Des Chicoree´
um die Stoffe, die bei der Assimilation gebildet werden. Diese gehen alle in die Rübe, das ist das Speicherorgan.“Das ist auch das Geheimnis, warum der Chicoree´ nur Wasser und keine Erde braucht, aber dazu später mehr.
Im September fährt Bauer mit dem Häcksler über das Feld. Die Rüben werden geköpft, die Knospe darf dabei nicht verletzt werden, sie braucht er später noch. Danach werden sie ausgegraben und bei null Grad gelagert. „Den Kälteschock braucht die Rübe, damit sie weiß, dass Winter ist, sonst würde sie später nicht mehr wachsen.“ Wachsen im Dunkeln. Bauer hat etwa 200.000 Rüben auf einem Hektar angebaut, damit kommen er und seine Kunden gut 20 Wochen lang aus. „Chicoree´ ist ja eigentlich ein Wintergemüse.“Ab November geht es dann mit der Chicoreeproduktion´ los. Und diese macht deutlich, dass eine Pflanze, die nur Wasser, die richtige Temperatur und Dunkelheit braucht, ganz schön anspruchsvoll sein kann. Der Chicoree´ kommt in einem Treibraum, in dem es stets zwischen 19 und 21 Grad Celsius hat und absolut finster ist. Bauer Christian Gottlieb Förster berichtete in seiner 1773 erschienen „Geschichte von der Erfindung des Cichorien-Caffee“von einer an Gallenfieber leidenden Dame, die durch einen einfachen, aber wirksamen Rat ihres Arztes geheilt wurde. Dieser empfahl ihr, die abgekochten Wurzeln der Zichorie zu essen sowie einen Tee der Wurzel zu trinken. Die Sache hatte nur einen Haken: Der Dame schmeckte das Gebräu nicht. Also experimentierte Förstel, gemeinsam mit dem Offizier von Heine, über den er die Dame kannte, an einem wohlschmeckenden Zichorienkaffee. Seitdem gelten die beiden als die Erfinder des Zichorienkaffees, dessen Zutat wesentlich leichter zugänglich war. Auch später, vorwiegend zu Kriegszeiten, wurde auf den Kaffeeersatz zurückgegriffen.
Heute noch ist der koffeinfreie Zichorienkaffee erhältlich, etwa als Mischung mit Gerstenmalz, Gerste und Roggen von Linde’s oder Caro (beide gehören mittlerweile zu Nestle).´ Den Nimbus vom Ersatzgetränk aus Krisenzeiten hat zumindest der blau getupfte Linde’s nie ganz verloren. steckt dazu rund fünf Chicoreerüben´ in einen einfachen Blumentopf – ohne Erde. Die Töpfe wiederum kommen in Plastikkisten, die mit ein paar Zentimetern Wasser gefüllt sind. Und dort wachsen sie dann in der Dunkelheit vor sich hin. Drei Wochen dauert es, bis Bauer das zarte Gemüse ernten kann. „Wenn es nur ein paar Grad weniger hat, brauchen sie gleich drei Wo- chen länger.“Auch die Luftfeuchtigkeit muss stimmen.
Die Konstruktion mit den Blumentöpfen und Plastikkisten hat Bauer erst heuer eingeführt. Früher hat er ein kompliziertes System installiert, bei dem das Wasser in einem Kreislauf durch die verschiedenen Kisten rinnt. „Mein Treibraum ist winzig, in Belgien, Holland, Deutschland und Frankreich gibt es ganze Hallen. Dort verwenden sie auch solche Treibkisten, durch die das Wasser rinnt. Das mache ich aber nicht mehr, weil es auch so funktioniert. Mit den kleinen Kisten spar’ ich mir viel.“
Die Pflanze braucht also keine Erde, „weil alle wichtigen Stoffe in der Rübe gespeichert sind“. Die Dunkelheit sorgt dafür, dass die Pflanze sprießt, das Licht sucht und so eine blasse, zarte Blattrosette entwickelt. „Sobald Licht dazu kommt, beginnt sich Chlorophyll zu bilden und die Blätter würden grün werden. Das ist auch in der Supermarktvitrine so, deshalb schmeckt er dann nicht mehr so zart, wird bitterer und bekommt einen grasigen Geschmack.“
Geerntet wird der Chicoree,´ indem Bauer das Blattgemüse von der Wurzel abbricht. „Das ist besser als zu schneiden, weil dann keine Zelllinie aufgerissen wird.“Die Rübe selbst „ist damit erledigt“, sagt Bauer und wirft sie in einen großen Behälter. „Die wird kompostiert, sie schmeckt total bitter.“Wobei sich auch schon an ihr diverse Köche – etwa die Brüder Obauer – versucht haben. Das sind aber die Ausnahmen, die meisten bleiben doch lieber dabei, was ihnen der Chicoree-´ Meister anbietet.
Der Chicor´ee braucht nur Wasser, die richtige Temperatur und Dunkelheit.