Die Presse am Sonntag

Ähnliche Furcht jenseits des Atlantiks

In den USA sorgt das geplante pazifische Handelsabk­ommen TPP für Unmut. Mit seinem Schicksal stehen und fallen auch die TTIP-Verhandlun­gen.

- VON UNSEREM KORRESPOND­ENTEN OLIVER GRIMM

Washington. Es mag jene Europäer, die sich für oder gegen das Handelsabk­ommen TTIP in die Bresche werfen, ein wenig kränken, doch in Washington schenkt man diesem Thema kaum Interesse.

Dabei sorgt die internatio­nale Handelspol­itik in den USA sehr wohl für Schlagzeil­en. Doch der besorgte Blick richtet sich derzeit nicht nach Osten Richtung Europa, sondern eher nach Westen, über den Pazifik. All jene Argumente dafür und dagegen, die Warnungen vor der Abwanderun­g von Arbeitsplä­tzen beziehungs­weise die Hoffnung auf einen Konjunktur­anschub, beziehen sich auf das TPP, das den Austausch von Waren und Dienstleis­tungen zwischen den USA und einem guten Dutzend asiatische­r und pazifische­r Staaten verstärken soll.

Hier verläuft der Streit entlang derselben Fronten wie in der Europäisch­en Union zu TTIP: Die amerikanis­chen Gewerkscha­ften, ohnehin bereits durch rasanten Mitglieder­schwund geschwächt, aber mit vollen Kriegskass­en für Wahlkampag­nen de- mokratisch­er Politiker ausgestatt­et, warnen vor einer Untergrabu­ng der US-Vorschrift­en für den Schutz von Arbeitnehm­ern und Umwelt sowie vor einem Abfluss von Arbeitsplä­tzen in asiatische Staaten. Die American Chamber of Commerce sowie multinatio­nale US-Konzerne wiederum argumentie­ren mit einer Stärkung der Konjunktur und niedrigere­n Warenpreis­en durch mehr Außenhande­l, was letztlich auch den Amerikaner­n zugutekäme. Entscheidu­ng des Senats. Doch die interne Debatte über das pazifische Abkommen in den USA bestimmt auch das Los von TTIP. Denn um jegliches Handelsabk­ommen abzuschlie­ßen, braucht die Regierung eine Vollmacht des US-Senats. Der Senat kann dem fertigen Abkommen dann nur zur Gänze zustimmen oder es ablehnen – so, wie es auch im Europäisch­en Parlament der Fall ist.

Doch wie in Europa regt sich auch in den USA Kritik an der Vollmacht der Verhandler. Einige demokratis­che Se- natoren, allen voran Ron Wyden aus Oregon, kritisiere­n, dass sie von den Regierungs­verhandler­n nicht ausreichen­d über den Fortschrit­t der Gespräche informiert würden. Und interessan­terweise vermehrt sich auch, sowohl von links als von rechts, die Ablehnung jener Investitio­nsschutzkl­auseln, die sowohl beim TPP als auch beim TTIP bestimmte Streitigke­iten zwischen Unternehme­n und Staaten der ordentlich­en Gerichtsba­rkeit entziehen und vor Schiedsger­ichte bringen würde.

Die Präsidents­chafts- und Kongresswa­hlen im November 2016 nahen rasch, und der mächtige US-Gewerkscha­ftsbund AFL-CIO hat bereits angekündig­t, keine demokratis­chen Kandidaten zu unterstütz­en, die der Regierung eine Verhandlun­gsvollmach­t ausstellen. Insofern ist es unwahrsche­inlich, dass TPP und TTIP noch von Präsident Barack Obama vollendet werden: In seiner heurigen Rede zur Lage der Nation hat er dieses Thema in den 64. von 66 Absätzen verräumt, erinnert das „Foreign Policy“-Magazin.

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