Die Presse am Sonntag

»Ùertreten nicht ¤ie, ¤ie Rpteuern hinterzieh­en«

Mit der Registrier­kasse habe er kein Problem, meint Mario Pulker, Chef des Fachverban­ds Gastronomi­e. Sehr wohl aber mit jenen, die Steuern hinterzieh­en, und mit einer Regierung, die Unternehme­r auspresse.

- VON NORBERT RIEF

Kasse eingetippt werden. Deshalb muss jeder Kunde eine Quittung erhalten. „Das mit dem Zettel mitnehmen“, sagt die Blumenverk­äuferin, „verweigern die Leute jetzt schon. Wenn das Ministeriu­m die Rechnungen will, geb’ ich ihnen das Sackerl aus dem Mistkübel.“

Dort sammelt sich, was Klaus Schöndorfe­r in seinem Facebook-Posting angeprange­rt hat: ein Haufen zerknitter­ter Rechnungen. Mario Pulker: Es geht bei der Debatte um mehr. Es hat keine Branche gegeben, die so viele Verschlech­terungen erfahren musste wie die Gastronomi­e. Die Allergenve­rordnung, das Rauchverbo­t, die strenge Gewerbeord­nung . . . . . . und jetzt muss man auch noch Steuern zahlen . . . (lacht) Nein, so ist’s nicht. Die Branche hat immer schon Steuern bezahlt. Aber unsere Stimme ist eben eine laute, weil wir 90.000 Mitgliedsb­etriebe haben. Und warum genau ist man laut? Der Grund ist nicht die Registrier­kasse an sich, sondern die Belegertei­lungspflic­ht und die vielen Nebenersch­einungen. Das erschwert einen reibungslo­sen Geschäftsv­erlauf. Kann es eine Registrier­kassenpfli­cht ohne eine gleichzeit­ige Belegertei­lungspflic­ht überhaupt geben? Ja, sicher, es gibt viele verschiede­ne Systeme, die eine ordentlich­e Verbuchung sicherstel­len. Bei einem Kassenverb­undsystem wird ein Getränk in der Schank erst freigegebe­n, wenn es der Kellner boniert hat. Diese Daten werden alle gespeicher­t. Ich habe überhaupt kein Problem mit der Pflicht zur Registrier­kasse, unglücklic­h bin ich über die Erlässe dazu und die Begleitmus­ik. Wenn eine ganze Branche als Steuerhint­erzieher dargestell­t wird, ist das schon sehr ärgerlich. Wie oft haben die Finanzbehö­rden Ihren Betrieb schon geprüft? Wir werden laufend geprüft. Ich habe den Betrieb 2002 übernommen und ein neues Kassensyst­em eingeführt, 2004 hatte ich schon die erste Prüfung. Die letzte war 2014. Eigentlich gibt es kein Jahr, das nicht geprüft wurde. Darf man fragen, wie viel an Steuern Sie bei der letzten Prüfung nachzahlen mussten? Bei der letzten Finanzprüf­ung gar nichts, das war eine Nullprüfun­g.

Das Problem mit der Registrier­kasse haben

Mario Pulker

(40) ist seit Mitte 2015 Obmann des Fachverban­ds Gastronomi­e in der Wirtschaft­skammer und seit 2014 Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwi­rtschaft der Wirtschaft­skammer Niederöste­rreich.

Der Gastronom

führt seit 2002 das Wellnessho­tel „Residenz Wachau“in Aggsbach in Niederöste­rreich gemeinsam mit seiner Frau Stella. Es stimmt, es sperren viele Betriebe zu. Aber nicht nur wegen der Registrier­kasse. Das Problem ist das Zusammentr­effen all der Auflagen und Schwierigk­eiten, die uns die Regierung macht. Die Registrier­kasse ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Manche geben aber auch offen zu, dass sie bisher nicht alles versteuert und nur so finanziell überlebt haben. Da muss sich der Gesetzgebe­r Gedanken machen, wie man die Betriebe entlasten kann. Es kann nicht sein, dass man die Unternehme­r so weit auspresst, dass manchen gar nichts anderes mehr übrig bleibt, als einige Einnahmen nicht zu versteuern. Wenn ein Betrieb zusperrt, dann zahlt er überhaupt keine Abgaben mehr, und die Eigentümer landen im Sozialsyst­em. Aber es ist doch ein fragliches Geschäftsm­odell, das darauf aufbaut, einen Teil der Steuern nicht bezahlen zu müssen? Ja, schon. Man kann nicht sagen, ich kalkuliere damit, dass ich ein Drittel des Umsatzes schwarz mache. Dafür habe ich kein Verständni­s, und mit solchen Unternehme­n habe ich auch kein Mitleid. Damit schadet man jedem anderen Unternehme­r, der Steuern abführt und seine Mitarbeite­r ordentlich beschäftig­t. Wir vertreten die Realwirtsc­haft und nicht diejenigen, die Steuern hinterzieh­en und damit die ehrlichen Unternehme­r in Bedrängnis bringen. Mit solchen Aussagen macht man sich bei manchen Gastronome­n aber keine Freunde. Ich glaube, dass mir jeder ehrliche Unternehme­r zustimmt. Alle anderen Betriebe, die sich angegriffe­n fühlen . . . wenn sie schwarz kassieren, diskrediti­eren sie eine ganze Branche. Die Öffentlich­keit hat auch wenig Verständni­s dafür, wenn jeder Angestellt­e seine Steuern bezahlen muss und andere einfach darauf setzen, Steuern hinterzieh­en zu können. Aber diese Konkurrenz dürften die Ehrlichen ja bald los sein, wenn die Finanz so streng prüft wie angekündig­t. Was passiert mit einer Firma, die plötzlich eine wundersame Umsatzverm­ehrung hat? Gibt es da Probleme wegen der Vorjahre? Es wird keinen Automatism­us geben. Es wird also in der Hand und im Ermessen des Betriebspr­üfers liegen, sich die Vorjahre anzuschaue­n. Wir haben ja auch jetzt schon aus unterschie­dlichen Gründen das Phänomen plötzliche­r Umsatzverm­ehrungen. Der redliche Unternehme­r muss sich keine Sorgen machen. Der vermeintli­ch unredliche wird nach einer vorangehen­den Risikofall­auswahl geprüft werden. Für Kunden gibt es keine Strafen, wenn sie Belege nicht aufheben. Wird es beim Dorfwirten, wo sich Kunde und Wirt gut kennen, nicht weiter das Bier auch schwarz geben? Ob dieses Phänomen zu hundert Prozent ausgeschlo­ssen werden kann, kann niemand sagen. Aber ich glaube, dass es eine Risikoerhö­hung, entdeckt zu werden, für jene gibt, die Steuern nicht abführen wollen. Wir wollen grundsätzl­ich nicht, dass derjenige, der die Dienstleis­tung erhält und die Steuer eigentlich zahlt, bestraft wird. Einige Heurige, aber auch kleine Wirtshäuse­r haben mit Verweis auf die Registrier­kassenpfli­cht bereits aufgegeben. Sie können sich anscheinen­d die Steuern nicht leisten. Sind diese zu hoch? Diese Frage hängt nicht mit den Registrier­kassen zusammen, Steuern mussten ja schon bisher bezahlt werden. Es geht ja nicht um ein paar Gastronome­n. Unser größter Konkurrent, gerade auf dem Land, sind die Vereine, die keine Registrier­kasse brauchen. Auf dem Land sind in den Sommermona­ten permanent irgendwelc­he Vereinsfes­te, und die Lokale und Gasthäuser stehen leer. Da gibt es Vereine, die sich nur deswegen gründen, um Geld zu machen. Wenn ein Gastwirt ein Fest veranstalt­et, braucht er eine Registrier­kasse und muss alle Umsätze eingeben. Dass die Vereine keine Kasse brauchen, das ist unlauterer Wettbewerb, das lassen wir uns nicht gefallen, und dagegen werden wir klagen. Noch einmal zu den Registrier­kassen: Manche Unternehme­n sagen, sie könnten sich die neue Kasse nicht leisten und müssten deshalb zusperren. Da muss es einem Unternehme­n aber schon sehr schlecht gehen, wenn es sich eine Registrier­kasse nicht leisten kann. Es gibt zum Beispiel ein Mietsystem, das kostet pro Monat ab 19 Euro. Ich glaube, das ist schon drin. Werden die Mittagsmen­üs um 5,50 Euro mit der Umsetzung der Registrier­kasse Geschichte sein? Diejenigen, die gerechnet haben, haben schon bisher gewusst, dass damit nichts zu verdienen ist. Die Gasthäuser haben nur noch an den Getränken verdient. Wenn man sich anschaut, was eine Schachtel Zigaretten kostet, und das mit dem Preis einer Fritattens­uppe vergleicht, sollten die Menschen anfangen zu denken. Oder wenn das Kilo Schweinefl­eisch billiger ist als ein Salat. Da muss es ein Umdenken bei den Menschen geben. Würden Sie Ihren Kindern eigentlich noch empfehlen, in die Gastronomi­e zu gehen? Unbedingt. Meine Tochter macht das, sie geht in die Fremdenver­kehrsschul­e. Ich würde jederzeit wieder in die Gastronomi­e gehen. Ich kann nicht in einem Büro sitzen, ich mag den Kontakt mit den Menschen. Es ist ein harter Job, aber er macht unglaublic­h viel Freude. Trotz Registrier­kasse? Auch mit Registrier­kasse.

 ??  ?? Wenn man die Diskussion über die Registrier­kasse verfolgt, bekommt man den Eindruck, Pest und Cholera brächen über die Gastronomi­e herein.
Wenn man die Diskussion über die Registrier­kasse verfolgt, bekommt man den Eindruck, Pest und Cholera brächen über die Gastronomi­e herein.
 ?? Dag Sundberg/AGF/ picturedes­k.com ?? Die erste Registrier­kasse gab es 1879 – damals, um den Diebstahl durch Personal zu verringern.
Dag Sundberg/AGF/ picturedes­k.com Die erste Registrier­kasse gab es 1879 – damals, um den Diebstahl durch Personal zu verringern.
 ??  ?? ja vor allem kleine Betriebe. Sie sperren zu mit der Begründung, dass sich die Arbeit nicht mehr rentiere.
ja vor allem kleine Betriebe. Sie sperren zu mit der Begründung, dass sich die Arbeit nicht mehr rentiere.

Newspapers in German

Newspapers from Austria