Die großen Fragen der Welt
Wie verkraftet der Planet das Bevölkerungswachstum und den Klimawandel? Wie versorgt sich die Menschheit mit Wasser und Energie? Und wie können wir die Welt gerechter machen? Acht globale Herausforderungen.
Die Welt wächst zusammen, vernetzt sich immer stärker. Doch gleichzeitig driftet sie auseinander. In den Zonen, die abgeschnitten sind von wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt, bilden sich gefährliche Hohlräume, in denen sich Extremisten breitmachen. Gleichzeitig stellen aufstrebende Mächte wie China oder auch absteigende wie Russland die internationale Ordnung immer offener infrage. Dabei wäre gemeinsames Handeln nötig, um die Zukunftsfragen des Planeten zu lösen. Ein Überblick über die größten Herausforderungen, die auf die Welt zukommen. Ein Blick in die Kristallkugel der Demografen auf das Jahr 2050 zeigt eine Welt, die wenig mit dem Ort gemeinsam hat, an dem wir heute leben. Es ist eng dort: 9,6 Milliarden Menschen drängen sich auf dem Planeten, etwa zweieinhalb Milliarden mehr als heute.
Wir Europäer sind alt geworden, zum Teil sehr alt: Fast jeder Dritte ist mindestens 60, zwanzig Prozent sogar über 80 Jahre alt. Einige dieser Männer und Frauen sind wegen leerer Pensionskassen von Armut bedroht. Wer fit ist, wird deshalb oft noch arbeiten müssen. Doch wer pflegt die Maroden – und wer bezahl dafür? Junge Europäer sind rar geworden: Die Großelterngeneration hat zu wenige Enkel, sie hat ja selbst kaum Kinder geboren.
Die Jugendlichen des Jahres 2050 leben ganz woanders: in Afrika, in Lateinamerika, in Teilen Asiens (in China und Japan zeichnet sich ein ähnliches Szenario ab wie in Europa). In den ärmeren Gegenden der Welt ist die Bevölkerung auch wegen der sinkenden Kindersterblichkeit rasant gewachsen: Der UN-Weltbevölkerungsbericht geht von insgesamt zwei Milliarden Menschen aus, die zwischen zehn und 24 Jahre alt sind. Fast 90 Prozent davon leben in der „Dritten Welt“. Und diese Entwicklung ist explosiv: Wie wird sich diese enorme Masse an Jugendlichen ernähren – angesichts steigender Lebensmittelpreise und knapper werdender Ressourcen? Der erbitterte Kampf um die überlebenssichernden Ernährungsgrundlagen droht sich in Revolutionen und Kriegen zu entladen. Experten prognostizieren Massenfluchtwellen: von verarmten ländlichen Gebieten in die überfüllten Megastädte der Entwicklungsländer, deren Infrastruktur mit dem Bevölkerungswachstum nicht Schritt halten kann. Oder die Menschen ziehen weiter, in das reiche Europa. Eigentlich ist es eine gute Nachricht: Heute leben 700 Millionen Menschen weniger in extremer Armut als noch vor 25 Jahren. Oder um es in die Worte der Weltbank zu fassen: Nur noch halb so viele Personen müssen mit weniger als 1,25 Dollar pro Tag auskommen als 1990. Doch die Statistik schönt das Gesamtbild. Denn getragen wird dieser Erfolg vor allem vom Wirtschaftswunderland China. 1990 noch hatten 60 Prozent der Bürger der Volksrepublik kaum genug zum Leben. Heute sind „nur“zehn Prozent von extremer Armut bedroht (immerhin noch 162 Millionen Menschen). Die Armutsbekämpfung ist eine direkte Folge der wirtschaftlichen Öffnung im einst bitterarmen Agrarstaat. China hat bewiesen: Gezielte Wirtschaftspolitik kann soziales Elend bekämpfen.
Indes lebt jeder zweite Afrikaner in extremer Armut, das sind 414 Millionen Menschen, die nur knapp dem Hungertod entgehen. Es ist ein Teufelskreis des Elends, den Krieg, Korruption und unfähige Regime noch zusätzlich befeuern: Die Analphabetismus-Rate ist hoch, in keinem anderen Kontinent sind Seuchen so verbreitet. Und wer ungebildet – und krank – ist, findet keine Beschäftigung.
Unsichtbar bleibt in der UN-Armutsstatistik eine andere gefährliche Entwicklung: die Kluft zwischen Arm und Reich. Laut Oxfam besitzen derzeit allein die 80 reichsten Personen der Erde so viel wie die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung – und das sind immerhin 3,5 Milliarden Menschen. Es ist ein gigantisches Vorhaben, das die türkische Regierung geplant hat. Eine Reihe mächtiger Staudämme im Osten Anatoliens soll die Stromversorgung des Landes sichern. Doch ein Herzstück des Projektes, der Ilısu-Staudamm, ist massiv umstritten – nicht nur, weil für seine Errichtung tausende Menschen umgesiedelt werden und die alte Stadt Hasankeyf geflutet werden muss. Schon vor Jahren beschwerte sich Iraks Regierung über die Pläne. Denn Bagdad fürchtet negative Auswirkungen auf die Wasserversorgung des eigenen Landes, wenn die Türkei im Norden den Tigris aufstaut. Dazu kommen strategische Ängste: Die Türkei könnte im Fall eines Konfliktes dem südlichen Nachbarn die Wasserzufuhr sperren.
Wasser als Waffe ist seit Langem Teil strategischer Planspiele. Denn Wasser ist ein lebenswichtiges Gut, das in den kommenden Jahren noch kostbarer wird. Im Weltwasserbericht 2015, der erst vor einigen Tagen veröffentlicht worden ist, warnt die UNO vor Wasserknappheit. Demnach wird der Wasserbedarf bis 2050 um 55 Prozent steigen – wegen zunehmender Industrialisierung, intensiverer Landwirtschaft, dem Bau neuer thermischer Kraftwerke und wachsenden privaten Verbrauchs. Schon heute haben 748 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, heißt es in dem Bericht. „Der Planet war noch nie so durstig.“ Peak-Oil ist vorerst abgesagt, Erdöl so billig wie lang nicht. Und auch der Strom kommt – trotz Energiewende – noch verlässlich (und recht günstig) aus der Steckdose. Gelöst hat die Welt ihre Probleme mit der Energieversorgung damit aber noch lang nicht. Die Stromnetze sind dank des Booms der Erneuerbaren fragil wie selten zuvor. Der Schieferöl-Hype der USA, der heute die Preise drückt, wird in fünf Jahren vorüber sein. Und fernab der westlichen Welt wartet eine Milliarde Menschen überhaupt noch auf einen Stromanschluss.
Seit 1990 hat sich der Energiebedarf der Menschheit auf 12,7 Milliarden Tonnen Öl-Äquivalente beinahe verdoppelt. Bis 2040 wird diese Zahl dank der wachsenden Volkswirtschaf-
Billionen Dollar
und mehr haben die Notenbanken der Welt seit dem großen Finanzcrash von 2008 gedruckt, um die Wirtschaft weiter am Laufen zu halten.
Milliarden Menschen
leben derzeit in etwa auf der Welt; 1980, zu Beginn des Digitalzeitalters, waren es noch 4,4 Milliarden.
Milliarden Menschen
besitzen zurzeit laut Studie von Oxfam etwa gleich viel Vermögen wie die reichsten 80 Menschen dieses Planeten.
ten in Südostasien noch einmal um ein gutes Drittel steigen. Um diese Nachfrage zu stillen, wird die Menschheit wohl jede Energiequelle anzapfen müssen, die sie findet, schätzt die Internationale Energieagentur (IEA). 80 Prozent der verbrauchten Energie stammen heute aus fossilen Quellen. Ohne sie wird es auch in Zukunft nicht gehen.
Doch Kohle und Öl werden 2040 ein Plateau erreichen, schätzt die IEA. Um das auszugleichen, müssen sowohl Erneuerbare als auch die Atomenergie kräftig wachsen. Europa muss bis dahin entweder die Netze stark ausbauen oder hoffen, dass ein wirklich guter Stromspeicher den Weg zur dezentralen Versorgung mit Ökoenergie ebnet. Oder die Welt vertraut doch auf den US-Rüstungskonzern Lockheed Martin. Er will das Rätsel der Kernfusion gelöst haben. In zehn Jahren soll ein serienreifes Kraftwerk auf den Markt kommen, das die globalen Energiesorgen mit einem Schlag beenden könnte. Das Problem: Lockheed ist nicht das erste Unternehmen, das so ein Versprechen gibt. Gehalten hat es bisher niemand. Das Jahr 2014 war weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen 1880. Die Temperatur lag mit 14,6 Grad Celsius etwa 0,8 Grad über dem langjährigen Schnitt des 20. Jahrhunderts. Klimaforscher machen dafür unter anderem die Treibhausgase von Autos, Kraftwerken und Fabriken verantwortlich. 19-mal haben die Politiker dieser Welt bisher den Anlauf unternommen, sich auf einen Weltklimavertrag zu ei-