Blick zurück nach vorn
Eine neue Sektion etabliert sich auf dem Kunstmarkt, »Masters« oder »Modern« genannt. Sie könnte gerade für Wien eine große Chance bedeuten.
Die letzte Viennafair 2014 sei die bisher erfolgreichste Messe gewesen. Darum wurde beschlossen, nichts zu ändern – nur den Namen, das Datum und den Standort, erklärte das Team der Vienna Contemporary bei einem Pressegespräch. Das mag wie ein Widerspruch klingen, dem sei aber nicht so. Denn um weiterhin eine internationale Messe in Wien veranstalten zu können, seien diese Schritte notwendig geworden, betont Geschäftsführer Renger van den Heuvel. Jahr für Jahr haben Galerien als Grund für die Absage den unsicheren und noch dazu ungünstig nah an der großen Frieze Artfair (London) gelegenen Termin genannt. Die Messegesellschaft Reed konnte keinen Ausweichtermin anbieten und gab den alten Namen nicht heraus. Die eine Entscheidung zog also die anderen nach sich. Kunst der 60er und 70er. Sie machen also alles neu und weiter wie bisher – aber kann das funktionieren? Gibt es kein neues Konzept für die Marxhalle, immerhin eine außergewöhnliche Architektur mit dem Charme von gestern? Wie sollen die Käufer auf die VC eingeschworen werden, die ja neu auf dem Markt verankert werden muss?
Beobachtet man die Kunstmessen weltweit, ist die Entwicklung einer neuen Sektion zu sehen, „Masters“oder auch „Modern“genannt. Damit wird die Kunst der 1960er- und 1970er-Jahren bezeichnet. Auf der Art Cologne und der Art Basel gibt es schon lang eine eigene Abteilung für Klassiker. Lange Zeit lag dort der Schwerpunkt auf der klassischen Moderne. Das große Kaufinteresse und vor allem die gestiegenen Preise der strengen Kuben von Donald Judd, der Neonskulpturen von Dan Flavin und anderer MinimalArt-Künstlern verdrängte zuletzt die Malerei von Expressionismus bis Informel. Parallel dazu entdeckten auch die jüngeren Messen dieses Geschäftsfeld.
Auf der Art Dubai oder Art Stage Singapur ist diese Abteilung außerdem kulturell enorm wichtig. Denn der Blick zurück in die nahe Vergangenheit dient der Selbstvergewisserung der eigenen Kultur und betont eine gemeinsame, weltweite Moderne – wenn auch erst in der Spätphase. Zugleich wird mit den „Masters“in Indien, im Nahen Osten und in Lateinamerika auch die kulturelle Vormachtstellung des Westens angegriffen, was auf dem Kunstmarkt schmerzfrei und unwiderspro- chen vollzogen wird. In keinem anderen Segment sind gerade derartige Preissteigerung zu verzeichnen wie bei den „Masters“. Was läge da näher, als auch in Wien auf der VC gerade in dem Retro-Schick der Marxhalle eben diese Zone einzuführen? Noch gebe es keine Überlegungen in diese Richtung, so Steinbrecher-Pfandt.
Diese Distanzierung ist erstaunlich. Nicht nur in der Ferne, auch in Europa ist die Kunst der 1960er- und 1970er-Jahre ein Erfolgsgarant. Frieze Masters konnte 2012 auf Anhieb hohe Umsätze verbuchen, und jede wichtige Kunstmesse, jedes Auktionshaus und sogar jede Antiquitätenmesse setzt darauf. Das führt dazu, dass manche Namen schlicht überall zu finden sind, etwa Marc Chagall, Andy Warhol, Ger- hard Richter. In Österreich ist der 1923 geborene Hans Staudacher eine solche Konstante. Er ist bekannt für seine abstrakten, stark gestischen Werke – ein Stil, der weltweit außerordentlich beliebt ist. Denn Abstraktion ist nicht eindeutig einer speziellen Kultur zuzuordnen, jede Region kann darin eigene Verbindungen sehen, von der asiatischen über die arabische Kalligrafie bis zur radikalen Selbstbefreiung der Ma- lerei aus den Fesseln der Darstellungskunst in der europäischen Moderne. Außerdem ist diese Art der gestischen Abstraktion kunsthistorisch bestens abgesegnet und entspricht der allgemeinen Idee von moderner Kunst. Mit Abstraktion im Wohnzimmer liegt man nie falsch.
Da verwundert es nicht, dass in Wien in nächster Zeit ein frühes Diptychon Staudachers aus dem Jahr 1959 im Kinsky für 35.000 bis 70.000 Euro Schätzpreis unter den Hammer (am am 24. 3.) kommt. Seine Tuschezeichnungen bieten die Lehner Kunstauktionen für 2000 bis 2600 Euro Schätzpreis an (26. 3) und in der nächsten Zeitgenossen-Auktion im Dorotheum werden sicher auch wieder Werke des Meisters ausgerufen. Auf der Art Austria (19. bis 22. 3. im Leopold-Museum) ist eine Auswahl dieser Abstraktionen gewiss – und selbst auf der Art & Antique in der Hofburg im November gehören Staudacher und andere Künstler der Nachkriegszeit mittlerweile zum festen Angebot. Auf der (alten) Viennafair nahm die Präsenz von Staudachers Werk in den vergangenen Jahren zwar etwas ab, aber ganz offensichtlich gibt es ein durchgehend starkes Interesse an dieser Kunst. Auch die – neue – Viennafair führt dieses Segment ein, allerdings soll Kunst mit Antiquitäten vermischt werden, was ein gefährlicher Seiltanz ist, allzu leicht rutscht das in Flohmarktatmosphäre ab. Osteuropa. Wieso aber greift die VC dieses Segment nicht auf? „Vergangenes Jahr brachten einige Galerien aus dem CEE-Schwerpunkt Werke der 2. Avantgarde aus den 1960er- und 1970er-Jahren mit. Sie waren sehr erfolgreich damit. Wir behalten dieses Segment weiterhin im Auge, wollen es aber noch nicht als eigene Zone etablieren“, erklärt Christina Steinbrecher-Pfandt. Die Frage sei, ob es dafür bereits genügend Kunden gäbe. Für Werke der österreichischen Nachkriegszeit gilt das ganz offensichtlich. Für „Masters“aus Osteuropa wäre gerade die Vienna Contemporary prädestiniert, diesen Markt aufzubauen – und auch politisch wäre es ein spannendes Konzept, die Jahre des Kalten Kriegs auf diese Weise undogmatisch aufzuarbeiten. Dann könnten die bisher lose aneinandergereihten Vortrags- und Gesprächsrunden thematisch gebündelt und der CEESchwerpunkt neu etabliert werden – aber vielleicht ist diese Ausrichtung ja ohnehin nur eine Frage der Zeit.
Diese Form der abstrakten Malerei ist kunsthistorisch jedenfalls abgesegnet.