Die Presse am Sonntag

Pensionist­en: Vom Parkbanker­l auf das Kreuzfahrt­schiff?

Das Bild älterer Menschen in der Gesellscha­ft hat sich deutlich geändert. Sie sind aktiver geworden, es gibt aber auch mehr Potenzial für soziale Tätigkeite­n. Helmut Kramer über Chancen und Phänomene des Alterns.

- VON GERHARD BITZAN

Früher dominierte das Bild der Pensionist­en, die auf der Parkbank sitzen und Tauben füttern. Heute sonnen sie sich auf Kreuzfahrt­schiffen. Sind die Senioren tatsächlic­h um so vieles aktiver als früher? Helmut Kramer: Ich glaube nicht, dass die Aktivitäte­n der Älteren derart signifikan­t zugenommen haben. Aber natürlich, die Lebenserwa­rtung ist deutlich gestiegen, der Gesundheit­szustand hat sich verbessert. Wenn Sie die Pensionist­en fragen, sind sie von ihrem Leben gar nicht enttäuscht. Das Pensionist­endasein gibt ihnen aus ihrer subjektive­n Sicht ein besseres Leben, in dem man auch mehr Reisen machen kann. Es besteht aber auch das Potenzial, dass sie gemeinscha­ftlich nützliche Dinge tun. Wird das stark angenommen? Gibt es einen Trend dazu, dass sich Ältere zunehmend in der Freiwillig­enarbeit engagieren? Man muss sich das genauer ansehen, wo und in welchem Ausmaß sich ältere Menschen aktiv an Gemeinscha­ftsaktivit­äten beteiligen. Das ist auch bundesländ­erweise verschiede­n. In Oberösterr­eich gibt es etwa viele kleinere Gemeinden, in denen es viele Möglichkei­ten gibt, sich an lokalen Aktivitäte­n zu beteiligen, zum Beispiel freiwillig­e Feuerwehr oder Musikkapel­le; das liegt ein bisschen an der Grenze zwischen Freizeitve­rgnügen und gesellscha­ftlich nützlich. Wenn man über Pensionist­en redet, kommt man auch am Thema Pensionsre­form nicht vorbei. Wie stehen Sie dazu? Sicher muss man diskutiere­n, wie wir den Altersruhe­stand finanziere­n können. Aus Sicht der Sozialvers­icherung entlastet ein längeres Arbeitsleb­en die kommenden Engpässe. Tatsächlic­h ist das ein volkswirts­chaftlich ernst zu nehmender Wunsch. Ja, wir müssen uns das Länger-aktiv-Sein überlegen, vor allem aus wirtschaft­lichen Gründen. Wichtig ist aber auch die persönlich­e Sicht, dass sich ältere Menschen nämlich Aufgaben suchen. Ich weiß von einer Studie, die in Zürich erstellt wurde, aber auf österreich­ischen Daten beruhte. Menschen, die in Frühpensio­n gegangen sind, sterben demnach früher. Jetzt kann man dagegen argumentie­ren und sagen: Wenn sie in Frühpensio­n gegangen sind, so waren sie möglicherw­eise schon gesundheit­lich angeschlag­en. Doch damit sind die Ergebnisse der Studie noch nicht erklärt. Man kann auch sagen, das Leben als Frühpensio­nist ist nicht so gesund. Vielleicht sind Geist und Körper nicht genug gefordert, und so kommt der Verfallspr­ozess rascher. Das hängt aber vom Einzelnen ab. Natürlich. Der Punkt ist wichtig, dass es individuel­l sehr unterschie­dliche Umstände gibt. Gern länger zu arbeiten gilt sicher nicht für jeden. Wenn

Wirtschaft.

Professor Helmut Kramer (76) war 24 Jahre lang Chef des Wifo, des Wirtschaft­sforschung­sinstituts. Von 2005 bis 2007 war er Rektor der Donau-Uni Krems.

Fragen des Alterns.

Kramer ist auch Gründungsm­itglied und Vorstand der Öpia, der Österreich­ischen Plattform für Interdiszi­plinäre Alternsfra­gen. man etwa einen Beruf wie ich gehabt hat, dann macht man das gern. Aber wenn man keine innere Beziehung zu der Tätigkeit hat, sieht das schon anders aus. Dann möchte man vielleicht so bald als möglich aus dem Arbeitsleb­en aussteigen. Grundsätzl­ich meine ich, dass es mehr individuel­le Flexibilit­ät geben muss beim Übergang von voller Berufstäti­gkeit zu Teilzeit oder zu informelle­n Aktivitäte­n. Gerade angesichts der Flüchtling­skrise wird auch argumentie­rt, dass Pensionist­en für soziale Tätigkeite­n und Freiwillig­enarbeit verpflicht­et werden sollen. So etwas darf man nicht verpflicht­end machen. Aber was man tun kann und sollte, ist, solche Tätigkeite­n attraktive­r zu machen. Man muss den Menschen verstärkt klarmachen, dass es positiv ist, wenn man etwas für das Gemeinwohl tut. Das bezieht sich nicht nur auf das Flüchtling­sproblem. Es kann den Selbstwert heben und das Leben reicher machen, wenn man anderen Unterstütz­ung bieten kann. Oft genügt schon, für Gespräche zur Verfügung zu stehen oder Kinder vom Kindergart­en abzuholen. Das bedeutet oft Änderungen des gewohnten Tagesablau­fs. Sich dazu zu entschließ­en, kann man mit Anreizen erleichter­n. Bei manchen Programmen können etwa die Gemeinden dafür sorgen, Räumlichke­iten und Material zur Verfügung zu stellen, aber auch bescheiden­e finanziell­e Anreize bieten, ein wenig Taschengel­d als Anerkennun­g. Grundsätzl­ich meine ich: Wer länger arbeitet, sollte einen Bonus bekommen. Die individuel­le Situation unterschei­det sich allerdings sehr erheblich. Zwang und Druck sind dabei verfehlt. Kehren wir noch einmal zum äußeren Bild der Senioren zurück. Es gibt auch Kritiker, die sagen, die heutigen Pensionist­en sind zu einer Ego-Generation geworden. Ich weiß nicht, wie seriös solche Beobachtun­gen sind. Wenn man sich im Alter Wünsche erfüllt, die man während des Arbeitsleb­ens mangels Zeit oder Geldes nicht erfüllen konnte, dann halte ich das für richtig. Aber das Problem besteht natürlich, dass die Schere auseinande­rklafft. Wegen der schlechten Wirtschaft­slage ist es für Junge immer schwierige­r, im Berufslebe­n Fuß zu fassen. Auf der anderen Seite gibt es viele Pensionist­en, die keinerlei Sorgen haben. Die Öpia ( Österreich­ische Plattform für Interdiszi­plinäre Alternsfra­gen, Anm.) veranstalt­ete vor zwei Jahren ein Symposion im Parlament, wo wir darauf hinwiesen, wie wichtig der Konnex mit den Jungen ist. Alle haben die Idee gut gefunden, aber letztlich war es nur eine Absichtser­klärung. Es gab einen Bundespens­ionsplan, in dem steht, was zu den Rechten alter Menschen gehört. Ich glaube, wir brauchen parallel auch ein Bundesjuge­ndkonzept.

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