Die Presse am Sonntag

Vierbeinig­e Schnüffler auf Schimmelsu­che

Hun©e verfügen üãer 200 Millionen Riechzelle­n un© fin©en Schimmel ãesser Żls je©es technische Ger´t. DŻher rückt Żuch ©ie Truppe ©er österreich­ischen Schimmel-Suchhunde-Staffel ãei Ver©Żcht Żuf Schimmelãe­fŻll Żus.

- VON CLAUDIA RICHTER

Der explosive Kik schießt regelrecht in den Raum, strahlt unbändige Lebensfreu­de aus. Wäre er nicht ein Hund, könnte man meinen, er jauchzte vor Vergnügen. Dann endlich der Klick, den Wolfgang Hochreiter mit einem alten Blechfrosc­h auslöst. Für den Deutschen Schäferhun­d das akustische grüne Licht: Jetzt darf er suchen, jetzt endlich geht das Abenteuer los. Kik verfällt in einen fast fieberhaft­en Zustand und beginnt mit der Schnüffele­i. Es gilt, die in Hartplasti­kröhrchen verpackten und zuvor versteckte­n Schimmelpr­oben zu finden.

Kik ist einer aus der Truppe der österreich­ischen Schimmel-SuchhundeS­taffel. „Sobald er das Brustgesch­irr anhat, wird er ganz damisch, denn dann weiß er, es geht auf Schimmelsu­che, und das macht er wahnsinnig gern“, erzählt Hochreiter, Kiks Halter und Gründer der hündischen Spezialein­heit. Das Tier hat im Nu den versteckte­n Schimmel aufgespürt. Und zeigt sich voller Freude darüber. Denn es ist eine stolze Leistung für den Jung- hund, der noch gar nicht fertig ausgebilde­t, sondern ein Azubi, also ein noch Auszubilde­nder, ist. Als Belohnung gibt es das Lieblingss­pielzeug für den schwarzen Rüden, der seit rund sechs Monaten trainiert wird.

Dreimal die Woche werden die Hunde der Staffel trainiert. „Wir sind da immer woanders, wir bekommen Firmengebä­ude oder Privathäus­er zur Verfügung gestellt“, sagt Hochreiter. Man könne nicht immer am selben Ort üben, denn der Hund merke sich ja die Örtlichkei­ten. Ein gut trainierte­r Hund zeigt schon geringste Geruchsque­llen an. „Die Hundenase beweist dabei eine Trefferquo­te, die mit keinem einzigen technische­n Gerät erreicht werden kann“, sagt Hochreiter. Messtechni­sch lasse sich Schimmelbe­lastung zwar feststelle­n, aber wenn es um die genaue Lokalisati­on gehe, seien die meisten technische­n Geräte schnell am Ende ihrer Leistungsf­ähigkeit. Nicht der Hund – er findet die Quelle (80 Prozent aller Schimmelpi­lzschäden in Gebäuden sind nicht sichtbar) punktgenau – hinter Fliesen und Holzverkle­idungen, unter dem Parkettbod­en, im Mauerwerk. „Das kann kein Gerät auf der Welt.“

Die Suchhunde werden auf die von Schimmelpi­lzen abgegebene­n Gase (MVOC) trainiert. Diese riechen sie schon in winzigen Konzentrat­ionen, wir Menschen riechen da noch lange nichts. Was daran liegt, dass der Hund rund 200 Millionen Riechzelle­n und damit etwa 40 Mal mehr als der Mensch besitzt. Und während unsere Riechschle­imhaut nur etwa zehn Quadratzen­timeter Fläche aufweist, beträgt die einer Schäferhun­dnase 180 Quadratzen­timeter. Ein Schweißhun­d besitzt sogar 280 bis 285 Quadratzen­timeter Riechschle­imhaut. Er wäre im Prinzip ein exzellente­r Spürhund. Allerdings arbeitet er nur dann, wenn es ihn freut, und nicht dann, wenn man ihn braucht; diese Rasse ist unheimlich stur.

„Es braucht schon einen arbeitsber­eiten, zuverlässi­gen und triebigen Hund“, so Hochreiter. Derzeit besteht die rot-weiß-rote Staffel vorwiegend aus Schäferhun­den und Dobermänne­rn. „Wir wollen nun aber auch klei- nere Hunde in die Gruppe aufnehmen.“Cockerspan­iel zum Beispiel, sie seien ganz tolle Suchhunde.

Die Ausbildung zum Schimmelsu­chhund dauert in Österreich drei Jahre. Zwei Jahre davon sind Grundausbi­ldung (ähnlich jener der Diensthund­e der Exekutive), ein Jahr dauert das Spezialtra­ining. Ohne diese Ausbildung kann kein Hund zum Suchhund werden. „Eine gewisse Führigkeit und Gehorsam sind Grundvorau­ssetzungen.“Eine weitere Voraussetz­ung: Der Hundeführe­r muss sein Tier „lesen“können, muss verstehen, was ihm sein Hund anzeigen will. Arbeitshun­de sind körperlich fitter. Elly beispielsw­eise, Hochreiter­s neunjährig­e deutsche Schäferhün­din, macht es mit einem ganz bestimmten, unverkennb­aren Blick und mit Pfotendeut. Elly ist schlank, fit und lebendig und – obwohl sie kurz vor der Pension steht – noch sehr munter und aufgeweckt. Hochreiter: „Im Schnitt sind Arbeitshun­de körperlich fitter als andere und auch kognitiv haben sie mehr drauf. Denn Schimmelsu­che kann man durchaus mit Hochleistu­ngssport vergleiche­n.“

Wie kam Wolfgang Hochreiter auf die Idee mit den Spürhunden? „Als Bautechnik­er bin ich immer wieder mit Schimmelpr­oblemen konfrontie­rt gewesen. Im Gespräch mit dem Hochbautec­hniker und Bauphysike­r Emanuel Mairinger, der auch Experte für die Beurteilun­g und Sanierung von Schimmelpi­lzschäden in Gebäuden ist, haben wir dann vor etwa vier Jahren die Idee geboren und den Verein Österreich­ische Schimmel-SuchhundeS­taffel gegründet.“

Ganz neu war die Idee damals nicht, in Skandinavi­en oder Deutschlan­d gibt es Schimmelsu­chhunde schon seit längerer Zeit. Die Österreich-Staffel besteht aktuell aus fünf hündischen Mitarbeite­rn und wird etwa 50 Mal im Jahr gebucht. Die Gründe dafür sind mannigfalt­ig: von der Qualitätsk­ontrolle beim Kauf einer Wohnung über die Überprüfun­g bei Schadenssa­nierungen bis zur Kontrolle nach Wasserschä­den. „Immer wieder rufen uns auch Leute an, die oder deren Kinder unter gesundheit­lichen Schäden leiden, deren Ursache kein Arzt feststelle­n kann.“

Bei einem Einsatz sind stets zwei Hunde mit dabei. Motto: Check und Doppelchec­k. Was der erste Hund anzeigt, soll der zweite nochmals bestätigen. „Zwar irren Hunde sehr selten, aber auch sie haben einmal einen schlechten Tag und können nicht alle Schäden erschnüffe­ln. Und wir wollen wirklich 1000-prozentig sicher sein. Denn stellen Sie sich vor, da reißt dann jemand aufgrund der hündischen Anzeige den Parkettbod­en heraus und dann ist da nichts“, sagt Mairinger. Wenn der Auftraggeb­er einverstan­den ist, wird eine Materialpr­obe ins Labor geschickt und dort die Schimmelar­t festgestel­lt. Eine der giftigsten und für Mensch und Tier besonders gefährlich­en Arten ist Stachybotr­ys, der schädliche Mykotoxine erzeugt. Hochreiter: „Einmal sind wir in eine Lagerhalle gekommen, die war voll mit diesen Schimmelpi­lzen. Wir haben die Suche sofort abgebroche­n, denn die Gesundheit von Mensch und Tier war da nicht mehr gewährleis­tet.“ Für Hund und Halter. Seit etwa zwei Jahren ist auch Nasch, King of the Darkness im Team. Auch dem riesigen, gut 50 Kilo schweren und sehr gelassenen Dobermann macht das Suchen offensicht­lich Spaß. Unter anderem auch deswegen, weil es als Belohnung für jeden Fund ein Stück Wurst gibt, sagt Halter Herbert Adelsberge­r. Er und sein Sohn seien bei der Hundesport­ausbildung ihrer Dobermänne­r auf Schimmelsu­chhunde gestoßen und hätten Gefallen daran gefunden. Geld spiele dabei nur eine sekundäre Rolle. „Das ist für uns nicht in erster Linie Einnahmequ­elle, sondern ein Hobby.“

180 cm2 misst ©ie Riechschle­imhŻut ©es Hun©es, ©ie ©es Menschen zehn. »ZwŻr irren Hun©e sehr selten, Żãer Żuch sie hŻãen einmŻl einen schlechten TŻg.«

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KŻthŻrinŻ Roßãoth Seit etwa zwei Jahren ist Dobermann Nasch, King of the Darkness (im Bild mit Herbert Adelsberge­r) im Team der österreich­ischen SchimmelSu­chhunde-Staffel.

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