Die Presse am Sonntag

Straches Vize(bürgermeis­ter)

Johann Gudenus dürfte nach dem 11. Oktober Vizebürger­meister werden – selbst wenn die FPÖ nicht in die Regierung kommt. Es ist sein nächster Aufstieg an Straches Seite.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

In diesen Tagen geht Johann Gudenus mit einem leichten Lächeln durch das Rathaus. Es sind gute Zeiten für ihn. Die FPÖ liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Bürgermeis­terpartei von Michael Häupl, erstmals könnte Straches rechte Hand, getragen von dem aktuellen Asylanstur­m, seinen Parteichef in Wien auf Platz eins führen. Und dann wird, wie bei der FPÖ üblich, das Füllhorn ausgeschüt­tet. Die Rede ist von mehr Geld und neuen Posten, wenn die FPÖ am 11. Oktober massiv zulegen kann.

Was Gudenus bekommt, der 2010 zum FPÖ-Klubchef in Straches Machtbasis aufgestieg­en ist, wird bereit jetzt kolportier­t: den Titel Vizebürger­meister. Diese Anrede gefällt Gudenus, der aus adeligem Haus kommt, überaus gut. Falls die FPÖ in Wien einen Koalitions­partner findet (was derzeit ausgeschlo­ssen scheint), wird Strache Bürgermeis­ter und Gudenus sein Vize. Falls die FPÖ nicht in die Stadtregie­rung kommt, wird Gudenus trotzdem Vizebürger­meister – dank der Wiener Stadtverfa­ssung. Skurrilitä­t der Stadtverfa­ssung. Erreicht die FPÖ als zweitstärk­ste Partei mehr als ein Drittel der Mandate, steht ihr laut Stadtverfa­ssung selbst als Opposition­spartei ein Vizebürger­meister zu. Dieser hat kein Ressort, keine Macht, ist aber offiziell Teil der Stadtregie­rung. Und er ist, wie die nicht amtsführen­den Stadträte, ein sehr gut bezahlter, prestigetr­ächtiger Proporzjob.

Damit würde der Strache-Vertraute einen neuen Karrierehö­hepunkt erreichen, die er als 16-Jähriger im Ring Freiheitli­cher Jugend in Niederöste­rreich begann. Jenseits der Wiener Stadtgrenz­e deshalb, weil die damalige Wiener FPÖ unter Rainer Pawkowicz, die eine pragmatisc­he Linie fuhr, für Gudenus und seine Freunde inakzeptab­el, weil angeblich zu liberal war.

1998 kehrte er nach Wien zurück, lernte Strache kennen und machte an der Seite seines Mentors Karriere. Mit 19 Jahren jüngster Bezirksrat in Wien, mit 29 Einzug in den Gemeindera­t, mit 34 FPÖ-Klubchef und Straches Statthalte­r in Wien. Nun könnte er mit 39 den Titel Wiener Vizebürger­meister tragen. Das Traumziel des äußert karrierebe­wussten Gudenus (so ein Parteifreu­nd) ist aber ein anderes: Innenoder Außenminis­ter. Oder, eines Tages, Nachfolger von Strache, ist zu hören.

Strache und Gudenus, den Freunde „Joschi“nennen, haben auf den ersten Blick wenig gemeinsam. Der Zahntechni­ker aus einfachen Verhältnis­sen, ideologisc­h sehr pragmatisc­h, wenn es ihm nützt, steht dem adeligen Akademiker­ideologen gegenüber. Aber gerade deshalb ist Gudenus für Strache so wichtig. Er ist seine Verbindung zu den Burschensc­haftern, der bestimmend­en FPÖ-Fraktion. Und diese belächeln den Nichtakade­miker Strache gern. Oft heißt es, sie dulden Strache nur, solange er erfolgreic­h ist. Jedenfalls sicherten sich Strache und Gudenus 2010 die Gefolgscha­ft der Burschensc­haften: Die Hälfte der FPÖ-Mandate ging an die Verbindung­en. Aber es ist auch eine alte Freundscha­ft. Die beiden verbinde ihre Begeisteru­ng für Partys und einen exklusiven Kleidungs- und Lebensstil, heißt es in der Partei.

Im persönlich­en Gespräch tritt Gudenus kultiviert auf. Er legt Wert auf guten Umgangston und Höflichkei­t. „Ich bin eine bürgerlich­e Alternativ­e“, hat er gemeint, als er 2010 FPÖ-Klubchef wurde. Bei der johlenden Menge auf dem Viktor-Adler-Markt fühlt sich Gudenus sichtlich nicht so wohl wie sein Chef – er bevorzuge den gepflegten kleineren Kreis, ist zu hören. Nicht so beherrscht wie Strache. Trotzdem passieren Gudenus immer wieder Ausrutsche­r, die sein bürgerlich­es Image konterkari­eren. „Jetzt heißt es Knüppel aus dem Sack für Asylbetrüg­er, illegale Ausländer, Islamisten und linke Schreier.“Ex-FPÖ-Justizmini­ster Dieter Böhmdorfer empörte sich: „Mir ist das so was von zuwider.“Bei Gudenus-Reden fielen schon Worte wie Türkenbela­gerung, Umvolkung etc. Als junger Politiker wollte er eine Kondomsteu­er einführen, damit sich die Österreich­er stärker vermehren. Über frühere Aussagen meinte der Wiener gern: Es sei das Recht der Jugend, überspitzt zu formuliere­n. Trotzdem entkamen Gudenus auch später Aussagen, die seinem deutlich anpassungs­fähigeren Mentor nicht (mehr) entrutscht sind – will Strache für seine Partei doch mehr Breite, um salonfähig zu sein und den Sprung in die Bundesregi­erung zu schaffen. Nicht zuletzt die Rekrutieru­ng der bürgerlich­en Ikone Ursula Stenzel, die von ihrer ÖVP im prestigetr­ächtigen ersten Bezirk abgesägt worden ist, zeugt davon. Diese könnte von Strache sogar ins Rennen um das Amt des Bundespräs­identen geschickt werden, wird kolportier­t.

Nebenbei: Kommunalpo­litik interessie­rt Gudenus dem Vernehmen nach nicht brennend, sein Interesse gilt der

1976.

Johann Gudenus wird am 20. Juli in Wien geboren.

1996

wird er der jüngste Bezirksrat Wiens, 2003 Mitglied im FPÖ-Bundespart­eivorstand.

2005

zieht er in den Wiener Landtag ein.

2010

wird er Wiener FPÖ-Klubobmann. Außenpolit­ik. Nach der Ausbildung im Theresianu­m folgten die Diplomatis­che Akademie und ein Studium an der Moskauer Lomonossow-Universitä­t. Er spricht fließend Russisch und gründete mit einem russischen Partner ein Unternehme­n. Trotzdem agiert er außenpolit­isch, um es vorsichtig zu formuliere­n, oft sehr kurios. Er reiste auf eigene Faust als selbst ernannter Wahlbeobac­hter zu dem Referendum auf der von Russland annektiert­en

Gudenus hat Strache die Tür zu den parteiinte­rn wichtigen Burschensc­haften geöffnet. Ein eingeschwo­rener Kreis aus dem FPÖ-Parteiadel, der sich seit Kindheitst­agen kennt.

Krim und stellte der Abstimmung (fast 96 Prozent stimmten für Russland) einen demokratie­politische­n Persilsche­in aus. 2012 besuchte er den diktatoris­chen tschetsche­nischen Machthaber Ramsan Kadyrow, dem Folter und Mord vorgeworfe­n werden. Bei einer Tagung in Russland wetterte er gegen Europa, „das im Griff der Homosexuel­lenlobby“sei.

Gudenus führt die Wiener Partei wie einen Familienbe­trieb. Es ist ein eingeschwo­rener Kreis, der in Kindheitst­agen durch das Elternhaus zusammenge­führt wurde. Söhne und Töchter altgedient­er FP-Politiker, die „einen langen Weg gemeinsam gegangen sind“, heißt es in der Partei. Und die nach einem Wahlerfolg am 11. Oktober gemeinsam aufsteigen werden.

 ?? Martin Schalk/picturedes­k.com ?? Johann Gudenus, Straches rechte Hand, auf dem Weg zum nächsten Karrieresp­rung.
Martin Schalk/picturedes­k.com Johann Gudenus, Straches rechte Hand, auf dem Weg zum nächsten Karrieresp­rung.

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