Das nennt man wohl Versagen
Werner Faymann rudert in der Grenz- und Flüchtlingsfrage zwar zurück. Die Regierung hat angesichts des größten Problems seit 1945 dennoch keine gemeinsame Linie. Das ist beunruhigend.
Von wem stammen die folgenden Sätze? „Und ich rate uns allen, diese Grenze, die das Land aufzunehmen in der Lage ist, nicht auszutesten.“Und weiter: „Einfach durchwinken, keine vernünftige Registrierung und kein Datenabgleich in Europa – das führt eben dazu, dass sich selbst Kriminelle und Terroristen wie der Paris-Attentäter unerkannt durch Europa bewegen können.“Spricht so Deutschlands CDU-Innenminister Thomas de Maizi`ere? Österreichs Vizekanzler, Reinhold Mitterlehner? Falsch, so formuliert Deutschlands Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel angesichts des nicht abreißenden und bald wieder anschwellenden Flüchtlingsstroms. Damit stellt er sich wie Teile seiner Partei und wohl die Mehrheit der deutschen Wähler gegen die Linie seiner Koalitionspartnerin, Angela Merkel. Er folgt damit seinen Parteikollegen weiter nördlich in Schweden, das die Grenzen über Nacht dicht gemacht hat.
Damit steht Werner Faymann allein. Aber natürlich nicht lang. Denn auf Anweisung der „Krone“rudert nun auch der österreichische Kanzler zurück und hat die besse- re Kontrolle der Südgrenze mit Ende kommender Woche angekündigt. Wie das genau funktionieren soll, dürfen die Minister überlegen. Kleinformatauftrag erfüllt.
Doch so leicht werden sich Faymann und die Bundesregierung nicht aus der Affäre ziehen können. Auch sechs Monate nach dem vielfach angekündigten Beginn des Flüchtlingsdramas gibt es keine gemeinsame Linie von SPÖ und ÖVP. Faymann gefiel sich lang in der Rolle des fürsorglichen Juniorpartners Merkels und setzte mit Bühnendiplomatie auf eine europäische Lösung.
Über Wochen wurde da jedes Telefonat Faymanns zu einem Durchbruch und einer Rettung Europas hochstilisiert. So ließ der Kanzler etwa Anfang Oktober nach seinem Jour-fixe-Gespräch mit Merkel verlautbaren: „Die Zeit drängt. Jetzt braucht es an den EUAußengrenzen eine Sicherung mit kontrollierten Eingangstoren, wo Flüchtlinge registriert werden und bewertet wird, ob sie eine Chance auf Asyl haben. Genau das soll im Hotspot erfolgen.“Nach zweieinhalb Monaten funktionieren die Hotspots noch immer nicht. Das nennt man Versagen.
Interessant auch der ÖVP-Schwenk. Lange Zeit schummelte sich die Partei an einer Festlegung vorbei, beobachtete gemütlich, wie Innenministerin Mikl-Leitner auf verlorenem Posten kämpfte und Sebastian Kurz für das Amt des bayrischen Ministerpräsidenten übte. Ausgerechnet für den Wahlkampf um das überschätzte Präsidentenamt positioniert sich die ÖVP nun als Obergrenzen- und Heimatpartei. Das mag im Kern der Sache richtig sein. Doch staatstragend klingt die Kampagnenlinie im Stil des FPÖ-Generalsekretärs, die vielleicht die Wahlchancen von Andreas Khol erhöht, noch nicht.
Und damit an dieser Stelle auch kleine Lichtblicke gewürdigt werden: Wenn der neue SP-Verteidigungsminister, Hans Peter Doskozil, der streitbaren VP-Innenministerin, seiner bisherigen Vorgesetzten, öffentlich Rosen streut und von exzellenter Zusammenarbeit spricht, dann lässt das auf Besserung nach den bisherigen Animositäten zwischen den Ressorts hoffen. Wir sind ja schon ziemlich bescheiden geworden.