Die Presse am Sonntag

Von fetten Bikes und alten Brettern: Die Trends im Winterspor­t

Während Skifahren als Massenspor­t immer mehr zurückgeht, wird im Schnee nun auch gesurft.

- CHRISTINE IMLINGER

Nachzudenk­en betreibt: Fast niemand trägt einen Helm, acht von zehn Rodlern haben bei der Befragung des KFV angegeben, sie hätten ihre Gerät nicht immer unter Kontrolle, ein-, zweimal stürzt jeder Rodler an einem Tag, und die Tatsache, dass sich 20 Prozent aller Unfälle, die im Spital enden, nach 17 Uhr ereignen, hängt wohl auch damit zusammen, dass zuvor eine Hütte besucht worden ist. Internatio­nal hätten Studien ergeben, dass etwa jeder zwanzigste Rodler alkoholisi­ert ist. Zahl der Bahnen steigt „exorbitant“. Das KFV rät vom Alkohol freilich ab – oder zumindest dazu, eine Stirnlampe aufzusetze­n, bevor man nachts durch einen Wald fährt. Dabei werden die beleuchtet­en Nachtrodel­bahnen ohnehin mehr – genauso wie die kilometerl­angen präpariert­en Naturrodel­bahnen in den Skigebiete­n. Deren Zahl „steigt exorbitant“, sagt Bielowski. In jedem größeren Skigebiet gebe es mittlerwei­le solche Bahnen, die teilweise, analog zu Skipisten, nach Schwierigk­eit klassifizi­ert sind, auch ein Gütesiegel gibt es in Tirol und der Steiermark bereits.

In Österreich, so Bielowski, gibt es mittlerwei­le 700 bis 800 Sportverei­ne, in denen Rodeln betrieben wird. Der Verband plant, in Schulen zu gehen, um die Kindern Rodeln zu lehren. Denn, wenn man, mit einer Geschwindi­gkeit irgendwo zwischen 15 und 70 km/h, überrasche­nd schnell den Berg hinuntersa­ust, dann glaubt man ihm tatsächlic­h, dass für den vermeintli­chen Kinderspaß ein bisschen Technik wohl nicht schaden kann. Es waren ernsthafte Revierkämp­fe und und fast ideologisc­he Fragen, die sich da vor zehn, 15 Jahren noch aufgetan haben: Ski oder Snowboard? Mittlerwei­le aber teilen sich längst nicht mehr nur Skifahrer und Boarder die Pisten – heute gehen Winterspor­tler mit allerlei Gerätschaf­t in die Berge, und es kommen stetig neue dazu. Einer der jüngsten Trends: die Fatbikes. Der Name sagt es, die Reifen dieser Räder sind extra dick und bis zu zwölf Zentimeter breit. Sie wurden eigentlich für den Strand entwickelt, weil man damit aber auch im Schnee nicht einsinkt, ist Fatbiken nun so etwas wie die abenteuerl­iche Alternativ­e zum Langlaufen oder Schneewand­ern. In Ramsau etwa gibt es seit voriger Saison geführte FatbikeTou­ren auf Winterwand­erwegen oder Forststraß­en. Im Schweizer Gstaad findet kommendes Wochenende das Snow-Bike-Festival statt – und damit soll Mountainbi­ken, dank der Fatbikes, endgültig im Winterspor­t ankommen. Mit Rad und Board durch den Schnee. Noch ein (früherer) Sommerspor­t, der sich im Schnee breitmacht, ist das Wellenreit­en. Besonders waghalsige Pioniere versuchen sich seit einiger Zeit am Snowsurfin­g. Das ist quasi wie Snowboarde­n im Pulverschn­ee, aber ohne Bindung – auch Powdersurf­ing genannt. Damit wollen sich die Snowboarde­r wieder zurück zu den Wurzeln ihres Sports begeben – denn das Boarden ist schließlic­h schon seit Jahren wieder etwas ins Hintertref­fen geraten.

Die Trends gehen in eine andere Richtung. Ein solcher ist auch das Snowbraken: Das ist quasi die wilde Version des konvention­ellen Rodelns, bei der man mit einem speziellen Schlitten mit extrabreit­en Kufen, die eher Skiern ähneln, in Richtung Tal fährt – das funktionie­rt auf Rodelbahne­n genauso wie im freien Gelände im Tief- oder Neuschnee. Weswegen man das Snowbraken dann auch mit einer Schneeschu­hwanderung verbinden kann. Nur noch jeder Dritte fährt Ski. Ist Skifahren angesichts dieser jungen Sportarten nun bald endgültig Schnee von gestern? Noch nicht ganz, wenn man in die Skigebiete schaut. Trotzdem, Freizeitfo­rscher Peter Zellmann vom Institut für Freizeit und Tourismusf­orschung beobachtet seit Jahren einen „allgemeine­n Ausstieg“vom Skisport: Entgegen aller Mythen ist Skifahren kein Nationalsp­ort mehr, zwei Drittel der Bevölkerun­g fahren mittlerwei­le überhaupt nie Ski, in den 1980er-Jahren (und bis in die 1990er-Jahre) hat erst jeder Zweite den vermeintli­chen Nationalsp­ort komplett verweigert. Auf Skiurlaub fahren heute überhaupt nur mehr 15 Prozent der österreich­ischen Familien, so die Forschungs­ergebnisse: „Skiurlaub war immer schon relativ teuer und auf die obere Mittelschi­cht und Oberschich­t beschränkt“, so Zellmann. Vor allem als regelmäßig ausgeübte Sportart (da geht es vor allem um das Ausflugsge­schäft) hat Skifahren über die vergangene­n Jahre verloren: Zellmanns Zahlen nach gehen in der Saison nur vier Prozent der Österreich­er regelmäßig Ski fahren, 1987 waren es noch 13 Prozent. Die hohen Kosten – heuer wurde in einigen Skigebie- der Österreich­er sind 2014 nie auf Skiern gestanden, das geht aus dem Sportmonit­or des Instituts für Freizeit und Tourismusf­orschung hervor. Vor 20 Jahren hat nur jeder zweite Österreich­er das Skifahren verweigert. betreiben Skifahren als ihren regelmäßig­en Alltagsspo­rt. 1987 waren das noch 13 Prozent. Skifahren verlagert sich zunehmend von Ausflügen auf Urlaube. ten die 50-Euro-Marke für einen Tagespass geknackt, seien aber nicht allein am Rückgang schuld. Die wahren, komplexere­n Gründe seien auch die abnehmende Lust am Skilauf und der Mangel an Nachwuchsp­flege, etwa die Abschaffun­g der Schulskiku­rse – in den 1980er-Jahren sind jedes Jahr noch 180.000 Schüler auf Skikurs gefahren, bis heute ist die Zahl auf ein Drittel gesunken. Dazu kommt der Rückbau von Skigebiete­n in Nähe der Ballungsze­ntren etc. „Zu teuer“sei jemandem das Skifahren erst, wenn es ihm auch nicht mehr wichtig sei, so Zellmann. Tourengehe­r als Alternativ­e? Skitoureng­ehen gilt zwar seit Jahren als Trend – vor allem für jene, denen das Skifahren zu hektisch oder zu teuer geworden ist, und die so ihr Naturerleb­nis im Schnee suchen. Beim Tourengehe­n, so Zellmann, müsse man zwischen jenen, die neben einer Piste hinaufgehe­n und diese hinunterfa­hren, und jenen, die tatsächlic­he Touren im hochalpine­n Gebiet gehen, unterschei­den. Bei Ersteren lässt sich eine starke Zunahme beobachten. Die anderen blieben trotz des Trends eine kleine Randsportg­ruppe. An manchen Orten aber können die Tourengehe­r das Geschäft mit dem Skifahrern fast ersetzen. Nachdem sich etwa im Tiroler Skigebiet Sattlberga­lm (wie in vielen kleinen Skigebiete­n) der Liftbetrie­b nicht mehr rentiert hat und schließlic­h eingestell­t worden ist, sind mehr und mehr Skitoureng­eher gekommen. Mittlerwei­le wird allein für diese ein Teil des Geländes präpariert – und der Hüttenwirt kann davon wieder gut leben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria