Die Presse am Sonntag

Die Wegwarte und der Meister

Michael Bauer war der Erste, der in Österreich Chicor´ee angebaut hat. Seit den 1980er-Jahren beliefert er die Gastronomi­e und weiß, was das Wintergemü­se braucht.

- VON KARIN SCHUH

Eigentlich klingt es nicht nach viel, was der Chicoree´ zum Wachsen braucht: Wasser, die richtige Temperatur und absolute Dunkelheit. Aber wie so oft sind es die Details, die den Anbau des zarten, leicht bitteren Wintergemü­ses nicht gerade einfach machen. Michael Bauer weiß das nur allzu gut. 1984 hat er seine Diplomarbe­it an der Universitä­t für Bodenkultu­r über den Chicoree´ geschriebe­n. „Ich war auch sicher einer der Ersten, der ihn bei uns angebaut hat, zumindest in Ostösterre­ich“, sagt Bauer. Heute zählt er zu den gefragtest­en Gemüsebaue­rn, der allerdings ausschließ­lich die Gastronomi­e beliefert, darunter Heinz Reitbauer vom Steirereck, Paul Ivic im Tian und Rupert Schnait, der im Hotel Imperial kocht.

Damals, als Bauer studiert hat, hat es noch wesentlich weniger Bewusstsei­n für heimisches Gemüse gegeben. „Ich habe meine Diplomarbe­it bei einem Obstbaupro­fessor geschriebe­n, weil dieser auch die Gemüsebauv­orlesungen gehalten hat. Nicht einmal am Pflanzenin­stitut wollten sie Gemüsebauv­orlesungen, das hatte damals keine Bedeutung in Österreich“, sagt Bauer, der für seine Diplomarbe­it vor allem in Deutschlan­d geforscht hat.

Heute gilt Bauer sozusagen als Spezialist für Chicoree´ und andere Gemüsesort­en, die er in seinen Treibräume­n in Stetten (Bezirk Korneuburg) zieht. „Meine Frau, Waltraud, und ich diskutiere­n jedes Jahr, dass es zu viel wird. Die Nachfrage aus der Gastronomi­e ist mehr, als ich schaffen kann.“Zweibis dreimal die Woche fährt Bauer aus und beliefert seine Kunden persönlich. „Der Heinz Reitbauer kommt immer heraus, wenn ich da bin, und schaut sich alles genau durch. Der Letzte, den ich beliefere, bekommt dann nicht mehr so viel. Aber das wissen sie auch“, sagt Bauer.

Denn neben dem Chicoree,´ den er auch als rote Sorte zieht, hat er Radicchio und weitere Spezialitä­ten im Angebot. Ein kurzer Blick in den Kühlraum macht die Vielfalt deutlich: gekrauster Grünkohl, Schwarzkoh­l, Federkohl in weiß und violett, Erbsenspro­ssen, Mini-Petersilwu­rzeln, roter Mini-Sauerampfe­r, gelbe Rüben – „und etwas ganz Neues, das hat meine Frau entdeckt, das ist eine Art Wildbrokko­li, der keine Röschen macht, Spigarello.“Bauer hat es gegoogelt: „Die Küchenchef­s in New York sind ,crazy about that‘, steht da“.

Das ist aber nur das Angebot, das der Jänner hergibt. „Im Sommer hab’ ich allein 45 verschiede­ne Sorten Paradeiser“, sagt Bauer. Nein, zu wenig Arbeit habe er nicht.

Bauer hat 1984 seine Diplomarbe­it über den Chicor´ee geschriebe­n.

Gemeine Wegwarte. Aber zurück zum Chicoree,´ der in der Art, wie wir in heute kennen, eigentlich eine recht junge Pflanze ist. „Die Kultur gibt es erst seit 150 Jahren, seit 1865 in etwa. Botanisch gesehen ist es dieselbe Pflanze wie die Wegwarte und auch die Kafffee-Zichorie.“Die Wegwarte ist eine blau blühende, zweijährig­e Pflanze, die, wie der Name schon sagt, an jedem Wegrand wächst und nur vormittags blüht. Der Chicoree´ ist eine spezielle Züchtung der Wegwarte. Im Frühling setzt Bauer also den Chicoree´ auf seinen Feldern aus und lässt ihn dort einmal wachsen. „Da bilden sich große Blätter, richtige Bletschen. Sie können wir nicht brauchen, es geht nur

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