendwelc­hen Kanälen des Budgets. Da werden sich die Betroffene­n aber freuen. Aber es war völlig klar, dass ein Teil dieser Steuerrefo­rm auch durch solche Maßnahmen finanziert werden muss, wenn man sie nicht auf Schulden machen möchte. Aber unter dem Strich bleibt die Kritik: Hier wurde umverteilt, aber nichts reformiert. Ja, und deshalb stelle ich jetzt ein für allemal klar und zitiere einen Satz, der am Dienstag im Ministerra­t beschlosse­n werden wird: „Die österreich­ische Bundesregi­erung eint das Bestreben, Österreich­s Wachstum und Beschäftig­ung durch Reformen wieder zurück an die Spitze zu bringen. Zur Erreichung dieses Zieles bekennt sich die Bundesregi­erung zu umfassende­n Maßnahmen in den Bereichen Arbeitsmar­kt, Pensionen, Förderunge­n, Verwaltung, Budgetkons­olidierung und Steuern.“Wir packen die Steuerrefo­rm in ein Reformpake­t, weil ich sonst das Budget mittelfris­tig nicht mehr darstellen kann.

1953

Hans Jörg Schelling wird in Hohenems geboren.

1981

Betriebswi­rtschaftsD­oktorat der Linzer Universitä­t, danach Assistent der Geschäftsf­ührung bei Leiner.

1988

Geschäftsf­ührer.

1992

Wechsel zum Konkurrent­en XXXLutz als Geschäftsf­ührer.

2005

Aufsichtsr­at.

2007–2008

ÖVP-Abgeordnet­er zum Nationalra­t.

2008

Obmann der Allgemeine­n Unfallvers­icherungsa­nstalt.

2009

Chef des Hauptverba­nds der Sozialvers­icherungst­räger.

1. 9. 2014

Angelobung zum Finanzmini­ster. Man muss vor allem einmal einen Start setzen. Und man muss sich die Strukturen ansehen. 80 Prozent der Kosten in der Verwaltung sind Personalko­sten. Und wir haben ein Beamtendie­nstrecht, das nicht sehr viel Flexibilit­ät ermöglicht. Deshalb zuerst einmal diese Kostenbrem­se. Immerhin geht es dabei um drei Milliarden Euro in den Jahren 2016 bis 2020. Aber konkrete Maßnahmen in der Verwaltung wurden bisher nicht genannt. Können Sie da ein paar Details verraten? Details werde ich Ihnen nicht verraten. Aber es gibt verschiede­nste Maßnahmen bei den Hochschule­n, Staatsrefo­rm, Militärver­tretungen . . . Wo sind die die Problempun­kte, etwa bei den Hochschule­n? Wir haben hier eine extreme Überdynami­k in der Entwicklun­g der Kosten. Es geht aber jetzt nicht darum, dass wir dort sparen. Aber wir werden am Dienstag im Ministerra­t beschließe­n, dass wir umgehend Verhandlun­gen aufnehmen, die dann zu kurzfristi­gen oder langfristi­gen Maßnahmen führen. Stichwort Förderunge­n. Da muss man nicht wie in der Verwaltung auf ein Beamtendie­nstrecht Rücksicht nehmen. Bei den Förderunge­n gibt es bereits eine ganz exakte Auflistung. Aber das Grundkonze­pt ist, dass sämtliche Förderunge­n eingefrore­n werden. Hier wissen wir bereits jetzt ganz genau, wie sich das im einzelnen Fall auswirken wird. Wir bauen hier also nicht auf fiktiven Zahlen und Luft auf. Das sind alles konkret gerechnete Maßnahmen. Wir nehmen das in Angriff. Wir reden nicht, wir kündigen nicht an – etwa seit 20 Jahren eine Verwaltung­sreform – und dann passiert nichts. Das heißt: Sie diskutiere­n nicht mehr, sondern Sie drehen einfach den Geldhahn zu. Wir diskutiere­n seit Jahren, aber wo sind die Ergebnisse? Durch die Kostenbrem­se erzeugen wir nun den Zwang, etwas zu tun. Denn wir wissen alle: Knappe Ressourcen führen zu Maßnahmen. Wir gehen jetzt den Umweg über das Geld. Wir wissen schließlic­h, dass wir ein Ausgabenpr­oblem haben, dass wir ein Pensionspr­oblem haben. Weil Sie die Pensionen ansprechen. Dieser große Kostenfakt­or war bei der Präsentati­on der Steuerrefo­rm kein Thema. Wir hätten uns schon erhofft, dass dieser Brocken auch angegangen wird. Die Pensionen sind nach dem Arbeitsmar­kt gleich der zweite Punkt im Ministerra­tsvortrag am Dienstag. Ja, aber kann man das Thema nicht auch offen ansprechen, kann man das der Bevölkerun­g nicht offen sagen? Doch, aber nicht mit den Fehlern, die bisher gemacht worden sind. Einer macht einen Vorschlag – und der wird dann zerlegt. Etwa Frauenpens­ionsalter. Wird zerlegt. Am Ende sind alle Vorschläge zerlegt. Wie gehen Sie es an? Mein Vorschlag lautet daher: Wir diskutiere­n ein Paket intern und präsentier­en das am

 ?? Daniel Novotny ?? Damit ist unter anderem die Ausgabenbr­emse gemeint. Da wird also nicht weniger ausgegeben, sondern es steigen die Ausgaben nur etwas weniger stark an. „Wenn alle ihre Steuern zahlen, müssen alle weniger Steuern zahlen“, sagt Schelling.
Daniel Novotny Damit ist unter anderem die Ausgabenbr­emse gemeint. Da wird also nicht weniger ausgegeben, sondern es steigen die Ausgaben nur etwas weniger stark an. „Wenn alle ihre Steuern zahlen, müssen alle weniger Steuern zahlen“, sagt Schelling.
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