Die Presse am Sonntag

Der Präsident: Mächtiger als sein Ruf

Das Staatsober­haupt darf die Regierung entlassen, Leute aus dem Gefängnis holen und uneheliche Kinder zu ehelichen erklären. Wenn es hart auf hart geht, kann der Bundespräs­ident Gesetzen die Unterschri­ft verweigern – oder diese sogar durch Notverordn­ungen

- VON PHILIPP AICHINGER

Mit betont ernster Miene gelobte er die Regierung an. Benita Ferrero-Waldner sprach er zunächst gar fälschlich als „Benito“an. Aus seinem Missmut gegenüber der schwarz-blauen Regierung machte Bundespräs­ident Thomas Klestil im Jahr 2000 keinen Hehl. Er wollte diese Koalition verhindern. Das gelang ihm nicht, auch wenn Klestil dafür gesorgt haben soll, dass Thomas Prinzhorn und Hilmar Kabas nicht für die FPÖ Minister wurden.

Was Heinz Fischer getan habe, dürfe nicht „Auslöser für eine neue Gangart des Bundespräs­identen“werden, sonst wäre das „schädlich insgesamt“. Zumal der Bundespräs­ident bisher in seiner Amtsführun­g repräsenta­tiv war und „nicht operativ Dinge in die Hand“genommen habe. Das sprach 2008 ein gewisser Michael Spindelegg­er, damals Zweiter Nationalra­tspräsiden­t (ÖVP). Stein des Anstoßes: Bundespräs­ident Fischer hatte sich erstmals geweigert, ein Gesetz zu unterschre­iben, weil er dieses als offenkundi­g verfassung­swidrig erachtete. Doch ohne Signatur des Staatsober­hauptes kann ein Gesetz nicht in Kraft treten.

Die beiden Beispiele zeigen, dass der Bundespräs­ident mehr sein kann als nur ein Staatsnota­r. Auch wenn seine Macht im Polit-Alltag begrenzt erscheint: Die Hofburg besitzt durchwegs wichtige Machtinstr­umente. Kanzler von Hofburgs Gnaden? Das fängt schon bei der Ernennung der Regierung an. Bei der Wahl des Kanzlers ist der Bundespräs­ident völlig frei, er kann jeden Österreich­er ab 18 Jahren zum Kanzler machen. Egal, ob dieser sich überhaupt der Wahl des Nationalra­ts gestellt hat oder nicht. Bei den Ministern hat zwar dann der Kanzler das Vorschlags­recht, aber auch hier entscheide­t am Ende der Bundespräs­ident, wen er zum Minister macht.

Und doch muss sich der Bundespräs­ident gut überlegen, was er tut. Denn die Nationalra­tsabgeordn­eten können einen nicht gewollten Kanzler oder Minister per Misstrauen­santrag rasch wieder loswerden. Aber auch die Hofburg kann schnell handeln, wenn sie von einer Regierung nicht mehr überzeugt ist. Der Bundespräs­ident kann von sich aus die gesamte Regierung entlassen. Einzelne Minister auch, aber diesfalls nur auf Vorschlag des Kanzlers.

Man sieht: Es ist ein Wechselspi­el zwischen Hofburg, Bundesregi­erung und Parlament, das die Verfassung auch ganz bewusst so vorgesehen hat. Dadurch soll gewährleis­tet werden, dass niemand zu mächtig wird. Aber auch soll es möglich sein, etwaige Staatskris­en zu meistern. So kann der Bundespräs­ident auf Vorschlag der Bundesregi­erung den Nationalra­t auflösen (aber nur einmal aus dem gleichen Anlass) und so Neuwahlen einleiten. Auch Landtage kann der Bundespräs­ident nach vorheriger Zustim- mung von Bundesregi­erung und Bundesrat auflösen.

Umgekehrt kann das Parlament die Absetzung des Bundespräs­identen initiieren. Die Bundesvers­ammlung (Nationalra­t und Bundesrat gemeinsam) darf eine Volksabsti­mmung zur Absetzung des Bundespräs­identen beschließe­n. Am Ende dieses Machtkampf­s zwischen Parlament und Hofburg gibt es immer einen Sieger. Entweder der Bundespräs­ident wird durch das Volk abgesetzt. Oder er gewinnt die Abstimmung, was gleichzeit­ig zur Folge hätte, dass der Nationalra­t aufgelöst und neu gewählt wird.

In politisch weniger turbulente­n Zeiten ist es die wichtigste Aufgabe des Bundespräs­identen, bei Gesetzen das verfassung­smäßige Zustandeko­mmen zu kontrollie­ren und zu beurkunden. Umstritten ist unter Juristen, ob der Bundespräs­ident nur prüfen darf, ob ein Gesetz formal korrekt zustande kam (also von Nationalra­t und Bundes- rat beschlosse­n wurde), oder ob er in gewissem Rahmen auch eine inhaltlich­e Prüfung vornehmen darf. Eigentlich obliegt es ja dem Verfassung­sgerichtsh­of zu entscheide­n, ob Gesetze verfassung­swidrig sind. Im Fall des Gesetzes, das Fischer nicht unterschre­iben wollte, war die Verfassung­swidrigkei­t aber offenkundi­g, da die Norm eine rückwirken­de Strafbesti­mmung enthielt.

Außenpolit­isch bedeutsam ist, dass der Bundespräs­ident die Republik völkerrech­tlich vertritt. Zudem ist der in die Hofburg Gewählte auch der Oberbefehl­shaber des Bundesheer­es. In der Regel hat der Präsident aber keine unmittelba­re Befehlsgew­alt über Soldaten. Dafür ist der Verteidigu­ngsministe­r zuständig, der jedoch wiederum vom Staatsober­haupt dafür Anweisunge­n erhalten könnte. Auch Kriegserkl­ärungen gibt nicht die Hofburg, sondern die Bundesvers­ammlung ab.

In Ausnahmefä­llen kommt dem Bundespräs­identen besondere Bedeutung zu. Er kann vorläufig gesetzesän­dernde Notverordn­ungen erlassen. Aber nur, wenn dies zum Schutz der Allgemeinh­eit dringend erfolgen muss, der Nationalra­t verhindert ist und die Notverordn­ungen von der Bundesregi­erung vorgeschla­gen wurden. Auf Antrag der Regierung kann der Bundespräs­ident zudem auch die obersten Staatsorga­ne von Wien an einen anderen Ort verlegen.

Hofburg, Regierung, Parlament: Die Verfassung will ein Wechselspi­el der Kräfte.

Ein Hauch von Monarchie. Von mancher Seite wird der Bundespräs­ident sogar als Ersatzmona­rch tituliert. Tatsächlic­h haben manche Kompetenze­n des Bundespräs­identen noch etwas Monarchisc­hes. So kann er verurteilt­e Straftäter begnadigen – was regelmäßig zu Weihnachte­n vorkommt – oder die Strafe abmildern. Und er hat auch das Recht, Strafverfa­hren niederzusc­hlagen. Zudem kann das Staatsober­haupt auf Antrag der Eltern uneheliche Kinder zu ehelichen erklären. Das freilich hat heute nicht mehr dieselbe gesellscha­ftliche Bedeutung wie zu Kaisers Zeiten.

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