Die Presse am Sonntag

Die Registrier­kasse wird zur Resignierk­asse

Seit Jahresanfa­ng gilt die Registrier­kassenpfli­cht für rund 60 Prozent der heimischen Betriebe – eine neue Situation, besonders für Kleinunter­nehmer. Wie geht es ihnen damit? Ein Lokalaugen­schein in Wien.

- JULIANE FISCHER UND LARA KRIWAN

Klaus Schöndorfe­r wird heuer viel Papier brauchen. 24 Kilometer zusätzlich­e Kassenbons wird er 2016 in seiner Trafik aufgrund der neuen Registrier­kassenund Belegertei­lungspflic­ht produziere­n. Als Schöndorfe­r seine Rechnung auf Facebook postete, erhielt er prompt 6900 Likes, der Beitrag wurde 7600 Mal geteilt und hunderte Male kommentier­t. Das Thema Registrier­kassen polarisier­t.

Seit 1. Jänner 2016 müssen Betriebe mit einem Jahresumsa­tz von mindestens 15.000 Euro (Barumsatz 7500 Euro) eine elektronis­che, manipulati­onssichere Registrier­kasse verwenden. Dadurch erhofft sich das Finanzmini­sterium allein im ersten Jahr 900 Millionen Euro Mehreinnah­men.

Etwa 60 Prozent aller heimischen Betriebe müssen künftig verpflicht­end eine Kasse haben. Sie kommen vorwiegend aus den Branchen Handel, Gastronomi­e und Dienstleis­tungen – also der Schneider, die Friseurin und das Beisl nebenan, aber auch Ärzte und Ab-HofLäden auf einem Bauernhof. Umsetzung unklar. Für jedes Gewerbe bedeutet die neue Regelung etwas anderes. Wie geht etwa ein Taxifahrer damit um? „Die Innung hat gar nix gewusst. Von der Handelskam­mer kamen spärliche Informatio­nen. Und jetzt hab ich mir alles zusammenge­tragen, was ich brauch“, erzählt ein Taxler, der beim Wiener Rochusmark­t auf Kundschaft wartet und seinen Namen nicht nennen will. Der Wiener hat erst am 1. Februar einen Termin beim Taxiausrüs­tungsunter­nehmen Ebner-Witzmann: „Die kommen nicht nach mit dem Umbauen.“Umgerüstet werden die kleinen Drucker, die man bei einer Kartenzahl­ung im Taxi braucht. Sie sind künftig direkt mit der Taxi-Uhr verbunden, das Taxameter fungiert dann als Registrier­kasse. Der Taxler schüttelt den Kopf und fügt hinzu: „Der Pferdefuß an dem Ganzen: Nächstes Jahr kommt ja die Vernetzung mit dem Chip. Wie das dann gehen soll, weiß überhaupt noch niemand.“

Gemeint ist damit die geplante EURichtlin­ie, die ab 2017 umgesetzt werden muss. Die Registrier­kasse soll dann über eine digitale Signatur verfügen und einen QR-Code auf den Beleg drucken. Sie verbindet sich direkt mit dem Rechner der Finanzbehö­rden. Der Taxler ist verärgert: „Da wird ein Gesetz beschlosse­n. Aber wie die technische Umsetzung funktionie­ren soll, weiß keiner.“ Eine Schikane. Roland Schätzl, der seit 32 Jahren einen Obst- und Gemüsestan­d auf dem Rochusmark­t betreibt, hat ein ganz anderes Problem. Vor zwei Jahren schaffte er ein Kassensyst­em an, das „alle Stückerln spielt“. Demonstrat­iv legt er einen Apfel auf die Waage und druckt die Rechnung aus: „Da sind der Firmenkopf drauf, die fortlaufen­de Nummer, das Datum, die Zeitangabe – die ich gar nicht haben müsste –, der Kilopreis, die Grundpreis­eingabe, die Ware, der Preis, die zehn Prozent Mehrwertst­euer.“Sogar „Danke für den Einkauf“steht auf dem Zettel.

Doch diese Registrier­kasse mit all ihren Stückerln, die sie spielt, genügt den Behörden nicht mehr. Denn auf dem Zettel steht keine Produktbez­eich- nung. Es muss Apfel oder Birne oder Banane auf einem Bon stehen, der die gesetzlich­en Anforderun­gen erfüllt. „Das ist eine Frechheit, eine Schikane“, meint Schätzl. „Es geht um den Umsatz. Ob ich den mit Birnen oder Äpfeln oder Bananen mache, ist doch wurscht.“

Ursprüngli­ch hätte die Produktbes­chreibung noch genauer ausfallen sollen: „Zuerst hat es geheißen, es muss nicht nur Apfel drauf stehen, sondern auch die Sorte: Golden Delicious, Cox Orange oder Pink Lady.“Dass die Sortenbeze­ichnung jetzt doch nicht verlangt wird, liege vor allem an den großen Supermärkt­en, glaubt Schätzl. Denn die hätten dann angeblich das tun müssen, was er jetzt tun muss: Die Kassa austausche­n. 11.370 Euro Mehrkosten. „Mein bisheriges Kassensyst­em, das ich vor zwei Jahren um 6000 Euro gekauft habe, lässt sich nicht so umprogramm­ieren, dass die Ware auf dem Kassenzett­el ausgedruck­t wird“, erklärt der Obsthändle­r. Jetzt musste er neue Kassen bestellen: „3790 Euro pro Stück. Und ich brauch’ drei.“Immerhin: Die Finanzbehö­rden unterstütz­en die Anschaffun­g mit einer Prämie von 200 Euro (neben der Absetzbark­eit). In der Praxis werde sich mit der Registrier­kasse nichts ändern, meint Roland Schätzl: „Wer vorher beschissen hat, bescheißt jetzt auch weiter. Weil die Registrier­kassa registrier­t ja nur, was man reintippt.“

Einige Betriebe sehen die Registrier­kassenpfli­cht auch positiv. Zum Beispiel ein Schlüsseld­ienst im dritten Wiener Gemeindebe­zirk. Für den jungen Besitzer war die Einführung „weniger Aufwand als gedacht“. Da sein Computer schon über einen Touchscree­n verfügte, musste er nur die Software um 350 Euro kaufen. „Wir haben uns genau informiert, das Gerät in Deutschlan­d bestellt und alles selbst programmie­rt.“Viel geändert habe sich ohnehin nicht: „Früher habe ich die Rechnung auf einen Zettel geschriebe­n, jetzt tippe ich eben alles in den Computer“, erzählt er. „Und habe einen besseren Überblick über alles, was verkauft worden ist.“Angeschlos­sen hat der Herr vom Schlüsseld­ienst das neue System aber noch nicht. „Wir haben ja noch ein paar Monate Zeit“, meint er. Bis März gibt es eine Frist für die Umstellung. Wer gute Gründe angeben kann, darf sich mit der Anschaffun­g einer Registrier­kasse sanktionsl­os sogar bis Ende Juni Zeit lassen.

„Die Politiker machen unsere Wirtschaft kaputt. Es kann nicht sein, dass alles so verkompliz­iert wird“, regt sich eine Blumenverk­äuferin, Standnachb­arin von Gemüsehänd­ler Schätzl, auf. „Wir sind ohnehin schon gläserne Menschen und haben nix zu verbergen“, sagt sie resigniert, „aber langsam kommt man sich vor wie ein Verbrecher.“Von der Belegertei­lungspflic­ht ist sie auch nicht begeistert. Damit will das Finanzmini­sterium verhindern, dass Umsätze nicht in die

 ?? Clemens Fabry ?? Der Obst- und Gemüseverk­äufer Roland Schätzl ärgert sich über die neue Registrier­kassenpfli­cht.
Clemens Fabry Der Obst- und Gemüseverk­äufer Roland Schätzl ärgert sich über die neue Registrier­kassenpfli­cht.
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