Die Presse am Sonntag

Hoch, höher, Hügelbeet

Das heute so beliebte Hochbeet ist letztlich das Abbild einer uralten Kulturtech­nik, wobei das Fragwürdig­ste daran die hölzerne Konstrukti­on selbst ist.

- VON UTE WOLTRON

Nach gut sechs Jahren haben die braven hölzernen Einfassung­en der Gemüsebeet­e ihren Geist wie zu erwarten aufgegeben. Zuletzt waren sie Heimstatt von Pilzen, Mikroorgan­ismen und anderen Winzlingen gewesen, kurzum, sie waren komplett vermorscht. Nunmehr fielen sie einem lustigen Lagerfeuer anheim. Danach blieben nur noch Asche und vom Feuer blank geleckte Winkeleise­n übrig. Beides kann wiederverw­endet werden, denn, wie schon die Urgroßmutt­er befriedigt sprach, als sie den nach dem Saustechen vermissten ledernen Fingerling später in der Blutwurst wiederfand: „Bei einer guten Hausfrau geht eben nichts verloren.“

Das gilt auch für uns Gärtner. Die Holzasche kommt als Dünger auf die Beete, für die Winkeleise­n wird sich ebenfalls wieder Verwendung finden. Ob sie jedoch abermals Hölzer als Bordüre für Gemüsebeet­e in den rechten Winkel rücken werden, bezweifle ich. Chinesen haben es erfunden. Das nur vermeintli­ch in den vergangene­n Jahren erfundene, um sündige Summen in Bau- und anderen Märkten feilgebote­ne Hochbeet aus zwar weniger schnell, doch irgendwann doch verrottend­em Lärchenhol­z ist letztlich das modische Abbild einer uralten Kulturtech­nik. Tatsächlic­h hat man in China bereits vor gut 4000 Jahren in erhöhten Beeten Gemüse gezogen. Die Ränder wurden festgeklop­ft und sonst nicht befestigt. Die Dinger hielten trotzdem und bewährten sich.

Auch die Römer und Griechen befleißigt­en sich erhöhter Beete, und bis ins Mittelalte­r hinein war es in Europa üblich, die Außenkante­n mit in die Erde gesteckten Kieferknoc­hen größerer Tiere zu befestigen, deren knubbelige Gelenksend­en als Ornament angesehen wurden. Auch in Amerika arbeiteten praktisch alle sesshaften indigenen Völker – sowohl Nord- als auch Lateinamer­ikas – mit erhöhten Beeten, und das schon Jahrhunder­te, wenn nicht Jahrtausen­de bevor der spanische Zerstörer Hernan´ Cortes´ ab dem Jahr 1519 das blühende mexikanisc­he Aztekenrei­ch dem Erdboden gleichmach­te. In der damals sumpfigen Ebene des heutigen Mexico City hatten die Azteken ein raffiniert­es Hochbeetsy­stem ersonnen: Sie türmten die Erde in dem sumpfigen Areal zu erhöhten Beeten auf. Diese waren mit einem Geflecht aus Wacholderh­olz und Teichbinse­n rundum befestigt.

Als weitere Befestigun­gsmaterial­ien für erhöhte Beete dienten im Lauf der Geschichte je nach Region gesinterte Ziegel und andere nicht poröse Keramiken, Steine, ja sogar fragwürdig­erweise Blei, wie im England des 17. Jahrhunder­ts. In Gegenden mit aktiven Vulkanen wie Hawaii, Neuseeland und auf den Kanaren bot sich als Beeteinfas­sung logischerw­eise Lavagestei­n an, und dieses wurde auch verwendet. Da fällt mir ein, dass die Gegend hier das Steinfeld genannt wird, und möglicherw­eise werde ich diese Idee aufgreifen und auf das hier reichlich in jedweder Größe und Form vorhandene namensgebe­nde Material zurückgrei­fen. Mal sehen.

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Ernst Weingartne­r/ picturedes­k.com Hochbeete: heute in Holz, früher einmal auch ohne.

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