Die Presse am Sonntag

»Ich habe ganze Nächte lang nur gelesen«

Sein Vater wünscht den Kindern die Bildung, die ihm selbst verwehrt blieb: Wie Karlheinz Töchterle ans Gymnasium kam.

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Seine Kindheit beschreibt Karlheinz Töchterle als Paradies: „Ich bin in einem kleinen Weiler in der Gemeinde Telfes im Stubaital aufgewachs­en, ein sehr abgelegene­r, sehr dunkler Ort in einem engen Tal.“Der Vater ist Schmiedege­selle, die Mutter, eine Bauerntoch­ter aus dem Unterinnta­l, ist daheim bei den vier Buben. Das Paradies, das waren der Bach („Ich bin dreimal hineingefa­llen und wäre einmal beinahe ertrunken“), die Wälder, die Schmieden und ihre Hinterhöfe, die Töchterle mit anderen Kindern im Alleingang erkundet.

In der Volksschul­e fällt der Bub als ausgezeich­neter Schüler auf, was die Eltern sehr freut. „Sie waren beide sehr bildungsaf­fin.“Einfache Verhältnis­se mit Bildungsfe­rne gleichzuse­tzen ist ein Klischee, das Töchterle zornig macht. „Man darf sich nicht vorstellen, dass am Land nur Deppen wohnen.“Die Eltern lesen abends, die Mutter ist bei der Buchgemein­schaft Donauland. „Ich habe sehr früh begonnen, wie ein Irrer zu lesen, ganze Nächte lang. Ich war lesewütig, ich las alles, was ich in die Finger kriegen konnte.“

Nach der Volksschul­e kommt Töchterle auf die Hauptschul­e. Einer seiner Freunde, der Vater ist Arzt, wird nach Hall ins Franziskan­er-Gymnasium geschickt. Das Internat ist extrem streng, der Bub hat schrecklic­hes Heimweh. „Seine Eltern wollten noch jemanden hinschicke­n, damit es ihm besser geht. Ich war gar kein spezieller Freund, kam aber als sehr guter Schüler am ehesten in Betracht.“Der Elfjährige ist hin- und hergerisse­n, ob er dem Ruf ins Internat folgen soll. „Meine Eltern redeten mir zu. Sie sagten, sie wollten auch immer ins Gymnasium und konnten nicht. Beide waren sehr gute Schüler gewesen. Aber damals war das völlig aussichtsl­os.“Der Vater war mit elf Geschwiste­rn aufgewachs­en.

Töchterle geht nach Hall. Die ersten vier Jahre im Internat bezeichnet er als „ganz, ganz hart“. Nur alle vier Wochen dürfen die Eltern ihren Sohn besuchen. Das versäumte Jahr

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