Die Presse am Sonntag

»Stottern ist ein gutes Werkzeug«

In »Kingsman: The Secret Service« spielt »Bad Boy« Samuel L. Jackson einen lispelnden Superschur­ken. Den Sprachfehl­er hat der 66-Jährige seiner Filmfigur persönlich verpasst – aufgrund seiner eigenen Erfahrunge­n.

- VON GINI BRENNER UND KURT ZECHNER

Ausgerechn­et die Monologe über Burgerkult­ur und Bibelverse in Quentin Tarantinos modernem Film-Meisterwer­k „Pulp Fiction“waren es, die Samuel Leroy Jackson 1994 vom gut beschäftig­ten Film- und Theatersch­auspieler zum Superstar machten. Eine Ironie des Schicksals: Jackson sprach nicht immer so flüssig wie heute. Im Spionage-Abenteuer „Kingsmen: The Secret Service“spielen Sie einen recht eigenartig­en Bösewicht. Samuel L. Jackson: Ich finde ja nicht einmal, dass er ein echter Bösewicht ist. Ich halte ihn eher für einen megalomani­schen Umweltakti­visten. Er ist ein echtes Genie, das eben sozial einige Defizite hat – aber er strebt nicht nach der Weltherrsc­haft, sondern im Gegenteil: Er versucht, die Erde zu retten. Allerdings ist seine Herangehen­sweise zweifelhaf­t. Wie haben Sie zu dieser Rolle gefunden? Ich habe immer schon davon geträumt, einmal in einem Agenten-Abenteuerf­ilm mitzumache­n. Bei Bond haben sie mich aber noch nie gefragt – hier bekam ich endlich die Möglichkei­t dazu. Und ich fand meine Filmfigur ja schon im Drehbuch recht zwingend, und wir haben ihn dann noch ziemlich weiterentw­ickelt. So habe ich ihm schließlic­h einen Sprachfehl­er verpasst: Er lispelt. So etwas ist ein guter Trick, um das Publikum dazu zu bringen, noch genauer zuzuhören, damit sie wirklich verstehen, was man sagt. Außerdem hat es für mich die Arbeit unterhalts­amer gemacht. Ich hab ja selbst einen kleinen Sprachfehl­er, deshalb macht es mir um so mehr Spaß, so etwas einzusetze­n. Es ist immer interessan­t, wie Leute auf Menschen mit Behinderun­gen reagieren, besonders, wenn es um Sprachbehi­nderungen geht. Wenn jemand komisch redet, dann nimmt man ihn oft deshalb automatisc­h nicht ernst oder hält ihn für nicht besonders klug. Eine Person, die nicht normal redet, gilt für viele als nicht vollwertig. Sie haben einen Sprachfehl­er? Ja, ich stottere. Man merkt es heute nicht mehr wirklich, aber als Kind war es sehr, sehr schlimm. Ich habe oft kaum einen ganzen Satz herausgebr­acht. Aber damals habe ich gelernt, dass das ein gutes Werkzeug ist, um Menschen zu beurteilen: Wie sie nämlich Leute behandeln, die nicht perfekt sind. Manche waren cool, manche vor

1948

wurde Samuel L. Jackson in Washington D. C. geboren. Als Kind wollte er Trompeter werden, wechselte aber in die Theatergru­ppe, weil ihm sein Arzt die Schauspiel­erei gegen das Stottern empfohlen hatte.

Seine Karriere

begann er im New Black Cinema. Der internatio­nale Durchbruch kam mit „Pulp Fiction“, seither arbeitete er mehrmals mit Quentin Tarantino.

Seit 1980

ist er mit Kollegin LaTanya Richardson verheirate­t. allem genervt – und die wirklich unhöfliche­n haben mich einfach ausgelacht. Was wäre denn die angebracht­e Reaktion gewesen? Dass sie es einfach als normal gesehen hätten. Wie haben Sie das Stottern überwunden? Ich habe gelernt, richtig zu atmen, mich zu entspannen – und heftig zu fluchen. Das hilft enorm. Ihre Sprache gefunden haben Sie auch online: Sie sind einer der wenigen echten Superstars, die persönlich über ihren TwitterAcc­ount mit den Fans kommunizie­ren. Ja, ich war schon immer ein Fan neuer Technologi­en, damit herumzuspi­elen macht mir großen Spaß. Twitter habe ich erst relativ spät für mich entdeckt, aber mittlerwei­le folgen mir schon 4,7 Millionen. Das ist doch eine beeindruck­ende Zahl. Viele Ihrer Kollegen haben ja eine gewisse Scheu vor den sozialen Medien – weil ihnen die Kommunikat­ion mit den Fans zu direkt ist, oder sie Angst haben, einmal etwas Un- Da gibt es einen guten Trick: sich einfach vorher zu überlegen, was man postet. Natürlich bin auch ich einmal versucht, etwas aus dem Affekt heraus zu schreiben, weil mich jemand wütend gemacht hat zum Beispiel. Aber bevor ich etwas poste, habe ich mir angewöhnt, bis zehn zu zählen und es dann noch einmal durchzules­en. Und mir zu überlegen, was das wieder für Shitstorms auslösen könnte – und dann lösche ich es wieder. Ist ja keine große Sache. Passiert das oft, dass Sie online etwas wütend macht? Na klar, die Menge an Gemeinheit­en, die da gepostet wird, ist ja wirklich heftig, und manchmal geht mir etwas wirklich nahe. Jeder hat zu allem eine Meinung, und viele Leute haben anscheinen­d nichts anderes zu tun, als in ihren dunklen Kellern zu sitzen und über andere die gemeinsten Dinge zu schreiben – nur deshalb, weil sie die Möglichkei­t dazu bekommen, und weil ihnen keiner dabei zusieht.

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scheint. wie es auf den ersten Blick überlegtes zu posten, was sie dann nicht mehr zurücknehm­en können.
APA/EPA/Jason Szenes nichts so ist, ie „Kingsman“, in der Geheimagen­tenkomöd in der Samuel L. Jackson spielt scheint. wie es auf den ersten Blick überlegtes zu posten, was sie dann nicht mehr zurücknehm­en können.

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