»Die Stadt riss ich nieder, verbrannte sie«
Heute zerstören die Schreckensherrscher des IS Kulturdenkmäler der Assyrer. Diese haben in ihrer Zeit (bis ca. 610 v. Chr.) viel zerstört – und einiges bewahrt. Vor allem Wissen und Kunst ihrer südlichen Konkurrenz in Babylonien. Über einen antiken Militä
Syrien: Der Name dieses Landes sollte den Kämpfern des IS, die (auch) dort im Namen ihres Gottes wüten und morden, zuwider sein. Denn er stammt von einem anderen Gott, Assur, gesprochen Aschur, der vor Jahrtausenden Karriere machte: von einem Berggott zum Stadtgott der Stadt Assur zum Reichsgott des assyrischen Reiches.
Auf einem in seiner Stadt gefundenen Relief aus dem zweiten Jahrtausend v. Chr. sieht man Assur bärtig, Kappe auf dem Kopf, mit zwei Wildziegen, seinen heiligen Tieren. Bärtig blieb er, doch spätere Reliefs zeigen ihn mit Schwert, auf einem gehörnten Löwen stehend. Eine Weihinschrift des Königs Sanherib nennt ihn König und Vater der Götter sowie Leiter des gesamten Universums, bescheinigt ihm Unergründlichkeit und Vollkommenheit, Stolz und erhabene Kampfkraft. Den vier Weltgegenden lege er Tribut und Steuern auf und lasse, wenn sie dem assyrischen König nicht willfährig sind, über sie eine alles niedermachende Flut rollen. Für seine Anhänger freilich empfinde er Erbarmen . . .
Der Kult um den Gott Assur war deutlich weniger expansiv als die Macht der Herrscher, die sich auf ihn beriefen. Auch wenn später Nimrud und Ninive als Residenzen dazukamen: Assurs Tempel stand nur in einer, seiner Stadt, mächtig geworden durch Handel, vor allem mit Zinn und Textilien. „Von einem religiösen Imperialismus der assyrischen Könige kann keine Rede sein“, schreibt die Berliner Altorientalistin Eva Cancik-Kirschbaum. Allerdings setzten die Könige im 8. und 7. Jahrhundert ihren Gott programmatisch mit Marduk gleich, dem obersten Gott des konkurrierenden Staates Babylonien. Als Sanherib 689 v. Chr. endlich Babylon erobert hatte, ließ er die Statue des Marduk nach Assyrien schaffen, bevor er die Stadt zerstörte – und zwar komplett: „Die Stadt und die Häuser vom Fundament bis zu den Zinnen zerstörte ich“, schrieb er, „riss ich nieder, verbrannte ich mit Feuer. Von der Mauer, von den Tempeln, vom Turm riss ich die Ziegel und Erde, soviel da war, heraus und warf sie in den Tigris. Inmitten der Stadt grub ich Kanäle und ebnete ihre Fläche durch Wasser ein. Die Struktur ihrer Fundamente zerstörte ich und verwüstete sie mehr als eine Sintflut. Damit in Zukunft der Standort dieser Stadt und der Gotteshäuser nicht mehr zu identifizieren sei, löste ich sie in Wasser auf, vernichtete sie wie Schwemmland.“ Zwei im Zweistromland. Es war nicht das erste Mal, dass Assur die Konkurrenz am Euphrat besiegte: Schon 1215 hatte Tukulti-Ninurta I. die Mauern Babylons zerstört und die Mardukstatue verschleppt. Hier ist nicht Platz, das jahrhundertelange Ringen der beiden um die Vorherrschaft im Zweistromland en detail´ zu schildern, sie bekriegten sich, aber standen einander auch gegen eindringende „Barbaren“bei, schlossen sogar interdynastische Ehen. Ihr Verhältnis – und jenes zur ersten Hochkultur in der Region – hat Will Durant so beschrieben: „Sumer war für Babylonien und Babylonien für Assyrien, was Kreta für Griechenland und Griechenland für Rom war: Das erste Volk schuf eine Kultur, das zweite entfaltete sie zu voller Blüte, und das dritte erbte sie, fügte nur wenig hinzu, beschützte sie aber und überlieferte sie als ein sterbendes Geschenk den sie umzingelnden und siegreichen Barbaren.“
Der Vergleich mag ungerecht gegen Rom sein – das uns etwa im Gegensatz zu Assyrien große Dichtung überliefert hat –, er hinkt aber auch, weil man in Assyrien wie in Babylonien die längste Zeit akkadisch sprach, wenn auch in einer anderen Variante. Die assyrischen Könige ließen ihre Inschriften und Hymnen sogar in babylonischem Akkadisch verfassen, offenbar galt es als literarischer. Im ersten Jahrtausend setzte sich in Babylonien und Assyrien allmählich das – ebenfalls semitische – Aramäisch als Umgangssprache durch.
Eine Parallele gilt: Wie Rom etablierte sich Assyrien als Militärmacht, zentralistisch, mit strenger patriarchalischer Moral: Frauen mussten in der Öffentlichkeit Schleier tragen, ihre Un- treue wurde (im Gegensatz zu jener der Männer) streng bestraft. So wie jede Aufsässigkeit. Jeder Einwohner konnte jederzeit zum Militär, auch zu öffentlicher Fron rekrutiert werden, zu Erdarbeiten für die gigantischen Projekte der Könige etwa. Deren in ihren Berichten freimütig dokumentierte Grausamkeit empört bis heute. „Allen Häuptlingen, die sich empört hatten, zog ich die Haut ab, mit ihr bedeckte ich die Säule, einige schlug ich an die Mauer, andere pfählte ich“, schrieb Assurnasipal, und noch Assurbanipal, der letzte große assyrische Herrscher, prahlte, er habe 3000 Gefangene verbrannt und Aufständischen „die Zungen aus ihren feindlichen Mündern gerissen“– zu Ehren Assurs: „Indem ich diese Taten vollbrachte, habe ich das Herz des großen Gottes froh gemacht.“– Derselbe Mann pflegte mit Akribie
Pfählen, Haut abziehen: Die Grausamkeit der assyrischen Herrscher empört bis heute.