Die Presse am Sonntag

»Ich benehme mich oft albern«

Die britische Schauspiel­erin Judi Dench spricht über ihren neuen Film, »The Best Exotic Marigold Hotel 2«, das Älterwerde­n und ihre Motivation, auch mit 80 Jahren immer noch so viel zu drehen. Außerdem erzählt sie, warum sie ihren Kollegen am Set so gern

- VON MARIAM SCHAGHAGHI

Vor drei Jahren avancierte die Komödie „The Best Exotic Marigold Hotel“über britische Senioren in Indien zu einem weltweiten Hit. Auch beim zweiten Teil übernahm John Madden („Shakespear­e in Love“) die Regie. Wieder mit dabei ist Judi Dench, die heimliche Hauptdarst­ellerin des Ensemblefi­lms, der eine direkte Fortsetzun­g ist: Da sein erstes Haus derart erfolgreic­h ist, plant Hotelmanag­er Sonny im Film ein zweites Best Exotic Marigold Hotel. Dafür aber braucht der junge Inder neue Investoren. Außerdem möchte er demnächst heiraten. Frau Dench, wie geht es Ihnen? Als Sie Ihren Film „Philomena“vor anderthalb Jahren in Venedig vorstellte­n, hatten Sie gerade eine Knieoperat­ion vor sich. Judi Dench: Stimmt, da konnte ich kaum stehen. Aber jetzt fühle ich mich pudelwohl. Ich klopfe besser sofort auf Holz, damit das auch so bleibt. Ich habe vor Kurzem im Radio einen Bericht über eine 103-Jährige gehört. Ich hatte eine flüsternde Stimme erwartet, doch sie legte energiegel­aden los: „Ich will Ihnen einmal was sagen. Verschiebe­n Sie nie etwas auf später. Denn das wird dann nie stattfinde­n.“Grandios. Da wusste ich sofort, warum diese Frau 103 werden konnte. Sie sind im Dezember 80 geworden. Es heißt, man soll diese Zahl in Ihrer Gegenwart besser nicht in den Mund nehmen. Ja, weil es nichts Gutes darüber zu berichten gibt. Aber dieser Film vermittelt doch ein positives Gefühl vom Älterwerde­n. Der Film spiegelt aber nicht mein Leben wider. Bei mir zu Hause wurde diese Zahl verbannt. Mit Verlaub, Sie sind seit Ihrer Rolle als M in „James Bond“ein Kultstar und haben mit „Best Exotic Marigold Hotel“einen Superhit gelandet. Eigentlich sind Sie erst im letzten Lebensvier­tel zur Höchstform aufgelaufe­n. Klingt gut. Und ich bekomme noch immer wundervoll­e Angebote. Es wäre nur schön gewesen, wenn mir das vor 20 Jahren passiert wäre. Dann könnte ich es etwas länger auskosten. (lacht) Haben Sie eine besondere Verbindung zu Indien? Manchmal sieht man Sie in indisch angehaucht­en Kleidern. Das hat hauptsächl­ich mit meiner Figur zu tun. Für mich sind fließende Formen einfach vorteilhaf­ter. Ich mag auch die Farben, die dort verwendet werden. Man sollte nur Kleidung tragen, in der man sich wohlfühlt. Das steht einem am besten, schon weil man sich lässiger darin bewegt. Wenn man etwas nur wegen eines Trends trägt, wirkt man darin eher verzweifel­t. Regisseur John Madden hat die Figuren auf die jeweiligen Schauspiel­er zugeschnit­ten. Fühlen Sie sich Ihrer Evelyn nahe? Ich erlaube mir keinerlei Urteil über sie. Ich selbst hätte nach dem Tod meines Mannes nicht den Mut gehabt, nach Indien zu gehen. Schottland oder Cornwall wäre das Weiteste, was ich mir zutrauen würde. Evelyn ist wesentlich mutiger, als ich es damals war. Nun, so ein Dreh in Indien ist aber auch nicht ohne, oder? Ja, aber bei einem Dreh in Indien wirst du bestens betreut. (lacht) Evelyn hat in Teil eins einen eher zaghaften Flirt mit Bill Nighys Figur angefangen. Bleibt sie so zurückhalt­end? Ja. Ich habe recht ungeduldig zur Kenntnis genommen, dass sie immer noch nicht so richtig zusammen sind. Was für eine Zeitversch­wendung. Aber das ist Evelyn. Ich bin nicht so.

1934

wurde Judi Dench in der englischen Stadt York geboren.

1964

gab sie ihr Kinodebüt in „The Third Secret“. Seit 1995 war sie in der „James Bond“Reihe in der Rolle der M zu sehen. 2012 verkörpert­e sie in „Skyfall“zum letzten Mal die Chefin des Geheimdien­stes MI6.

1999

bekam sie einen Oscar als beste Nebendarst­ellerin für ihre Rolle als Elisabeth I. in „Shakespear­e in Love“. Weitere sechs Mal wurde sie für einen Oscar nominiert. Zu ihren bekanntest­en Filmen zählen „Chocolat“, Stolz und Vorurteil“, „Iris“, „Schiffsmel­dungen“, „Tagebuch eines Skandals“und „Philomena“. Sie waren nach dem Tod Ihres Mannes, Michael Williams, 2001 lang allein. Dann haben Sie sich zu Ihrer eigenen Überraschu­ng verliebt – in einen Nachbarn. Verändert die Liebe sich mit den Jahren? Das hängt immer von den Menschen ab, die sich als Paar finden. Und in Ihrem Fall? Ich finde es extrem wichtig, jemanden um sich zu haben, mit dem man gemeinsam lachen und sein Leben teilen kann. Du kannst dich sehr glücklich schätzen, wenn du so jemanden an deiner Seite hast. Eine langjährig­e Freundin von Ihnen war auch beim zweiten indischen Abenteuer an Ihrer Seite, Maggie Smith – selbst eine Legende. Macht spätestens das die Arbeit zum Vergnügen? Wenn du mit jemandem probst, den du nicht kennst, braucht es einige Zeit, um den Mut zu finden, sich lächerlich zu machen. Dann erst kann es richtig zur Sache gehen. Der Vorteil war, dass Maggie und ich diese Phase schon vor Jahren hinter uns gebracht haben. Sie beide sollen zusammen am Set schlimmer herumkiche­rn als Teenies. Liegt das an Maggie oder an Ihnen? Ich bin dafür bekannt, dass ich mich danebenben­ehme. Das habe ich früher auch bei Theaterauf­führungen gemacht, habe kleine Gemeinheit­en für meine Kollegen eingebaut, die dem Publikum nicht aufgefalle­n sind. Ich konnte einfach nicht widerstehe­n. Spielen Sie denn auch Ihren Kollegen am Set Streiche? Nur Bill Nighy. Wir drehten, ich stand etwas im Hintergrun­d und rief ihm etwas zu, er bekam daraufhin einen Lachanfall. Er dachte, John hätte bereits „Cut“gerufen und ließ sich etwas gehen. Am nächsten Morgen meinte ich dann pikiert zu ihm: „Du weißt schon, dass wir die Szene von gestern noch einmal drehen müssen, weil du so albern warst?“Das Team war eingeweiht und stellte sich sauer, und er ist drauf reingefall­en. Ein Mordsspaß. Hat er sich schon an Ihnen gerächt? Bisher noch nicht. (lacht) Betrachten ältere Menschen die Welt immer mit jungen Augen? Meine entspreche­n jedenfalls dem Al- ter von 22. Es ist wichtig, den Humor in den Dingen zu sehen. Und du solltest immer wieder etwas Neues entdecken. Ich zum Beispiel lerne gerade, Speckstein zu verarbeite­n, was mir wirklich sehr viel Spaß macht. Früher habe ich auch gern Kreuzwortr­ätsel gelöst, aber meine Augen machen das jetzt nicht mehr so gut mit. Sie leiden unter einer Makuladege­neration, einer durchaus häufig auftretend­en Erkrankung der Netzhautmi­tte. Erst wurde sogar befürchtet, Sie würden erblinden. Erst vor Kurzem habe ich eine Lampe mit einer Lupe bekommen, sodass ich sogar wieder Kreuzwortr­ätsel lösen und auch wieder nähen kann. Drehen Sie auch deshalb noch so begeistert Filme, weil Sie so neugierig sind und immer wieder etwas Neues lernen wollen? Hauptsächl­ich drehe ich, um Geld zu verdienen. Und währenddes­sen habe ich natürlich gern Spaß. Ich würde es auch nicht machen, würde ich dabei nicht interessan­te neue Leute kennenlern­en, denen ich Streiche spielen kann. Oder mit denen ich „Bananagram­s“spielen kann. Was bitte ist „Bananagram­s“? Ein tolles Spiel, eine Variation von „Scrabble“. Ich bin verrückt danach und habe es in Indien auch Maggie Smith beigebrach­t, seitdem spielt sie es ständig bei „Downton Abbey“. Einmal musste ich in Indien das Spiel aus dem Pool retten und habe es mir beim Schwimmen um den Kopf gebunden. Das haben die Erfinder spitz gekriegt, besuchten mich im Theater und zeichneten mich mit der „Bananagram“Medaille aus. (lacht) Maggie bekam im Übrigen auch eine. Im Herbst rettet Daniel Craig als 007 in „Spectre“wieder die Welt – diesmal ohne Sie als Geheimdien­stchefin M. Macht Sie das ein wenig wehmütig? Nein. Aber ich werde mir den Film dann sicher im Kino anschauen. Wird man mit zunehmende­m Alter weiser? Ich sicher nicht. Ich benehme mich oft albern. In den vergangene­n zwei Tagen habe ich mich tatsächlic­h wie ein Teenager benommen und schäme mich sogar ein bisschen. Früher habe ich so getan, als ob ich besonders erwachsen bin. Das lasse ich längst sein.

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will Judi Dench auch weiterhin Spaß nicht zu kurz kommt,
Reuters Solange der auf der großen Kinoleinwa­nd. ebenso zu Hause wie Ist auf der Theaterbüh­ne nicht kürzertret­en. will Judi Dench auch weiterhin Spaß nicht zu kurz kommt,

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