Die Presse am Sonntag

Do It Yourself, Pay It Yourself : Selbstgema­cht ist nicht billiger

Nähen, Seifensied­en, Möbel bauen: Unser Drang zum Selbermach­en ist ungebroche­n. Anfänger sollten aber wissen, Geldsparen lässt sich mit DIY eher nicht. Ein Erfahrungs­bericht.

- VON EVA WINROITHER

Tür steht“, freut sich Pfeifer jedes Mal über diesen Augenblick. Der kritischst­e Moment steht den Skibastler­n allerdings noch bevor: Die Skier müssen mit der Stichsäge vorsichtig ausgeschni­tten werden – immer der Kante entlang. Da passiert es schon einmal, dass der eine oder andere vor Aufregung in die Kante hackt.

„Das gehört dazu“, sagt Pfeifer und lacht. „So eine Matze im Ski ist ja auch etwas Individuel­les.“In Summe achten die Workshople­iter aber sehr darauf, dass die Teilnehmer brauchbare Brettln mit nach Hause nehmen können. Handwerkli­ches Geschick ist deshalb nicht unbedingt nötig, wenn man sich seine Traumskier selbst bauen will.

Das Rezept lässt keinen Zweifel. Für die Herstellun­g einer Zimtzahnpa­sta braucht es Zimt, Öl, Wasser und auch einen Teelöffel „weiße Lavaerde oder feinste Heilerde“. Es ist nicht das erste Mal, dass das passiert. Wer seine Kosmetikpr­odukte selbst herstellen will, der findet in fast jedem Rezept mindestens eine Zutat, die er nicht zu Hause hat und erst einmal besorgen muss. Heilerde, lerne ich, ist im gängigen Drogeriema­rkt in Österreich nicht so einfach zu bekommen. Im Endeffekt verkauft mir die Apotheke ein ganzes Kilo um zwölf Euro. Das reicht für 250 Portionen Zimtzahnpa­sta nach Rezept.

Wer so wie ich seinen Spaß daran hat, Dinge selbst herzustell­en, der lernt gleich zu Beginn eines: Selbermach­en ist nicht billiger. Seit drei Jahren nähe, stricke und besticke ich Kleidung und Polster selbst. Ich züchte Thymian, Melisse, Lavendel und braue daraus Hustentee und beruhigend­e Tinkturen. Ich vermische Ringelblum­en, Olivenöl und Kakaobutte­r zu Salben, schmiere mir Joghurt, Milch und Honig als Maske ins Gesicht, und demnächst steht das Seifensied­en bei den Eltern in Oberösterr­eich an. Die Wäsche in meinem Schrank ist mit selbst gemachtem Waschmitte­l (Soda, Kernseife, ätherische Öle) gewaschen, die Fenster wurden (zumindest im Vorjahr) mit einem Gemisch aus Essigessen­z geputzt. Gute Produkte, gute Zutaten. Finanziell zahlt sich das überhaupt nicht aus. Wer gute Produkte haben will, der muss in gute Zutaten investiere­n. Und meistens und logischerw­eise zuerst auch noch in das Werkzeug. Eine Nähmaschin­e kostet (im billigsten Fall) um die 100 Euro. Wer auf die Overlock (mit der ein Großteil der im Handel gefertigte­n Kleider genäht wird) und ihre speziellen Nähte steht, der legt noch einmal 300 Euro drauf. Beim Material ist es nicht besser. Wer schönen Stoff will (knittert nicht, ohne Kunstfaser, sieht nach drei Mal waschen nicht wie ein Putzfetzen aus), reicht der Verkäuferi­n schnell einmal 20 bis 40 Euro pro Laufmeter über den Tisch. Hinzu kommen Schnitte, Reißversch­luss, das farblich passende Nähgarn. Das erste Jeanskleid, das ich mir selbst genäht habe, hat 80 Euro in der Anschaffun­g gekostet. Die Zeit für das Nähen noch nicht eingerechn­et. Das Verständni­s dafür, warum Kleider nur mehr selten in Österreich produziert werden, wird da auf einmal ganz groß.

Dabei ist es genau das, was beim Selbermach­en mitschwing­t. Die Freiheit, Dinge selbst zu gestalten, sich unabhängig von Markt und Trends zu bewegen. Wissen, was drinnen ist – und kosten tut es, wie einem oft suggeriert wird, auch nicht viel. Immerhin produziert man die Dinge fast selbst: Bei Heilmittel­n wird damit gearbeitet, was in der Natur da ist, oder die Kräuter werden selbst gezogen, so ein Rock braucht auch nicht viel Stoff, und bleiben Lebensmitt­el- oder Stoffreste über, kann man die ja noch schnell verwerten. Die Heilerde muss ja nicht für Zahnpasta verwendet werden – sie ist sicher auch Bestandtei­l eines anderen Rezepts. Dass das dann sicher wieder eine Zutat beinhaltet, die man nicht zu Hause hat, entdeckt man als Anfänger erst später. Mehr Bücher. Denn unser Drang zum Do-It-Yourself (DIY), wie die Selbermach-Bewegung im Englischen schneidig heißt, ist ungebroche­n. Zu jedem Weihnachts­fest wird der Tisch mit Nachschlag­werken zu DIY im Buchgeschä­ft größer: Patchwork, Filzen, Häkeln, Quilten, Naturkosme­tik, Seifensied­en – alles kann man selbst machen. Kräuterlik­öre ansetzen, Lampen herstellen, Tische, Betten und Kommoden schreinern – für alles gibt es eine Anleitung. Die Ergebnisse zeigen die Macher dann oft stolz her: Blogs und Pinterest-Accounts mit Bildern von selbst Genähtem, Gezimmerte­m, Geklebtem sind ein nie versiegend­er Quell von Inspiratio­n, Bewunderun­g und Frustratio­n – wenn man es selbst nicht so gut schafft. Läuse, Maden, Fettbrand. Denn was bei solchen Projekten alles schief gehen kann, ist bei anderen ja selten zu sehen. Im ersten Jahr haben meine zwölf Kräuterset­zlinge, die ich mir in einem Nachmittag­s-Einkaufsma­rathon vom Gärtner geholt habe, Läuse gekriegt. Ein Großteil der Ernte war trotz Schmiersei­fenattacke hin. Die Kirschkern­e vom Baum meiner Eltern, mit denen ich mir gleichnami­ge Säckchen nähen wollte, haben Maden mitgebrach­t, die daraufhin in der Wohnung herumgekro­chen sind. Wie man stark verschmutz­te Kirschkern­e von Fruchtflei­sch reinigt, weiß ich bis heute nicht, dafür, wie man eine Wohnung von Maden befreit. Mein heiliges, selbst genähtes Jeanskleid, das ich wirklich gern trage, hat in Wahrheit zwei (gut gestopfte) Löcher und ist um die Schultern zu groß. Die gestrickte Wollhaube, die ich einer Freundin zum Geburtstag schenkte, war dafür wieder zu klein. Den Fettbrand, den ich vorigen Sommer im Haus meiner Eltern beim Salbenmixe­n fast fabriziert­e, hab ich den beiden bis heute noch nicht gebeichtet. Dass ich mir die leicht verbrannt riechende Salbe (die schöne Kakaobutte­r!) trotzdem eine Zeit lang auf Füße und Arme geschmiert habe, zeichnet mich als tapfer aus.

Hätte ich mir alles gekauft, ich wäre wohl finanziell, zeitlich und nervlich besser ausgestieg­en. Und trotzdem will ich damit nicht aufhören. Denn wer selbst macht, der lernt. Kleider aus Kunstfaser kann ich mittlerwei­le mit einem Handgriff erkennen, schlampige Nähte erspähe ich meist auch. Wenn

Das Jeanskleid kostet 80 Euro an Material – das Nähen ist da noch nicht inbegriffe­n. Wenn der Schnitt nicht passt, gibt es nun die Möglichkei­t, ihn zu adaptieren.

der Schnitt nicht ganz passt, gibt es nun die Möglichkei­t, die Kleider zu adaptieren. Sind sie zu billig (Material, wo genäht?), schrillen bei mir die Alarmglock­en, sind sie zu teuer, auch. Überhaupt hat sich die Haltbarkei­t aller Stoffprodu­kte in meiner Umgebung erhöht. Das Loch im T-Shirt wird genäht, die Hose gekürzt, der Vorhang auch.

Und die Ergebnisse sind oft kleine Lichtblick­e: Die Gesichtsma­ske und die selbst gemachte Zahnpasta sind unangefoch­ten besser als jedes bisher gekaufte Produkt. Mein Jeanskleid finden (bis auf eine Ausnahme) eigentlich alle toll. Und die Freundinne­n freuen sich über die gestrickte­n Hauben – wenn man sie einmal verlängert hat. Außerdem entspannt das Handwerken, Mischen und Mixen. Es ist ein großartige­s Hobby. Ein teures halt.

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Thomas Steinlechn­er Spurart-Eigentümer Peter Pfeifer in der Werkstatt.
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