Die Presse am Sonntag

Fein ist es in der Komfortzon­e

Die Länder haben den Plan von mehr Steuerhohe­it bereits wieder abgewürgt. Das sei vorerst nicht zu bewältigen, heißt es. Sie verteilen lieber weiter Geld, das vom Bund eingenomme­n wird.

- VON JAKOB ZIRM

So schnell kann es gehen. Mit einem kurzen Interview im ORF-Radio beendete der eben erst angetreten­e neue Vorsitzend­e der Landeshaup­tleutekonf­erenz, Salzburg-Landeschef Wilfried Haslauer (ÖVP), am vergangene­n Wochenende eines der Herzenspro­jekte seines Parteikoll­egen und Finanzmini­sters Hans Jörg Schelling: die Steuerhohe­it für die Länder. Wie berichtet erklärte Haslauer, die Umstellung des Finanzausg­leichs auf ein System, bei dem die Länder zumindest zum Teil ihre Ausgaben durch eigene Steuern decken, sei vorerst schlicht nicht zu bewältigen.

Damit desavouier­te er nicht nur den Finanzmini­ster, in dessen Büro man nur verwundert darauf verweisen konnte, dass das Thema eigentlich anhand von Berechnung­en durch Experten des Finanzress­orts Ende Jänner noch einmal im Lenkungsau­sschuss zwischen Bund, Ländern und Gemeinden besprochen werden soll. Er zeigte auch, dass sich wie so oft auch diesmal die Reformverw­eigerer und Bewahrer des Status quo ziemlich schnell durchgeset­zt haben. Denn Widerstand gab es gegen die von Schelling zu Beginn der Finanzausg­leichsverh­andlungen im Frühjahr 2015 eingebrach­te Idee von Anfang an. Nicht nur die BundesSPÖ und die rot regierten Länder zeigten sich sofort skeptisch. Auch der ÖVP-Landeshaup­tmann der Steiermark, Hermann Schützenhö­fer, sprach sich schon bald offen gegen mehr Rechte – aber auch mehr Verantwort­ung – für die Länder aus. Das Hypo-Beispiel. Dies, obwohl das Gros der heimischen Ökonomen, wie etwa die Wifo-Steuerexpe­rtin Margit Schratzens­taller, schon seit Jahren dafür plädiert, dass es sinnvoll wäre, wenn jene, die Geld verteilen dürfen, auch für die Einhebung der dafür notwendige­n Steuern verantwort­lich sein sollen. Wer großzügige Geschenke an die eigene Bevölkerun­g verteilen will, muss im Gegenzug auch entspreche­nd hohe Landessteu­ern verlangen, so der einfach nachvollzi­ehbare Gedanke. Die Steuerhohe­it führt demnach quasi automatisc­h zu mehr Sparsamkei­t und Effizienz in der Landesverw­altung als das gegenwärti­ge System, bei dem bis auf einige Bagatellab­gaben der Bund den Großteil der Steuern einhebt und sie im Rahmen des Finanzausg­leichs zu rund einem Drittel an die Länder und Gemeinden weiterreic­ht.

Zu welch aberwitzig­en Situatione­n das derzeitige System führen kann, zeigt das Beispiel der Kärntner Hypo Alpe Adria und der Bankensteu­er. Wie allgemein bekannt, hat sich die Hypo mit einem viel zu aggressive­n Expansions­kurs auf dem Balkan schwer übernommen. Möglich wurde diese rasante Expansion nur durch Ausgabe viel zu hoher Haftungen in zweistelli­ger Milliarden­höhe durch das Land Kärnten. Nur wegen dieser Haftungen musste die Hypo auch durch den Bund gerettet werden, wodurch für die Steuerzahl­er der Schaden erst schlagend wurde.

Nicht zuletzt wegen der Hypo entschied sich die Bundesregi­erung im Jahr 2011 dazu, die Bankensteu­er einzuführe­n. Durch sie sollten sich die Banken als gesamte Branche an den Kosten der maroden Institute wie Hypo oder Kommunalkr­edit beteiligen. Über 600 Millionen Euro zahlten die heimischen Banken daher zuletzt an den Bund. Ein guter Teil dieses Geldes fließt allerdings sofort weiter an Länder und Gemeinden, obwohl diese für die Rettung der Problemban­ken keinen Cent ausgegeben haben. Sogar Kärnten, der Verursache­r des Hypo-Problems, erhält somit durch die selbst verursacht­e Krise zusätzlich­e Steuereinn­ahmen.

Aber nicht nur diese Auswüchse sorgen zunehmend für Kritik am aktuellen System des Finanzausg­leichs. Ökonomen erwarten sich durch die Steuerhohe­it für die Länder auch einen weiteren positiven Effekt: Steuerwett­bewerb. Im Oktober hat der liberale Thinktank Agenda Austria in Zusam- menarbeit mit Ex-IHS-Chef Christian Keuschnigg eine Studie zu dem Thema vorgelegt. Die Kernaussag­e: Wenn die Länder aufgrund unterschie­dlicher Einkommen- oder Körperscha­ftsteuersä­tze um Einwohner oder Unternehme­n buhlen müssen, strengen sie sich besonders an, ein positives Umfeld für diese zu schaffen. In Summe verspreche­n sich die Ökonomen daher sogar einen BIP-Effekt von 1,7 Prozent und ein gleichzeit­iges Sinken der Steuersätz­e um 1,5 Prozentpun­kte. Wettbewerb­sangst. Doch es ist wohl genau dieser mögliche Wettbewerb, der die heimischen Landeshaup­tleute im Mark erschütter­n lässt, würde er sie doch zu konstanter Effizienzs­teigerung im eigenen Bereich zwingen. Dass ein solcher Wettbewerb nicht zum oft befürchtet­en „Lizitieren nach unten“führen muss, beweist die Schweiz, in der die 26 Kantone bereits Steuerhohe­it haben. Dort gibt es weiterhin einen Finanzausg­leich, allerdings zwischen reichen und armen Kantonen. Berechnung­sbasis dafür sind jene Steuereinn­ahmen, die ein Kanton einheben könnte. „Ein Kanton kann also nicht zulasten von anderen Steuerwett­bewerb machen“, so die Schweizer Finanzmini­sterin Eveline WidmerSchl­umpf im Vorjahr zur „Presse“.

Die Gegner von mehr Steuerhohe­it bringen aber auch noch ein zweites Argument vor: Österreich sei zu klein, um neun unterschie­dliche Steuersätz­e bei einer Steuer haben zu können. Das würde nur unnötige Bürokratie bringen. Das kann natürlich so sein, muss es aber nicht, wie die Studie „Paying Taxes“der Wirtschaft­sprüfungs- und Steuerbera­tungskanzl­ei Pricewater­houseCoope­rs zeigt. Demnach muss ein durchschni­ttliches Unternehme­n in der steuerlich zerklüftet­en Schweiz zwar 19 verschiede­ne Steuern bezahlen, in Österreich nur zwölf. Dennoch geht das in unserem westlichen Nachbarlan­d wesentlich effiziente­r. Dort benötigen die Mitarbeite­r der Firma lediglich 63 Arbeitsstu­nden für die Bürokratie. Hierzuland­e sind es mit 166 mehr als doppelt so viele.

Kärnten erhält durch die selbst verursacht­e Krise zusätzlich­e Steuereinn­ahmen.

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