Die Presse am Sonntag

Do It Yourself! Oder lass es andere machen

Wenn es nach den Online-Marktplätz­en Etsy und Dawanda geht, könnte DIY bald heißen: Don’t Do It Yourself. Sie erlauben ihren Anbietern, die Produktion der »selbst gemachten« Ware auszulager­n, um größere Stückzahle­n anzubieten.

- VON EVA STEINDORFE­R

Sie haben Fantasiena­men wie Dawanda oder Etsy. Sie sind die kommerziel­len Ausprägung­en einer Bewegung, die zu Beginn vieles sein wollte, aber sicher nicht gewinnorie­ntiert. DIY – kurz für do it yourself – ist ein seit Jahren viel beachteter Trend, teils belächelt, teils idealisier­t zum alternativ­en Lebensentw­urf einer neu entdeckten Langsamkei­t und Reduktion aufs Wesentlich­e. Da geht es darum, Dinge endlich wieder selbst zu machen, mit den eigenen Händen, sich auf alte Handwerkst­raditionen zurückzube­sinnen. Damit einher geht immer ein gewisses Naserümpfe­n dem Konsum gegenüber, vor allem dem von massengefe­rtigter Ware. Wenn schon kaufen, dann nachhaltig, also von Hersteller­n, die man am besten persönlich kennt und die sich jedem Stück mit Liebe und Sorgfalt gewidmet haben.

Auch die Zeitschrif­tenwelt hat sich längst auf diesen Trend eingeschos­sen und zelebriert ihn in Magazinen wie „Landlust“oder „Servus in Stadt und Land“, die sich einer stetig wachsenden Leserschaf­t erfreuen. Im dritten Quartal 2014 verkaufte etwa Landlust pro Ausgabe über eine Million Hefte: im Vergleich zu 2009 ein Plus von 87 Prozent. In Magazinen dieser Art findet man Dinge wie die Strickanle­itung für den Paarhandsc­huh aus zweifädige­m Garn vom gotländisc­hen Pelzschaf – immer mit praktische­m Bestellhin­weis für die Wolle. Somit sorgt die DIY-Zeitschrif­tenindustr­ie dafür, dass auch bei den Woll-, Garn- und Bastelbeda­rfherstell­ern die Kassen klingeln. Etsys Börsengang. Dawanda und Etsy sind Online-Marktplätz­e für Selbstgema­chtes, Plattforme­n für all jene Do-ityourself-Fans, die aus ihrem Hobby einen finanziell­en Mehrwert herausschl­agen wollen. Was für ein Geschäft sich damit machen lässt – vor allem als Plattformb­etreiber –, zeigt der Börsegang von Etsy vor knapp zwei Wochen. Die 2005 in Brooklyn gegründete Online-Plattform mit Europa-Dependance in Berlin hat sich damit einen Siebenmeil­enstiefels­prung von ihrem dem Kleinhandw­erk verpflicht­eten Gründungse­thos entfernt. Das zeigt sich an den bereits im Herbst 2013 in weiser Voraussich­t geänderten Statuten: Seither erlaubt Etsy nämlich seinen Einsteller­n, die Produktion ihrer Ware auszulager­n, um größere Stückzahle­n anbieten zu können.

Bei der deutschen Plattform Dawanda gibt es schon seit der Gründung 2006 eine ähnliche Regelung: „Selbst gemacht bedeutet für uns auch, dass nur das Design eines Produktes selbst entwickelt wurde“, erklärt DawandaSpr­echerin Ina Froehner. „Die Produktion kann dann an einen externen Betrieb ausgelager­t werden. Wenn jemand einen Tisch aus Holz designt, aber nicht schreinern kann, hat er also die Möglichkei­t, einen Tischler für die Fertigung zu beauftrage­n.“

Was die Stückzahl betrifft, gebe es keine genauen Beschränku­ngen. Bedingung sei aber, dass die Produkte „zumindest teilweise handgefert­igt“sind, wie in den Angebotsgr­undsätzen von Dawanda nachzulese­n ist. „Damit ist aber nicht gemeint, dass jemand die Produktion in Billiglohn­länder auslagert und dort in Masse produziere­n lässt“, sagt Froehner. Erlaubt ist die Produktion in „Schwellen- und Drittewelt­ländern“laut Dawanda-Richtlinie­n aber dann, wenn die Ware aus fairem Handel kommt.

All das lässt den Schluss zu, dass die Anbieter auf diesen Marktplätz­en geschäftst­üchtiger und profession­eller agieren, als die Aufmachung der Shops und der Produkte vermuten lassen.

Auch abseits der großen Marktplätz­e gibt es einige Do-it-yourself-Fans, die es zu kommerziel­lem Erfolg gebracht haben – wie My Boshi. Das sind zwei Burschen aus Bayern, die – so will es die Legende – bei einem Skilehrera­ustausch in Japan die Liebe zum Mützenhäke­ln gepackt hat. Zurück in Deutschlan­d gründeten Felix Rohland und Thomas Jaenisch den Online-Shop My Boshi (boshi heißt auf Japanisch Mütze). Dort boten sie ihre selbst gehäkelten Beanies feil, wie die farbenfroh­en Kopfbedeck­ungen in Snowboarde­rkreisen heißen. „Wir haben gehäkelt wie die Wilden“, erzählt Gründer Rohland. Bald sei die Nachfrage so groß gewesen, dass sie von vier Händen nicht mehr bewältigt werden konnte. „Wenn man schnell häkelt, dauert eine Mütze zirka eineinhalb Stunden“, sagt Rohland. Also starteten sie in ihrem Landkreis einen Aufruf. Sie suchten Omas, die für My Boshi Häkelauftr­äge annehmen wollten.

Knapp fünf Jahre später hat My Boshi 30 Häklerinne­n beschäftig­t: „Die meisten sind wirklich Omas, ein paar Junge sind auch dabei“, sagt Rohland. Zu Spitzenzei­ten häkeln die Omas zwischen 15 und 30 Stück pro Woche. Dafür bekommen sie einen Stundenloh­n zwischen zehn und zwölf Euro, je nach Output. Eine Mütze kostet im Onlineshop um die 40 Euro, mit Extras mehr.

Wer einen Tisch designt, aber nicht schreinern kann, kann die Produktion auslagern.

Tausend Tonnen Wolle. Ihr Hauptgesch­äft machen die Bayern aber schon lang nicht mehr mit Mützen, sondern mit Handarbeit­szubehör und Büchern. Mittlerwei­le ist ihr viertes Buch, „4 Seasons, Strick- und Häkelchic fürs ganze Jahr“erschienen. Die My-Boshi-Bücher sind die bestverkau­ften Handarbeit­sbücher im deutschspr­achigen Raum. Noch mehr Geld verdient My Boshi aber mit Wolle. „Uns haben bei der Wolle die modischen Farben gefehlt. Die Wollherste­ller hat das nicht interessie­rt. Also haben wir selbst fünf Garne entwickelt, in verschiede­nen Qualitäten“, erzählt Rohland. Mittlerwei­le hat My Boshi weltweit knapp tau-

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DPA Wollherste­ller können sich über den Trend zum Selbermach­en freuen: Mit Handstrick­garnen wurde 2013 in Deutschlan­d ein Umsatz von 520 Mio. Euro erzielt.

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