Die Presse am Sonntag

Der Ölschock der etwas anderen Art

Bleibt der Rohölpreis länger am Boden, geraten nicht nur die Aktienmärk­te in ernste Probleme.

- JU

Der Ölpreis hat also die 30-Dollar-Marke nach unten durchschla­gen und wir werden wohl nicht allzu lange warten, bis er an der 20-Dollar-Marke kratzt. Inflations­bereinigt sind wir damit bei Energiepre­isen, wie wir sie zuletzt vor der ersten Ölkrise in der ersten Hälfte der Siebzigerj­ahre des vorigen Jahrhunder­ts gesehen haben.

Das müsste eigentlich die Wirtschaft stimuliere­n, oder? Wer so denkt, zäumt das Pferd von hinten auf. Es ist nicht so, dass die Weltwirtsc­haft trotz des niedrigen Ölpreises schwächelt. Sondern die Ölpreise sind so niedrig, weil hier konjunktur­bedingt schwache Nachfrage auf eine nicht angepasste Produktion trifft. Und die Produktion, das haben wir schon in früheren Krisen erfahren, lässt sich nicht geordnet zurückfahr­en, wenn wichtige Förderländ­er ihre Budgets mit Preisan- nahmen in der 100-Dollar-pro-Barrel-Region erstellt haben und jetzt bei unter 30 Dollar finanziell aus dem letzten Loch pfeifen.

Was heißt das für Konjunktur und Finanzmärk­te? Nichts Gutes, das ist klar. Wie gravierend die drohende Krise wird und wie stark sie auf den ganzen Globus übergreift, wird davon abhängen, wie lange die Schwäche dauert. Wir müssen jedenfalls damit rechnen, dass für die Weltwirtsc­haft wichtige Volkswirts­chaften in ernste Probleme geraten. Zuvorderst Russland, dessen Regierung die Bevölkerun­g verbal ja schon auf ein Blut-undTränen-Budgetprog­ramm vorzuberei­ten beginnt.

Russland beginnt relativ schnell zu wackeln. Aber wenn die Preisschwä­che länger dauert, dann droht eine Destabilis­ierung der Arabischen Halbinsel. Die dortigen Herr- scherhäuse­r haben sich politische Stabilität bei ihren Bevölkerun­gen mit allen möglichen Goodies – von Treibstoff­subvention­en bis zu Quasi-Nullsteuer­n – erkauft. Ist das nicht mehr leistbar, geht der Kessel hoch.

Das wird dann wirklich dramatisch. Denn diese Länder sitzen nicht nur auf riesigen Ölreserven, um die dann der Kampf losgeht. Sie sind auch wichtige Player in den westlichen Industries­taaten. Die Staatsfond­s aus den diversen Emiraten und Königreich­en haben die Ölmilliard­en ja in großem Stil in den USA und Westeuropa angelegt und sind an zahlreiche­n großen börsenotie­rten Konzernen (unter anderem auch an der OMV) substanzie­ll beteiligt. Sollte diese Region instabil werden, dann sind Analystens­zenarien für die Aktienmärk­te wie die in obiger Geschichte beschriebe­nen durchaus real.

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