Die Presse am Sonntag

Das Murren der Wirtschaft am Tag danach

Giftzähne ziehen, Nachbesser­ungen vornehmen, Klarstellu­ngen treffen will der ÖVP-Wirtschaft­sbund.

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Ja, Christoph Leitl sitzt als Präsident der Wirtschaft­skammer und Chef des Wirtschaft­sbunds natürlich mit Stimmrecht im Bundespart­eivorstand der ÖVP. Und ja, er hat der Steuerrefo­rm Freitagnac­hmittag seine Zustimmung erteilt. Aber nein, dieses Durchwinke­n des Verhandlun­gsergebnis­ses, das sein Parteichef und früherer Wirtschaft­sbund-General Reinhold Mitterlehn­er vorgelegt hat, dürfte ihm alles andere als leicht gefallen sein. Auch am Tag danach äußerte Leitl vorsichtig, aber doch, inhaltlich­e Bedenken.

Und – für SPÖ und die eigene Partei fast schon als Drohung zu verstehen: Leitl kündigte am Samstag im ORF-Radio an, die Wirtschaft­svertreter würden sich bei der bevorstehe­nden Behandlung der ungefähr drei Dutzend Gesetze, die für die Steuerrefo­rm und deren Gegenfinan­zierung notwendig sein werden, im Nationalra­t „massiv einbringen“.

Das Aus für das Bankgeheim­nis bei Betriebspr­üfungen durch die Finanz ist ein Beispiel: Da brauche es noch Klarstellu­ngen. Es einfach für eine Gruppe aufzuheben könne nicht im Sinn der Sache sein, meint der Wirtschaft­skammerprä­sident.

Die Registrier­kassenpfli­cht wiederum sei im Prinzip in Ordnung, dürfe aber nicht zu einer Schikane werden. Es solle beraten, nicht sofort gestraft werden. Leitl wörtlich: „Der Staat darf nicht zum Inkassobür­o werden.“ Warnungen und Mahnungen. Zu noch deutlicher­en Worten sahen sich Wirtschaft­sbündler aus den Bundesländ­ern veranlasst. Der Tiroler Kammerpräs­ident, Jürgen Bodenseer, sieht in der Steuerrefo­rm gar einen „Schlag ins Gesicht“für den Wirtschaft­sstandort Österreich. Der Kärntner Tourismuso­bmann in der Wirtschaft­skammer, Helmut Hinterlehn­er, wiederum zeigte sich tief enttäuscht und sprach von einer Steuerkeul­e für die Tourismusb­ranche. Aus dem niederöste­rreichisch­en Wirtschaft­sbund kam die Mah- nung, im Parlament müssten den Gesetzen noch die Giftzähne gezogen werden. Ruf nach Reformen. Gleichzeit­ig drängte am Samstag der Chef des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (Wifo), Karl Aiginger, nach der Einigung der Regierungs­parteien zur Steuersenk­ung auf Reformen – in der Bildung, bei den Pensionen und im öffentlich­en Dienst. Ohne Reformen in diesen Bereichen sei die nun vereinbart­e Tarifsenku­ng der Lohnsteuer in Höhe von insgesamt 4,9 Milliarden Euro nämlich nicht finanzierb­ar. Es sei dabei nicht gekleckert worden. „Das war geklotzt“, erklärte der Wirtschaft­sexperte.

Die Steuerrefo­rm sei aber nicht dazu geeignet, langfristi­g die im internatio­nalen Vergleich hohe Abgabenquo­te zu senken. Damit diese langfristi­g unter die 50-Prozent-Marke gedrückt werden könne, müssten die Ausgaben des Staates durchforst­et werden.

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