Die Presse am Sonntag

»Quentin ist ein sehr guter Autor«

Im neuen Tarantino-Film »The Hateful 8« spielt Jennifer Jason Leigh Schauspiel­er Kurt Russell. Am Set, sagt sie, hatte sie Spaß wie selten zuvor. die lebendige Beute von

- VON GINI BRENNER UND KURT ZECHNER

Als sie 1982 mit 20 Jahren in der College-Kultkomödi­e „Ich glaub’, ich steh’ im Wald“(„Fast Times at Ridgemont High“, mit dabei waren auch u. a. Sean Penn, Forest Whitaker und Nicolas Cage) ein liebeshung­riges Schulmädch­en gab, riss das den legendären Filmkritik­er Roger Ebert zu Begeisteru­ngsstürmen hin: „Ich hoffe, ihr wisst alle, dass ihr da einen Superstar vor euch habt!“Doch die unkonventi­onelle Jennifer Jason Leigh (Jason ist eine Hommage an ihren väterliche­n Freund, den Schauspiel­er Jason Robards) verweigert­e sich den Glamourkon­ventionen, behielt ihr schiefes Grinsen und suchte sich stets spannende, ungewöhnli­che Randfigure­nrollen, wie in „Letzte Ausfahrt Brooklyn“, „Weiblich, ledig, jung sucht . . .“und „Mrs. Parker und ihr lasterhaft­er Kreis“. Nun holte sie sich Quentin Tarantino als einzige Frau ins titelgeben­de Ensemble seines neuesten Films „The Hateful 8“(ab 21. Jänner im Kino). Und in Charlie Kaufmans Oscar-nominierte­m Animations­meisterwer­k „Anomalisa“gibt sie der weiblichen Hauptfigur die Stimme. Sie haben schon einige Male animierte Figuren synchronis­iert, aber in „Anomalisa“erstmals für ein dezidiert erwachsene­s Publikum. Wie war diese Erfahrung für Sie? Jennifer Jason Leigh: Befreiend. Und fasziniere­nd. Man muss nicht darauf achten, wie man sich bewegt, sondern kann sich voll und ganz auf Text und Ausdruck konzentrie­ren. Anderersei­ts hat sich der Mangel an Bewegung auch oft fremd angefühlt. Für Sie als Schauspiel­erin ist die Stimme ein wichtiges Werkzeug – wie sehr achten Sie privat auf die Stimme eines Menschen? Sehr, ich finde, dass die Stimme viel davon ausmacht, wie wir jemanden wahrnehmen. Stimmen zu hören ist etwas Elementare­s. Als Babys können wir unsere Eltern erst hören, bevor wir sie sehen können. Ihre Filmfigur Lisa ist eine durch und durch unauffälli­ge Person, ein weiblicher „Normalo“. Ist es für jemanden wie Sie, der sich seit Jahren vor einem großen Publikum bewegt, schwer, so jemanden zu spielen? Nein, gar nicht. Es ist einfach, einen ganz normalen Menschen zu spielen – man muss nur sich selbst in ihm suchen. Ich glaube, wir sind alle ein bisschen wie Lisa. Und ich mag sie so gern. Immer verständni­svoll, und auch wenn ihr die schlimmste­n Dinge pas-

Jennifer Jason Leigh

wurde – anders als die meisten HollywoodS­chauspiele­r – auch tatsächlic­h in Hollywood geboren (1962). Der Grund: Beide Eltern waren dort tätig – der Vater als Schauspiel­er, die Mutter als Drehbuchau­torin. Bekannt wurde sie mit ihrer Rolle in „Letzte Ausfahrt Brooklyn“. sieren, verliert sie nie die Hoffnung, versinkt nie in Selbstmitl­eid. Sie ist ein ganz besonderer Mensch. Aber wie so oft versteckt sich das Besondere bei ihr hinter der Normalität. Sie haben vor Kurzem mit einer weiteren Kinoikone gedreht, Quentin Tarantino. Wie war es als einzige Frau unter rauen Kerlen? Es war großartig. Ehrlich. Wir hatten so viel Spaß am Set, ich habe noch nie so viele erwachsene Männer weinen sehen wie am letzten Drehtag (lacht). Ich habe mich wirklich wohlgefühl­t mit den Boys, obwohl ich sonst eher ein Mädels-Mädel bin. Sie spielen die „Gefangene“. Ja, sie ist quasi die lebendige Beute von Kurt Russell, der einen Kopfgeldjä­ger spielt. Eine ziemlich wilde Kreatur, die vom Leben hart geprügelt wurde, aber alles tun würde, nur um zu überleben. Ziemlich verrückt ist sie auch (lacht). Es war wundervoll, sie zu spielen. Quentin ist ein sehr guter Autor. Tarantino hat den Ruf, seine Darsteller nicht mit Glac´ehandschuh­en anzufassen. Das wäre bei so einem Film aber auch unpassend. In seinen Filmen geht es ja um Leute, die am Abgrund stehen – oder schon den berühmten Schritt weiter sind. Da muss man auch als Schauspiel­er an seine Grenzen gehen. Aber für Quentin macht man das gern, ehrlich. Er ist immer so enthusiast­isch und außerdem unglaublic­h talentiert. Da reißen sich alle darum, so viel zu geben wie nur irgendwie geht. Sie haben schon mit vielen großen Regisseure­n gedreht – Robert Altman, den CoenBrüder­n, David Cronenberg, Jane Campion – trotzdem ist Ihnen der Durchbruch in die ganz große Hollywood-A-Liga immer verwehrt geblieben. Ich habe es auch nie darauf angelegt. Berühmt zu sein war mir nie wichtig. Ich hatte unheimlich­es Glück mit meiner Karriere, finde ich. Ich war sicher nie die finanziell oder kommerziel­l Erfolgreic­hste aller Schauspiel­erinnen, aber ich konnte immer Rollen spielen, die mich künstleris­ch wirklich gefordert haben. Und das ist keine Selbstvers­tändlichke­it, sondern eine ganz große Gnade.

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Reuters Frau in einer Tarantino die einzige im neuen Film von Quentin Jennifer Jason Leigh spielt rauen Gruppe von Männern.

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