Krieger an der weißrussischen Front
Der Minsker Architekt und Autor Artur Klina˘u hat mit »Schalom« einen furiosen Roadtrip verfasst, in dem Ost-West-Klischees an einer preußischen Pickelhaube zerschellen.
Als Andrej die Grenze überqueren will, erklärt ihm der weißrussische Zöllner allen Ernstes, dass der preußische Soldatenhelm auf seinem Kopf als antiker Kunstgegenstand sowohl sein Privatbesitz und als auch Staatseigentum sei: „Sie selbst können natürlich ausreisen, den Helm müssen Sie aber zu Hause lassen. Mit dem Helm lassen wir Sie nicht mehr raus!“Da ist er wieder: der absurde Staat, aus dem Andrej stammt, ein Staat, dem er mit seiner Pickelhaube symbolisch den Krieg erklärt hat. „Na, Vaterland, ich danke!“, denkt sich Andrej, „du gefällst mir! Immer für gute Neuigkeiten zu haben!“
„Schalom“, das Romandebüt Artur Klinau˘s, ist ein furioser Roadtrip, in dem Europas Rand ins Zentrum rückt und mit leichter Hand viele Ost-WestKlischees durcheinandergewirbelt werden. Wer sich mit dem heutigen Weißrussland beschäftigt, stolpert unweigerlich über Klinau˘. Der Architekt, Künstler und Publizist ist Herausgeber der Literaturzeitschrift „pARTisan“(englische Sprachversion: partisanmag.by), die in Minsk nur im gut sortierten Buchhandel erhältlich ist, da sie in weißrussischer Sprache erscheint und inhaltlich störrisch ist.
Der Band „Partisanen“, erschienen 2014 in der Edition Fototapeta, stellt die Arbeit der Zeitschrift und die lebhaften Debatten der Intellektuellen und Künstler in diesem osteuropäischen Land vor, für das viele Beobachter nur die drei Worte George W. Bushs übrighaben, die zu einem vermeintlich alles erklärenden Slogan für das autoritäre Regime Alexander Lukaschenkos geworden sind: „letzte Diktatur Europas“. Hinter dem Zaun. Eine Mischung aus Stadtführer und autobiografischem Essay ist wiederum Klinau˘s großartiges Buch „Minsk. Sonnenstadt der Träume“(Suhrkamp, 2006), in dem er die soziale Topografie der weißrussischen Hauptstadt ergründet: die weiten Prospekte, die bombastischen Fassaden der Stalin-Bauten, die verborgenen Hinterhöfe. Klinau˘ lesend, kann man unter die Oberfläche des properen sozialistischen Architekturensembles tauchen.
Doch zurück zu „Schalom“, das 2011 auf Weißrussisch erschienen ist, und zwei Jahre später in russischer Artur Klina˘u „Schalom. Ein Schelmenroman“Übersetzt von Thomas Weiler Edition Fototapeta 269 Seiten 17,30 Euro