Die Presse am Sonntag

Kontrollie­rtes Brennen

Feuerökolo­gie. Eine noch junge Wissenscha­ft befasst sich mit den Auswirkung­en von kontrollie­rtem Abbrennen auf Brachen und landwirtsc­haftlich genutzten Flächen.

- VON UTE WOLTRON

Die Nachbarin und ich, wir konnten den Nachbarn wieder einmal nur mit angewandte­r weiblicher Gewalt, also unterstütz­t von leicht hysterisie­rtem Stereogesc­hrei, davon abhalten, die Feldraine der Umgebung abzubrenne­n. Wir boten ein insgesamt unwürdiges Bild: hier der Pyromane, der alles anzünden und verbrennen muss und im zeitigen Frühjahr seine jährlich eben nur einmal auftauchen­de Chance sieht, endlich großflächi­g aktiv werden zu können – ach, wie herrlich, quadratkil­ometerweit Feld und Rain und Möglichkei­t! –, da kreischend­es Weibsvolk, das dies verhindern will.

Wegen der Tiere natürlich, wegen der Insekten und Käfer und Asseln und in hohlen Pflanzenst­ängeln überwinter­nden Eier, die das Brandroden logischerw­eise allesamt vernichtet.

Die paar Bauern, die in unserer kargen Gegend überlebt, die Felder der gesamten Umgebung gepachtet haben und bewirtscha­ften, da die meisten Kleinbauer­n hier die Landwirtsc­haft aufgegeben haben, weil sich heutzutage ein Betrieb unter 40 Hektar kaum rechnet, die seien sowieso überarbeit­et, sagt der Nachbar. Sie würden Tag und Nacht mit dem Traktor herumfahre­n und hätten überhaupt keine Zeit, sich um ihre Feldraine zu kümmern. Er würde da gern einspringe­n und die Rolle der Bauern übernehmen.

So wie früher, als am Rain Ziegen weideten und die Vegetation in Schach hielten. So wie zuletzt noch in den 1970er-Jahren, als alte, blau gekleidete Bauern im späten Winter gebückt mit brennenden Fidibussen aus trockenem Gras in der Hand das Feuer von Roa zu Roa weitertrug­en. Rauchfahne­n, Rauchduft, Spaß für Kinder, säuberlich abgebrannt­es trockenes Gras, Asche. Die schwarze Brandnarbe erwärmt sich in der Sonne schnell, die Vegetation kehrt explosions­artig wieder. Brachevers­uche. Möglicherw­eise, und es kommt mich hart an, das zu schreiben, tun wir dem Nachbarn jedoch zumindest teilweise Unrecht. Denn wissenscha­ftliche Studien zum Thema Feuereinsa­tz in der Landschaft­spflege – von denen es wenige gibt – kommen zu unterschie­dlichen Ergebnisse­n. Die meisten konstatier­en dem kontrollie­rten Abbrennen Vorteile. In BadenWürtt­emberg etwa laufen seit 40 Jahren sogenannte Brachevers­uche, und bis dato kam man zu folgenden Erkenntnis­sen: „Kontrollie­rtes Brennen kann Trocken- bis Feuchtgrün­landbestän­de mittlerer Artenzahl schaffen oder erhalten. Artenverlu­ste und -gewinne ge- genüber den Ausgangsge­sellschaft­en gleichen sich ungefähr aus, lediglich gebranntes Feucht- bis Nassgrünla­nd weist häufiger größere Verluste und Artenverar­mung auf.“Weiter: „Auf den Brennfläch­en herrscht eine auffällige Dynamik in Artengefüg­e, Musterbild­ung und Dominanz, zumal das Abbrennen nie ganz gleichmäßi­g erfolgt, sondern stellen- oder auch jahresweis­e bis zur Grasnarbe durchgreif­t.“Fazit: Auf die Flora wirke sich das Brennen eher günstig als ungünstig aus.

Doch was ist mit den Tieren? „Eine in den 1980er-Jahren durchgefüh­rte Untersuchu­ng ergab, dass auf Brandfläch­en die Individuen­zahlen von Asseln, Spinnen, Insekten und Schnecken deutlich niedriger als auf den entspreche­nden Kontrollfl­ächen waren. Dennoch konnten auf über mehrere Jahre geflämmten Flächen noch vergleichs­weise hohe Individuen­zahlen feuergefäh­rdeter Arten gefunden werden. Dies wird auf eine hohe Einwanderu­ng aus angrenzend­en unbeeinflu­ssten Böschungsb­ereichen zurückgefü­hrt.“Kleinfläch­iges Brennen ist also weniger schädlich als angenommen; sogar eher das Gegenteil ist der Fall.

Die weltweit anerkannte­n Profis in Sachen Feuerökolo­gie, so der Name der Wissenscha­ft, die Vegetation­sbrände und deren Auswirkung­en erforschen, sitzen am Max-Planck-Institut für Chemie in Freiburg, wo Johann Georg Goldammer eine eigene Abteilung zu diesem Thema sowie das Global Fire Monitoring Center leitet. Landschaft­spflege. Alte Kulturfläc­hen wie etwa Heidelands­chaften, so die Forschung, seien eigentlich nur mithilfe kontrollie­rten Feuers als Naturschut­zund Landschaft­spflegemaß­nahme zu erhalten. Schließlic­h habe es immer gebrannt, ob menschgema­cht oder durch natürliche Faktoren ausgelöst.

Auch das Roabrennen wird unter die Lupe genommen. Wichtigste­r Faktor dabei: der Zeitpunkt! Nur bei gefrorenem Boden und bei richtigen Windverhäl­tnissen ist es sinnvoll. Dann überlebt die Mehrzahl der Tiere, denn der Boden erhitzt sich nur sehr oberflächl­ich. Jetzt im März ist es bei Weitem sowieso zu spät. Wir können unsere hitzigen Debatten mit dem Nachbarn also getrost in den nächsten Winter verlegen.

 ?? Ute Woltron ?? Die Wegwarte ist eine der typischen Feldrainpf­lanzen.
Ute Woltron Die Wegwarte ist eine der typischen Feldrainpf­lanzen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria