Nach der letzten Finissage
Was passiert, wenn eine Galerie schließt: »Im Kinsky« verkauft den Vavrousek-Nachlass. Das Grazer Artelier schenkte seine Sammlung der Neuen Galerie.
Noch vor 100 Jahren gab es nur eine Handvoll Galerien in den europäischen Hauptstädten. Heute zählt man allein in Wien mehr als 50 Kunsthändler. Die meisten sind Einzelkämpfer, die für die Qualität mit ihrer Person einstehen. Was aber passiert mit einer Galerie, wenn zugesperrt werden muss? In gewöhnlichen Geschäften wird das mit einem Räumungsverkauf eingeleitet. Galerien allerdings besitzen kaum etwas, in den Lagern steht Kommissionsware, die den Künstlern zurückgegeben wird. Alles andere gehört zur Sammlung der Galeriebesitzer – und die endet manchmal in Auktionen wie jetzt „Im Kinsky“.
Dort kommt der Nachlass Vavrousek zur Versteigerung. Helga Vavrousek gründete ihre Galerie Contact 1971, 2005 schloss sie die Räume. Voriges Jahr verstarb sie, zur Auktion kommen jetzt 305 Lose ihrer Sammlung. Die spiegeln das Galerieprogramm wider, das rein österreichisch war und viele Namen enthält, die heute kaum noch geläufig sind. Dementsprechend niedrig sind viele Preise angesetzt, manche sogar als schnäppchenhaft günstige Konvolute zusammengefasst.
Vieles erinnert an einen Schlussverkauf, etwa die 26 Papierarbeiten von Hans Staudacher zu einem Rufpreis ab 500 Euro. Diese Werke tragen eine Widmung an die Galeristin – solche persönlichen Notizen wirken bei Kunstwerken anders als im Buchhandel nur selten wertsteigernd. Manches hat aber auch das Potenzial für Bietergefechte wie die Radierungen Picassos für je 1000 Euro. Grazer Artelier machte Schenkung. Während mit dieser Auktion drei Jahrzehnte einer Wiener Galeriegeschichte gnadenlos aufgelöst werden, wählte die Grazer „Galerie & Edition Artelier“einen anderen Schlusspunkt. Vor 30 Jahren begannen Petra und Ralph Schilcher mit Künstlereditionen in der familieneigenen Siebdruckerei. Mehr als 600 Editionen produzierten sie seither, die erste mit Hubert Schmalix, später nicht nur Drucke, sondern auch eine Tapete von Joseph Kosuth, einen Koffer mit Licht von Brigitte Kowanz, Kartonskulpturen von Tobias Rehberger etc. Sie wisse oft gar nicht, wie sie die Preise für solche frühen, heute begehrten Editionen von Künstlern berechnen solle, erzählte Petra Schilcher einmal.
Gefragt sind die limitierten Auflageobjekte nach wie vor, aber vergangenes Jahr beendeten die Schilchers die Produktion. Da sie keinen Nachfolger fanden, entschlossen sie sich zu einer Schenkung an die Neue Galerie Graz. 1000 Objekte im Wert von mehr als einer Million Euro stammen aus dem Programm des „Arteliers“, weitere aus der eigenen Sammlung, ein dritter Teil aus dem Archiv.
Solche Archive sind von unschätzbarem Wert für die Kunstgeschichte, um Epochen, aber auch einzelne Werke aufzuarbeiten. Seit 2007 erwirbt daher das Belvedere immer wieder Archive aus dem Kunsthandel, darunter jenes der Galerie im Griechenbeisl, die Dokumentation zur Art Brut der Galerie Altnöder Salzburg, 2011 auch Archiv und Bibliothek von Grita Insam.
Was aber, wenn eine Galerie weder die Sammlung auflösen noch verschenken, sondern alles zusammen verkaufen will? Dafür gibt es kein festgelegtes Prozedere. Einen Ausweg fand voriges Jahr der Kölner Galerist Jörg Johnen, der kurzerhand mit seiner Berliner Kollegin Esther Schipper fusionierte: „Der Druck wird von allen Seiten immer größer, von den Sammlern, den Messen“– er wollte nicht mehr.
Aber das ist eine Ausnahme. Naheliegend ist die Weitergabe an Familienmitglieder. Immer wieder folgen vor allem die Söhne dem elterlichen Weg: Schon 2008 gründete Nikolaus Oberhuber, Sohn der Galeristin Rosemarie Schwarzwälder (Nächst St. Stephan), zusammen mit Alexander Koch die Galerie KOW in Berlin. Glücklich schätzen kann sich die Wiener Galeristin Ursula Krinzinger, ihre beiden Kinder arbeiten schon seit Jahren intensiv in Wien und auf Kunstmessen mit.
Andere sind in dieser Frage eher zurückhaltend: „Ich werde oft gefragt, ob meine Kinder die Galerie einmal weiterführen wollen. Aber sie sollen einen eigenen Weg finden. Ich kann nicht erwarten, dass sie meine Leidenschaft für die Kunst teilen“, antwortet Martin Janda. Auch Christine König ist vorsichtig: „Wenn ich Glück habe, wird Elsa die Galerie übernehmen, aber noch fragt sie sich, ob sich das Modell einer Galerie nicht radikal ändern wird.“ Jungwirth ist der Star. Welche weitreichenden Veränderungen bereits in den vergangenen Jahren stattfanden, kann man anhand von Vavrouseks Nachlass studieren: Von all den darin vertretenen österreichischen Künstlern sind einzig die Bilder von Martha Jungwirth Teil des heutigen, globalen Kunstmarkts – und ihr Porträt ist mit 7000 bis 14.000 Euro weit unter dem Rufpreis eines Siebdrucks in 300er-Auflage von Roy Lichtenstein in der Kinsky-Zeitgenossen-Auktion geschätzt.
Im Kinsky, Nach Vavrousek – Galerie Contact & Zeitgenössische Kunst, Dienstag 26.1.2016, 15 Uhr.
»Der Druck wird von allen Seiten immer größer, von den Sammlern, von den Messen.«