Die Presse am Sonntag

Das Geschäftsm­odell Integratio­n

Das Sozialunte­rnehmen Refugeeswo­rk.at will Volontaria­te für Flüchtling­e vermitteln – und so die Integratio­n in den Arbeitsmar­kt bereits vor Erhalt des Asylbesche­ids ermögliche­n.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Dominik Berons Unternehme­n ist ein Kind seiner Zeit. Genau wie sein Gründer. Und genau wie dessen allererste­s Projekt. Doch von Beginn an: Der 24-jährige Jus-Doktorand startete noch während seines Magisterst­udiums das Unternehme­n Alltagshel­den, das Freiwillig­e mit Know-how und gemeinnütz­ige Organisati­onen zusammenbr­ingt, um diesen so normalerwe­ise unleistbar­e Projekte zu ermögliche­n. Aus eigener Not heraus, wie er erzählt. Den Juristen störte, dass er nur Zeit oder Geld spenden konnte, nicht aber Fachwissen. Im Frühjahr 2015 gründete er mit seinen zwei Freunden, dem Volkswirt Jacob Wagner und dem Programmie­rer Christoph Hauer, flugs besagtes Alltagshel­den, Ende September lief der Betrieb an. Seitdem vermittelt­e man freiwillig­e Arbeit im Wert von 80.000 Euro.

Irgendwann im Laufe der Kundenakqu­irierung kam ein Firmenchef auf die drei zu. Warum man eigentlich keine Stellen für Flüchtling­e vermittle? Er würde sofort einen aufnehmen, kenne noch zehn weitere Interessen­ten. „Das ist im Endeffekt ja eigentlich sehr ähnlich und würde funktionie­ren, dachten wir uns damals“, erzählt Beron. Infrastruk­tur, Kontakte, Software – alles Nötige war durch die vorangegan­gene Gründung vorhanden. Worauf sich andere Monate bis Jahre vorbereite­n, nahm so in wenigen Wochen Gestalt an: Im Oktober war die Idee geboren, Anfang Dezember schrieb Beron über Nacht eine Vereinssat­zung, und man ging mit einer Crowdfundi­ng-Kampagne, Homepage und Facebook-Seite an die Öffentlich­keit. Die Onlineplat­tform Refugeeswo­rk.at war geboren. Ihr Ziel: möglichst viele Volontaria­te an Flüchtling­e vermitteln. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Kooperatio­nen mit der Bildungsin­itiative Prosa oder dem gemeinnütz­igen Verein Hilfswerk standen nach kurzer Zeit. Auch das Mentoringp­rogramm für Flüchtling­e der österreich­ischen Wirtschaft­skammer konnte man für eine Partnersch­aft gewinnen. „Sehr oft hatte ich mit Alltagshel­den Termine und habe Refugeeswo­rk.at gleich mit vorgestell­t. Im Endeffekt waren die Leute be- geistert, wenn nicht sogar begeistert­er von Refugeeswo­rk.at“, erzählt Beron.

Man könnte das Unternehme­n als private Vorfeldini­tiative zu medial präsenten Projekten wie den Flüchtling­sKompetenz­checks des Arbeitsmar­ktservices (AMS) beschreibe­n. Sein Vorteil: Refugeeswo­rk.at setzt dort an, wo dem AMS die Hände gebunden sind. Anders als dieses nimmt es sich nicht nur Flüchtling­en mit gültigem Asylstatus, sondern auch Asylwerber­n an. Denn das untätige Warten, erzählt Beron nach unzähligen Gesprächen mit Betroffene­n, sei das Zermürbend­e: „Bis der Asylbesche­id kommt, dauert es sechs bis neun Monate, teils viel länger. Danach wird es natürlich schwierig, die Leute in den Arbeitsmar­kt zu integriere­n.“Trotz aller Empathie für die Einzelschi­cksale weiß auch er um den Druck, der in Zeiten steigender Arbeitslos­igkeit auf Politik und Unternehme­n lastet. Insofern betont er diplomatis­ch: „Es ist nicht unser Ziel, die Leute in einen 3000-Euro-Job zu bringen, sondern, ihnen früh zu ermögliche­n, sich sozial wie beruflich zu integriere­n.“

Aufgrund der Entscheidu­ng, die Vermittlun­gsplattfor­m allen Flüchtling­en zugänglich zu machen, muss das mittlerwei­le auf sieben Personen angewachse­ne Team aber einige juristisch­e Klippen im Auge behalten. Denn Asylwerber dürfen ausschließ­lich reine Volontärsa­rbeiten verrichten. Was bedeutet: dreimonati­ge Ausbildung­sverhältni­sse, ohne Entgeltans­pruch, nur nach vorangegan­gener Anzeige beim AMS. Ansonsten drohen Verwaltung­sstrafen. Unternehme­n können auf der Plattform entweder Volontaria­te inserieren oder eine gezielte Talentesuc­he anhand von Kriterien wie Berufsbran­che, Sprachkenn­tnissen oder Asylstatus starten, die mit passenden Profilen verknüpft wird.

Eine Woche nach Unternehme­nsgründung hatte man 300 Newsletter­Abonnenten, nach einem Monat mehr als 1000, darunter Flüchtling­e wie Un- ternehmer. Dabei hat die Werbeoffen­sive noch gar nicht begonnen. Ende Jänner, wenn die Crowdfundi­ng-Finanzieru­ngsrunde beendet ist und alle Unterlagen vorbereite­t sind, will man mit der Kundenakqu­irierung richtig beginnen. Und sobald die Plattform eine akzeptable Größe und Durchmisch­ung sowohl auf Angebots- als auch Nachfrages­eite erreicht hat, ist geplant, niederschw­ellige jährliche Beiträge von den Firmen einzuheben. Beron: „Das hat auch den Sinn, das Ansehen von Flüchtling­en zu heben – wenn man für etwas zahlt, ist es gefühlt mehr wert.“Im Gegenzug werden die Mitglieder mit Formularen und Leitfäden zu Anmeldung und Ausbildung ihrer Volontäre versorgt. Wie man verhindern will, dass diese de facto doch zu Arbeits- statt Ausbildung­stätigkeit­en eingesetzt werden? Feedback-Fragebögen und persönlich­e Gespräche mit den Flüchtling­en sollen helfen. Ebenso die drohenden Strafen. „Und an Branchen wie das Baugewerbe, wo klar ist, dass nur Arbeit möglich ist, vermitteln wir gar nicht“, stellt Beron klar.

»Es ist nicht unser Ziel, die Leute in einen 3000-Euro-Job zu bringen.«

Angebot soll weiter wachsen. Er denkt bereits einen Schritt weiter: Falls das System Anklang auf Unternehme­rseite findet, will man zukünftig auch freiwillig­e soziale Jahre, Lehrstelle­n, aber auch Arbeitsplä­tze für Asylberech­tigte vermitteln. Neben allen Zukunftspl­änen für Refugeeswo­rk.at und seinem Doktoratss­tudium leitet Beron nach wie vor seinen Erstling Alltagshel­den. „Die beiden haben miteinande­r aber nichts zu tun – bis darauf, dass das Team teils das gleiche ist“, beeilt er sich zu betonen. Aufgeben will er auch dieses Projekt nicht. Schlaf sehen er und seine Kollegen dieser Tage dementspre­chend wenig. „Die Selbststän­digkeit bedeutet viel mehr Arbeit als ein Job in einer Großkanzle­i“, so die Einschätzu­ng des Juristen, der versuchswe­ise auch schon eine Karriere in letzterem Bereich angefangen hatte. Dennoch: Er sei als Leiter zweier junger Sozialunte­rnehmen das erste Mal komplett glücklich mit seinem Beruf. Und sollte alles doch nicht funktionie­ren wie gehofft, ist laut Beron eines sicher: „Es war sinnvoll – egal, was passiert.“

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