Der Präsident: Mächtiger als sein Ruf
Das Staatsoberhaupt darf die Regierung entlassen, Leute aus dem Gefängnis holen und uneheliche Kinder zu ehelichen erklären. Wenn es hart auf hart geht, kann der Bundespräsident Gesetzen die Unterschrift verweigern – oder diese sogar durch Notverordnungen
Mit betont ernster Miene gelobte er die Regierung an. Benita Ferrero-Waldner sprach er zunächst gar fälschlich als „Benito“an. Aus seinem Missmut gegenüber der schwarz-blauen Regierung machte Bundespräsident Thomas Klestil im Jahr 2000 keinen Hehl. Er wollte diese Koalition verhindern. Das gelang ihm nicht, auch wenn Klestil dafür gesorgt haben soll, dass Thomas Prinzhorn und Hilmar Kabas nicht für die FPÖ Minister wurden.
Was Heinz Fischer getan habe, dürfe nicht „Auslöser für eine neue Gangart des Bundespräsidenten“werden, sonst wäre das „schädlich insgesamt“. Zumal der Bundespräsident bisher in seiner Amtsführung repräsentativ war und „nicht operativ Dinge in die Hand“genommen habe. Das sprach 2008 ein gewisser Michael Spindelegger, damals Zweiter Nationalratspräsident (ÖVP). Stein des Anstoßes: Bundespräsident Fischer hatte sich erstmals geweigert, ein Gesetz zu unterschreiben, weil er dieses als offenkundig verfassungswidrig erachtete. Doch ohne Signatur des Staatsoberhauptes kann ein Gesetz nicht in Kraft treten.
Die beiden Beispiele zeigen, dass der Bundespräsident mehr sein kann als nur ein Staatsnotar. Auch wenn seine Macht im Polit-Alltag begrenzt erscheint: Die Hofburg besitzt durchwegs wichtige Machtinstrumente. Kanzler von Hofburgs Gnaden? Das fängt schon bei der Ernennung der Regierung an. Bei der Wahl des Kanzlers ist der Bundespräsident völlig frei, er kann jeden Österreicher ab 18 Jahren zum Kanzler machen. Egal, ob dieser sich überhaupt der Wahl des Nationalrats gestellt hat oder nicht. Bei den Ministern hat zwar dann der Kanzler das Vorschlagsrecht, aber auch hier entscheidet am Ende der Bundespräsident, wen er zum Minister macht.
Und doch muss sich der Bundespräsident gut überlegen, was er tut. Denn die Nationalratsabgeordneten können einen nicht gewollten Kanzler oder Minister per Misstrauensantrag rasch wieder loswerden. Aber auch die Hofburg kann schnell handeln, wenn sie von einer Regierung nicht mehr überzeugt ist. Der Bundespräsident kann von sich aus die gesamte Regierung entlassen. Einzelne Minister auch, aber diesfalls nur auf Vorschlag des Kanzlers.
Man sieht: Es ist ein Wechselspiel zwischen Hofburg, Bundesregierung und Parlament, das die Verfassung auch ganz bewusst so vorgesehen hat. Dadurch soll gewährleistet werden, dass niemand zu mächtig wird. Aber auch soll es möglich sein, etwaige Staatskrisen zu meistern. So kann der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung den Nationalrat auflösen (aber nur einmal aus dem gleichen Anlass) und so Neuwahlen einleiten. Auch Landtage kann der Bundespräsident nach vorheriger Zustim- mung von Bundesregierung und Bundesrat auflösen.
Umgekehrt kann das Parlament die Absetzung des Bundespräsidenten initiieren. Die Bundesversammlung (Nationalrat und Bundesrat gemeinsam) darf eine Volksabstimmung zur Absetzung des Bundespräsidenten beschließen. Am Ende dieses Machtkampfs zwischen Parlament und Hofburg gibt es immer einen Sieger. Entweder der Bundespräsident wird durch das Volk abgesetzt. Oder er gewinnt die Abstimmung, was gleichzeitig zur Folge hätte, dass der Nationalrat aufgelöst und neu gewählt wird.
In politisch weniger turbulenten Zeiten ist es die wichtigste Aufgabe des Bundespräsidenten, bei Gesetzen das verfassungsmäßige Zustandekommen zu kontrollieren und zu beurkunden. Umstritten ist unter Juristen, ob der Bundespräsident nur prüfen darf, ob ein Gesetz formal korrekt zustande kam (also von Nationalrat und Bundes- rat beschlossen wurde), oder ob er in gewissem Rahmen auch eine inhaltliche Prüfung vornehmen darf. Eigentlich obliegt es ja dem Verfassungsgerichtshof zu entscheiden, ob Gesetze verfassungswidrig sind. Im Fall des Gesetzes, das Fischer nicht unterschreiben wollte, war die Verfassungswidrigkeit aber offenkundig, da die Norm eine rückwirkende Strafbestimmung enthielt.
Außenpolitisch bedeutsam ist, dass der Bundespräsident die Republik völkerrechtlich vertritt. Zudem ist der in die Hofburg Gewählte auch der Oberbefehlshaber des Bundesheeres. In der Regel hat der Präsident aber keine unmittelbare Befehlsgewalt über Soldaten. Dafür ist der Verteidigungsminister zuständig, der jedoch wiederum vom Staatsoberhaupt dafür Anweisungen erhalten könnte. Auch Kriegserklärungen gibt nicht die Hofburg, sondern die Bundesversammlung ab.
In Ausnahmefällen kommt dem Bundespräsidenten besondere Bedeutung zu. Er kann vorläufig gesetzesändernde Notverordnungen erlassen. Aber nur, wenn dies zum Schutz der Allgemeinheit dringend erfolgen muss, der Nationalrat verhindert ist und die Notverordnungen von der Bundesregierung vorgeschlagen wurden. Auf Antrag der Regierung kann der Bundespräsident zudem auch die obersten Staatsorgane von Wien an einen anderen Ort verlegen.
Hofburg, Regierung, Parlament: Die Verfassung will ein Wechselspiel der Kräfte.
Ein Hauch von Monarchie. Von mancher Seite wird der Bundespräsident sogar als Ersatzmonarch tituliert. Tatsächlich haben manche Kompetenzen des Bundespräsidenten noch etwas Monarchisches. So kann er verurteilte Straftäter begnadigen – was regelmäßig zu Weihnachten vorkommt – oder die Strafe abmildern. Und er hat auch das Recht, Strafverfahren niederzuschlagen. Zudem kann das Staatsoberhaupt auf Antrag der Eltern uneheliche Kinder zu ehelichen erklären. Das freilich hat heute nicht mehr dieselbe gesellschaftliche Bedeutung wie zu Kaisers Zeiten.