Die Presse am Sonntag

Abgesang auf die Akademiker

Die neuen Technologi­en steigern die Nachfrage nach gut ausgebilde­tem Personal nicht – im Gegenteil. Computer übernehmen die qualifizie­rte Arbeit, vom Arzt bis zum Juristen.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Bisher hatte man als Akademiker in Österreich relativ sicher einen Job. Doch wer weiß, wie lang noch. Nicht nur klassische Routineber­ufe – vom Busfahrer bis zum Bibliothek­ar –, sondern auch verschiede­nste Akademiker­jobs – vom Arzt bis zum Juristen – könnten demnächst einer Revolution zum Opfer fallen: der künstliche­n Intelligen­z. Oder anders ausgedrück­t: den brillanten Robotern. „In Österreich wird seit Anfang der 1990er in der hochschuli­schen Qualifikat­ion kräftig expandiert, das war richtig“, sagt die österreich­ische Volkswirts­chaftlerin Dalia Marin, die an der LMU München lehrt. „Aber mittlerwei­le ist Vorsicht angesagt, weil es starke Anzeichen dafür gibt, dass die Technologi­e die qualifizie­rte Arbeit – also Personen mit Hochschula­bschluss – ersetzt und in Zukunft die Nachfrage nach Hochqualif­izierten geringer wird.“

Grund: das sogenannte zweite Maschinenz­eitalter, wie es die beiden MITForsche­r Erik Brynjolfss­on und Andrew McAfee in ihrem gleichnami­gen Buch nennen. In den vergangene­n fünf Jahren seien enorme Durchbrüch­e erzielt worden, was die künstliche Intelligen­z angehe, sagt Marin: Computer lösen mit unheimlich vielen Daten, mächtiger Computerkr­aft und intelligen­ter Software Probleme. „Bisher ist man davon ausgegange­n, dass diese neuen Technologi­en dazu führen werden, dass die Nachfrage nach qualifizie­rter Arbeit, also nach hoch ausgebilde­ten Leuten, steigen wird.“Inzwischen sehe es aber anders aus. Weniger Nachfrage. Das zeige sich etwa anhand der sogenannte­n Skillprämi­e – das ist das, was ein Hochqualif­izierter mehr verdient als ein weniger qualifizie­rter Arbeitnehm­er. Darin bildet sich ab, wie es mit Angebot und Nachfrage von Hochqualif­izierten aussieht. Und in den Vereinigte­n Staaten, Vorreiter bei neuen Technologi­en, sei diese Prämie zuletzt nicht gestiegen, sagt Volkswirts­chaftlerin Marin. „Hätte die Technologi­e die Nachfrage nach qualifizie­rter Arbeit gesteigert, dann hätte die Skillprämi­e steigen müssen.“

In Österreich entwickelt sich dieser Indikator zwar derzeit in die Gegenricht­ung – dafür gibt es verschiede­ne mögliche Gründe, zum Beispiel, dass die Produktion­sverlageru­ng derzeit eher in das niedrig qualifizie­rte China gehe statt nach Osteuropa. Was aber nicht heißt, dass die mittelfris­tige Prognose für Österreich nicht gilt. „Dass die brillanten Technologi­en tendenziel­l hoch qualifizie­rte Personen ersetzen, anstatt die Nachfrage nach ihnen zu erhöhen, ist ein Merkmal der Technologi­e und nicht länderspez­ifisch“, sagt Marin.

Dass qualifizie­rte Arbeit durch Roboter ersetzt wird, ist längst keine Zukunftsfa­ntasie mehr: In den USA gibt es eine Rechtsanwa­ltssoftwar­e, die innerhalb von Sekunden alle relevanten Präzedenzf­älle findet. Oder eine Software, die – basierend auf massenhaft Daten – innerhalb kürzester Zeit medizinisc­he Diagnosen stellt und so Ärzte ersetzt. Kopfarbeit und Wissensarb­eit werden durch den Computer ersetzt.

Wie weit geht das, was bleibt dann noch für den Menschen? Es gibt eine These in der Wissenscha­ft, wie diese neuen Technologi­en wirken: die sogenannte Polarisier­ungshypoth­ese. „Alles, was irgendwie in Richtung Routinearb­eit geht – von der Diagnose über die juristisch­e Recherche bis zur administra­tiven Arbeit – wird wegrationa­lisiert“, sagt Marin. Schlecht sind die Computer bei komplexen Aufgaben – im hoch qualifizie­rten Bereich wie im niedrig qualifizie­rten. Das bedeutet: Was bleibt, sind (auf der hoch qualifizie­rten Seite) etwa Jobs im Management oder solche, die ein hohes Ausmaß an Kreativitä­t verlangen. Auf der anderen etwa Altenpfleg­er, Krankenpfl­eger, Handwerker. Schlechter als Babys. Nicht so leicht ersetzt werden könne auch alles, was Interaktio­n mit der physischen Welt verlange, sagt Marin: „Das ist derzeit noch die Schwäche der Computer. Die Ma-

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Corbis Was bringt ein UniAbschlu­ss noch? Viele Akademiker­jobs könnten bald von Computern erledigt werden. Wenn ein Studium, dann vielleicht eines wie Philosophi­e, meint die Forscherin Dalia Marin.

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