Chinas Geld erobert die Welt
Shopping-Strategie. Von Athen bis Madrid, von Zentralasien bis Afrika: Lautlos, aber beharrlich setzt China rund um den Globus seine gigantischen Devisenreserven ein, um sich politischen Einfluss zu erkaufen.
Anlage den ohnehin laxen Gesetzen Perus anzupassen. „Die behandeln uns wie bessere Sklaven“, klagte eine Arbeiterin einem US-Reporter.
Beschwerden wie diese hörten die China-Korrespondenten Juan Pablo Cardenal und Heriberto Arau´jo in 25 Ländern, wo chinesische Firmen Rohstoffe fördern, von Sibirien bis Mo- zambique. Ihr Buch „Der große Beutezug“ist die erste große Untersuchung über Chinas Methoden der Rohstoffsicherung in Schwellen- und Entwicklungsländern. „Schmuggel, Korruption und Unterstützung von Diktaturen gehören zum Instrumentarium des Regimes, das seine Interessen mit Gewalt vertritt und seinen Rohstoffhunger rücksichtslos befriedigt“, steht im Klappentext zu dem im Vorjahr auf Deutsch erschienenen Werk.
Ja, solche Methoden sind auch westlichen Firmen nicht unbekannt: Vorige Woche kam etwa ein deutscher Baukonzern in Verdacht, an Projekte für die Fußball-WM in Brasilien über Schmiergeld gekommen zu sein. Doch es gibt einen klaren Unterschied: Geschädigte können, etwa bei einem Giftunfall, in den USA oder Europa Firmen klagen. Doch welcher chinesische Richter wird eine fremde Klage gegen eine Staatsfirma akzeptieren? Wer plaudert, wird gefeuert. In der patagonischen Wüste wird derweil gestreikt. Die Gewerkschafter protestieren, dass Billigarbeiter aus Bolivien und Paraguay für Chinas Bodenstation angeworben wurden. Einem Reporter zeigen Arbeiter zwei 25-Liter-Wasserkanister: die Tagesration für 100 Mann bei 40 Grad unter praller Sonne. Gewerkschafter führten die Klos vor, die ohne Spülwasser auskommen müssen. Als das TV-Team abgereist war, wurden alle Arbeiter gefeuert, die mit den Journalisten gesprochen hatten.
Die Afrikanische Union sollte ein stolzer Verbund von souveränen Staaten sein, die sich frei von fremdem Einfluss entwickeln. Ganz so genau nimmt die Organisation ihr edles Motto nicht. Sie nahm ein ziemlich teures Präsent aus China an: Seit zwei Jahren residiert die Afrikanische Union in einem der prächtigsten Hochhäuser der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba – komplett bezahlt von den „guten Freunden aus Peking“. China definiert sich zwar selbst noch als Entwicklungsland, doch für die Geste in Richtung Afrika hat die chinesische Führung um Staatspräsident Xi Jinping umgerechnet fast 200 Millionen Euro lockergemacht.
Was in Afrika wie ein Geschenk wirken mag, ist aus Sicht Xis eine langfristige Investition. China giert nach Weltgeltung. Doch anders als die USA kann und will das bevölkerungsreichste Land der Welt sie nicht durch militärische Präsenz erreichen. Pekings Führung geht subtiler vor. Sie will die wachsende wirtschaftliche Bedeutung des chinesischen Giganten als Hebel benutzen, um den Planeten aus den Angeln zu heben. „Wir laden sämtliche Länder an Bord unseres Entwicklungszuges ein“, versprach Xi im Oktober vor Staatschefs aus Südost- und Zentralasien.
China ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten sehr reich geworden. Es hat Devisenreserven von rund 3,8 Billionen Dollar. Noch nie hat ein Land so viel Vermögen angehäuft. Und auch die zumeist staatlich geführten Unternehmen sind wohlhabend. Anders als noch vor einigen Jahren fühlen sich die chinesischen Unternehmer und Manager auch intellektuell gewappnet, um auf Eroberungstour zu gehen. Die Staatsführung fördert das. Peking sieht darin ein Mittel, nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch auf der Weltbühne Einfluss zu erkaufen. Einkaufstour in Europa. Die chinesische Mischung aus Diplomatie und Großzügigkeit wirkt überall. Xi und sein Regierungschef, Li Keqiang, sind seit ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren mit einem Lächeln im Gesicht und dem Scheckbuch in der Hand um die Welt geflogen – und haben mit dieser Form der monetären Diplomatie enorme Erfolge erzielt. Die Staatsfonds des Landes haben beispielsweise Milliardenbeträge in Spanien und Italien investiert, als diese wegen der Eurokrise am Boden lagen – wofür Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel ihrem Kollegen Li bei ihrem jüngsten Besuch in Peking auch brav dankte.
Auch anderswo in Europa machen die Chinesen sich beliebt. In Griechenland betreibt der staatliche Reeder Cosco den Hafen Piräus und ist damit einer der wichtigsten Arbeitgeber. Dieses Hafenprojekt steht zugleich im Zusammenhang mit einem weiteren internationalen Großvorhaben der Regierung in Peking: dem Wiederaufbau der Seidenstraße in einer Version für das 21. Jahrhundert. Auch im indischen Kalkutta, im ostafrikanischen Lamu oder in Colombo auf Sri Lanka klotzen chinesische Baufirmen Containerterminals an die Küste. Die betreffenden Länder sind dankbar, während China das Transportnetz für seinen nicht abreißenden Warenstrom perfektioniert.
Unter dem vornehmen Stichwort eines Wiederaufbaus der Seidenstraße läuft derzeit auch das Programm, den eigenen Einfluss so tief nach Zentralasien auszudehnen, dass Europa in Griffweite liegt. Chinas Führung hat dafür einen Fonds im Wert von stattli- chen 40 Milliarden Dollar aufgelegt, die in Ländern wie Kasachstan für den Ausbau des transkontinentalen Güterzugverkehrs investieren werden können. Die Abnehmer fühlen sich Peking politisch verpflichtet – und der einstige Platzhirsch Russland kann nichts dagegen tun, weil er sich mit dem Westen zerstritten hat und ebenfalls auf das Wohlwollen Chinas angewiesen ist. Russlands Krise mit Europa und den USA wegen der Ukraine kommt Xi und seiner Strategie der Einflussnahme mit der Brieftasche daher sehr recht. Während der Rubel abstürzt und die russischen Bürger unter fremden und eigenen Sanktionen ächzen, zeigt sich China als verlässlicher Freund – beziehungsweise als reicher Onkel, der Kredite, Obst und Gemüse oder Maschinen anbietet. Wo sich USKreditkartenfirmen zurückziehen, springen chinesische Zahlungsdienstleister in die Bresche. Abhängiges Russland. Umgekehrt erklärt sich Peking bereit, russisches Gas abzunehmen – zum Sonderpreis, versteht sich. Russlands Präsident, Wladimir Putin, weiß zwar, dass er sich von seinem großen Nachbarn im Osten abhängig macht. Doch ihm ist derzeit jeder Partner lieber als die EU.
Vor der eigenen Haustür in Asien hat es China ebenfalls lang schwer gehabt, die Nachbarn auf die eigene Seite zu bringen. Gerade der Rivale Japan hat sich immer unnahbar gezeigt. Chinas Geld hat Xi auch hier den Ausweg gebracht. Er ignoriert Japan einfach, was Tokio vermutlich am meisten schadet. Die gegenseitigen Investitionen sind auf einem Tiefstand. Derweil lässt Xi mit Erfolg eine neue asiatische
Schmuggel, Korruption und Unterstützung von Diktaturen sind für China ganz normal. Staatsfonds investierten Milliarden in Italien und Spanien. Merkel dankte artig.