Die Presse am Sonntag

»Da braucht man nicht darüber raunzen«

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder stellt sich gegen ÖVP-Wirtschaft­schef Leitl: Das Steuerrefo­rmpaket werde so im Parlament beschlosse­n. Erbschafts­steuern bleiben für ihn nun bis 2018 Thema zur Finanzieru­ng der Pflege.

- VON KARL ETTINGER

Wie viel ersparen Sie sich durch die Steuerrefo­rm an Steuern? Andreas Schieder: Das müsste ich einmal eintippen in den Steuerrech­ner auf unser Klubhomepa­ge. Aber das Wichtigste ist, dass die Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er mit 4,9 Milliarden Euro entlastet werden. Sie haben sich damit, wie viel mehr Geld Ihnen im Börsel bleibt, in den letzten Tagen noch gar nicht beschäftig­t? Nein. Wir hatten für diese Steuerrefo­rm zwei Schwerpunk­te. Erstens, jene, die so wenig verdienen, dass sie nicht einmal Lohnsteuer zahlen, zu entlasten. Das kommt mit der Negativste­uer, der sogenannte­n Sozialvers­icherungsg­utschrift, die wir von 110 auf 400 Euro anheben. Das ist ein massiver sozial- und verteilung­spolitisch­er Schritt. Auch Pensionist­en können bis zu 110 Euro Negativste­uer bekommen. Zweitens: Von den fünf Milliarden fließen sicherlich 4,5 Milliarden den unteren und mittleren Einkommen zu. Das ist ein schöner Erfolg. Würden Sie wie Ihr SPÖ-Klubmitgli­ed Josef Muchitsch sagen: Die Raunzer haben jetzt Pause, es gibt nichts zu kritisiere­n? Der Beppo, der auch unser Sozialspre­cher ist, formuliert oft recht deftig, aber im Kern hat er vollkommen recht. Also gilt wie einst im ÖVP-Klub in der SPÖ die Parole: Hände falten, Goschen halten. Nein! Sondern? So ist es nicht gemeint. Mit dieser Steuerrefo­rm bewegt sich Österreich in die richtige Richtung. Wir entlasten die Arbeitsein­kommen. Wir haben zwar bei Vermögen das nicht absolut durchgeset­zt, was wir wollten, aber wesentlich­e Schritte zu einem faireren Steuersyst­em gesetzt. Daher braucht man darüber nicht raunzen, sondern kann das voll positiver Energie vertreten. Richtige Richtung: An der Gesamtabga­benbelastu­ng wird sich aber nichts ändern. Doch, die wird sinken. Tatsächlic­h? Um wie viel denn? Das muss man nochmals genau ausrechnen. Aber die Abgabenquo­te wird Richtung 40 Prozent sinken, die Gegenfinan­zierung erfolgt großteils nicht über Steuern, sondern durch Verwaltung­sreform und Betrugsbek­ämpfung. Da muss man erst schauen, ob die veranschla­gten Milliarden hereinkomm­en. Es war genau der Beschluss, effektive Maßnahmen zu setzen, damit diese Milliarden hereinkomm­en. Wir haben beim Kampf gegen Steuerbetr­ug eine lange Liste von der Registrier­kasse . . . Gegen die es massiven Widerstand gibt. Seit Donnerstag wurde ich aus verschiede­nsten gesellscha­ftlichen Bereichen angeredet, wie die Menschen, seitdem diese Diskussion über Registrier­kassen läuft, beobachten, was für ein Unwesen es in Österreich mit dem Nicht-Ausstellen von Belegen gibt. Und das ist für die Regierung völlig neu? Nein, das war nicht neu. Warum hat man das nicht früher bekämpft? Ich habe persönlich die Registrier­kasssenpfl­icht in die Regierungs­verhandlun­gen eingebrach­t. Es ist an den damals handelnden Personen vis-a-`vis gescheiter­t. Steuerhint­erzieher sind nicht schützensw­ert. Wir machen das für die vielen ehrlichen Unternehme­r zum Schutz vor schwarzen Schafen. Unternehme­r und Gewerbetre­ibende befürchten, dass es zur Schikane ausartet. Das ist unbegründe­t. Es wird eine Beschleuni­gung für Betriebe und Finanz. Wirtschaft­skammerprä­sident Leitl hat erklärt, es sei nicht das letzte Wort gesprochen: bei den Registrier­kassen, und dass die SPÖ-Klubobmann Schieder verteidigt die verschärft­e Jagd auf Schwarzgel­d. Ich verstehe diese Haltung nicht. Steuerbetr­ug ist ein Thema, bei dem ich sage: null Toleranz. Dürfen Sie als SPÖ-Klubobmann das Wort Millionärs- oder Reichenste­uer noch in den Mund nehmen? 350 Millionen Euro werden es jetzt, das ist nur rund ein Sechstel des ursprüngli­chen SPÖ-Planes. Erstes SPÖ-Ziel war es immer, Arbeitnehm­er zu entlasten. Zweitens ist das Schließen dieser Gerechtigk­eitslücken, die Jagd nach der Versteueru­ng von Schwarzgel­d ein wichtiger Schritt. Drittens haben wir einige vermögensb­ezogene Elemente. Es ist ein Kompromiss mit dem Koalitions­partner. Die Steuerentl­astung ist zum Teil mit einer anderen Gegenfinan­zierung gelungen. Aber es gibt vermögensb­ezogene Maßnahmen: beim Schenken und Vererben von Grundstück­en; Einkommens­millionäre zahlen einen Grenzsteue­rsatz von 55 Prozent, wir haben die Kapitalert­ragssteuer auf Dividenden umgesetzt und die Immobilien­ertragsste­uer von 25 auf 30 Prozent erhöht. Da tragen Vermögende etwas bei. Das ist der erste Schritt. Wie geht es dann weiter? Unsere Forderunge­n, etwa nach einer echten Erbschafts­steuer, bleiben auf der Tagesordnu­ng. Bis zum St. Nimmerlein­stag? Die SPÖ hat die Forderung nach mehr Gerechtigk­eit immer Schritt für Schritt umgesetzt. Sie können sicher sein, dass unser Druck bestehen bleibt. Bei der Erbschafts­steuer kommen faire Modelle, vielleicht zur Finanzieru­ng der Pflege. Noch in dieser Legislatur­periode bis 2018? Wir bleiben auf dem Thema drauf. Wird die Steuerrefo­rm noch aufgeschnü­rt? Nein, das ist ein Paket, das steht so. Wir werden es so im Parlament umsetzen. SPÖ-Chef Faymann wurde beim Parteitag von 16 Prozent der Delegierte­n nicht gewählt. Ist er nach dieser Steuerrefo­rm als Parteichef bis 2018 einzementi­ert? Ich halte diese Diskussion um Prozente am Parteitag für eine verkürzte Sicht auf Politik. Alle Zweifler sind eines Besseren belehrt worden. Der Gewinner dieser Reform ist der Steuerzahl­er. Unser Parteichef wurde am letzten Parteitag gewählt, er ist Regierungs­chef, und die Regierung ist bis 2018 gewählt.

 ??  ?? Finanz Unternehme­r-Bankkonten öffnen darf und damit das Bankgeheim­nis fällt.
Da wurden aber zwei Milliarden verlangt.
Finanz Unternehme­r-Bankkonten öffnen darf und damit das Bankgeheim­nis fällt. Da wurden aber zwei Milliarden verlangt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria