ZUR PERSON
Ted Cruz
kam am 22. Dezember 1970 im kanadischen Calgary als Sohn einer Amerikanerin und eines kubanischen Flüchtlings zur Welt. Dieser Umstand lässt seine Gegner an seiner Berechtigung zur Kandidatur für das Präsidentenamt zweifeln, doch die überwiegende Juristenmeinung hält das für eine Scheindebatte. Cruz wuchs in Houston, Texas, auf und studierte in Princeton und Harvard Jus. Er arbeitete danach ein Jahr lang für eine Anwaltsfirma und engagierte sich für die Waffenlobby NRA sowie im Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Bill Clinton. 2000 schloss er sich der Kampagne von George W. Bush an, dort lernte er seine Frau Heidi kennen. Weil ihm der Juristenposten in Bushs Weißem Haus zu niedrigrangig war, trat er in Washington als stellvertretender Staatsanwalt in den Bundesdienst, ehe er politischer Direktor in der Federal Trade Commission wurde, der US-Wettbewerbsbehörde. Danach trat er in den Dienst des Justizministeriums von Texas, ehe er nach ein paar Jahren bei einer Anwaltsfirma 2012 in den US-Senat gewählt wurde. und mit wem man hier auch spricht, die Leute glauben ihm. Es lässt sie unbekümmert, dass Cruz es mit der Wahrheit manchmal nicht so ernst nimmt. So hat er, wie die „New York Times“in der Woche nach seiner Tour durch Iowa enthüllt hat, zwei Kredite der Wall-Street-Banken Goldman Sachs und Citibank für seine Senatswahlkampagne vor vier Jahren nicht ordnungsgemäß gemeldet. Und dass er nicht müde wird, den Staat an sich zu verdammen, aber mit 45 Jahren in Summe nur rund drei Jahre in der Privatwirtschaft gearbeitet hat, als Anwalt nämlich, der unter anderem den Phar- makonzern Pfizer gegen den Vorwurf der Preistreiberei verteidigt hat, ficht seine Fans auch nicht an. Ein Jackpot namens Heidi. Überhaupt haben die Menschen hier im ländlichen Iowa eine widersprüchliche Einstellung zur öffentlichen Hand: Wer nicht Landwirt ist und somit von Steuersubventionen und dem staatlichen Schutz vor ausländischem Wettbewerb profitiert, arbeitet oft in einer Behörde oder ist Soldat. Dennoch wird der Staat von vielen Leuten hier verteufelt.
Und noch etwas ist seltsam: Wann immer man hier nach der größten Sorge fragt, bekommt man „radikaler Islamismus“als Antwort – doch die meisten Bewohner dieser Ecke von Iowa haben noch nie einen Muslim getroffen, geschweige denn einen Jihadisten. Die mangelnden Jobaussichten für die Jungen, die verheerende Heroinepidemie, das zunehmend launenhafte Wetter in Folge des Klimawandels: Diese Themen werden, wenn überhaupt, erst auf Nachfrage mit Achselzucken erwähnt.
Eine Trumpfkarte von Cruz ist seine Frau. Heidi Cruz lernte ihn im Jahr 2000 kennen, als die beiden für die Kampagne von George W. Bush arbeiteten; ein Jahr später heirateten sie. Die zierliche 43-jährige Blondine wirkt wie das Klischee einer Hausfrau ohne eigene Ambitionen, wenn sie davon schwärmt, wie süß Cruz mit seinen beiden kleinen Töchtern spielt (auch sie werden bei jedem Auftritt vor den Vorhang geholt). Doch dieser Eindruck täuscht gewaltig: Heidi Cruz hat an der Harvard Business School studiert, hat an der Wall Street für JP Morgan gearbeitet, war in Bushs Weißem Haus im Nationalen Sicherheitsrat und danach in Houston Vizepräsidentin von Goldman Sachs. Für den Wahlkampf hat sie sich karenzieren lassen; die „Washington Post“hat neulich zu bedenken gegeben, dass seit Hillary Clinton keine Politikergattin mit derartigen Begabungen sich so diszipliniert hinter ihren Mann gestellt hat. „Wir haben mit Heidi den Jackpot gewonnen“, frohlockt der Kongressabgeordnete Steve King. Ted Cruz lobt King seinerseits als den „gewissenhaftesten konstitutionellen Messerkämpfer im Kongress“.
13 Stunden nach seinem Besuch des Old Rossville Store endet der Tag für Cruz im Wartburg College in Waverly. „Man gewinnt Iowa nur, indem man jeden Wähler einzeln überzeugt“sagt er den mitreisenden Reportern. Er ist, anders als auf der Bühne, ausgesucht freundlich zu ihnen, schlagfertig und witzig. Das macht diesen Politiker so schwer zu fassen: Er ist tief in einem biblischen Erzkonservatismus verwurzelt, der ihn für die meisten Amerikaner unwählbar macht – aber er kann auch gut zuhören und selbst Leuten, die ihn nicht unterstützen, durchdachte Antworten geben. Die 19-jährige Studentin Taylor Vos etwa wird für den sozialistischen Senator Bernie Sanders stimmen. Doch Cruz’ Antwort auf ihre Frage nach der Reform des Strafvollzugs hat sie beeindruckt: „Ich verstehe jetzt, wieso er in Iowa voran liegt.“
Die größte Sorge: der radikale Islam. Doch kaum jemand hier hat je einen Muslim getroffen.