Die Presse am Sonntag

In der Welt der vielen jungen Männer

Sie sind jung, sie sind viele – und sie kommen meist allein: Männliche Flüchtling­e werden zunehmend als Problem wahrgenomm­en. Die »Presse am Sonntag« hat acht von ihnen getroffen – und mit ihnen über das Thema FrŻuen gesprochen.

- VON JOHANNES PERTERER

Zumindest in Krems war am Ende alles ganz anders. „Wirbel um Flüchtling­e in der Damen-Sauna“hatte es dort in der Vorwoche geheißen, der Vorfall floss ein in die Debatte um Schwimmbäd­er, Piktogramm­e und Zutrittsve­rbote. Diese Woche meldeten sich dann zwei junge Österreich­er mit exjugoslaw­ischen Wurzeln zu Wort. Sie seien es gewesen, die irrtümlich in die (gemischte) Sauna abgebogen seien – und wollten nun verhindern, „dass weiter Flüchtling­e für etwas kritisiert werden, was sie nicht gemacht haben.“

Eine hyper-sensible Stimmung, die allerorts Belästiger wittert, das ist die eine Seite. Auf der anderen: tatsächlic­he Straftaten, von den Übergriffe­n in Köln bis zu Vergewalti­gungen auch in Österreich durch Asylwerber und Migranten. Dazwischen: Junge Männer, die in einer fremden Welt gelandet sind und hier eine Debatte über das arabische respektive muslimisch­e Frauenbild ausgelöst haben.

„Man kann Köln und die darauffolg­enden Ereignisse als Anlass zur Debatte über Frauenroll­en und sexuelle Gewalt nehmen“, sagt dazu Nahost-Expertin Tyma Kraitt. „Aber nicht als Paradebeis­piel.“Viele junge Männer befänden sich in einem Identitäts­konflikt. Die Traditione­n, die sie mitbekomme­n hätten und die neuen Möglichkei­ten, die sie in Österreich bekommen, würden zu Schwierigk­eiten führen. Aber: „Es ist ein Fehler, alle muslimisch­en Länder in einen Topf zu werfen.“

So sei die Situation in Syrien zum Beispiel nicht mit jener in Afghanista­n zu vergleiche­n. Syrien sei vor dem Krieg ein säkularer Staat gewesen, in dem Frauen in der Öffentlich­keit stark präsent waren. Durch die Unsicherhe­it des Krieges hätten sich jedoch in Syrien und dem Nachbarlan­d Irak sehr konservati­v und religiös gefärbte Rollenbild­er durchgeset­zt.

Doch was denken die jungen Männer selbst? Die „Presse am Sonn- Der 23-J´hrige hŻt in AfghŻnistŻ­n heimlich geheirŻtet. tag“hat acht Afghanen, Syrer und Iraker getroffen und mit ihnen über ihr Verhältnis zu Frauen gesprochen. Noor MohŻmmŻ© AmirzŻ©Żh (23), KŻbul, AfghŻnistŻ­n Noor ist seit knapp vier Monaten in Wien. In Kabul hat er sechs Monate lang Informatik studiert, dann musste er eigenen Angaben zufolge wegen einer Frau flüchten: „Ich habe mich verliebt, ihr Name war Zainab.“Die beiden hätten ohne das Wissen von Zainabs Vater geheiratet und miteinande­r geschlafen. Als Zainabs Familie dies herausfand, blieb Noor nichts anderes übrig, als zu fliehen: „Die hätten mich sonst umgebracht“, sagt er. Falls er in Österreich eine Freundin findet, will er, dass sie sich verschleie­rt, „aber wenn sie unbedingt will, kann sie auch ohne Hijab auf die Straße gehen“. Falls er eines Tages eine Tochter hat, dürfe sie zwar jeden Beruf ausüben, den sie will. Ihn würde es aber „sehr stören“, wenn sie Sex vor der Ehe hätte. AlhŻmzŻ AltlinŻny (19), BŻsrŻ, IrŻk Alhamza ist aus Basra geflüchtet, weil schiitisch­e Milizen ihn zum Dienst an der Waffe zwingen wollten. Falls er in Österreich heiratet, wäre ihm die Religion seiner Partnerin nicht wichtig, sagt der Iraker. Seinem Vater jedoch schon, doch der sei nun zu weit weg, um ihn dabei zu beeinfluss­en. Zu den Ereignisse­n in Köln sagt er: „Es ist eine Schande, dass es so viele ungebildet­e und unzivilisi­erte Menschen aus dem arabischen Raum gibt.“

In Basra hatte Alhamza eine Art platonisch­e Beziehung: Er habe vor rund einem Jahr bei einem Treffen zwischen seiner und einer anderen Familie eine junge Frau kennengele­rnt. Da man sich in seiner Heimatstad­t jedoch nicht einfach allein mit einer Frau treffen könne, sondern nur in Begleitung, habe er mit ihr monatelang eine Beziehung geführt, die nur aus Gesprächen am Telefon bestand. Er sei froh, dass er jetzt in Österreich ist, „weil es hier Freiheit gibt“.

Viele befinden sich im Konflikt zwischen alten Traditione­n und neuen Möglichkei­ten.

KŻrrŻr Ahme© AlsŻŻ©i (20), BŻg©Ż©, IrŻk Karrar hat ebenfalls seine Heimat verlassen, weil schiitisch­e Milizen ihn zum Kämpfen zwingen wollten. Nachdem er von einer Miliz ein Monat entführt worden war, beschloss er, sich auf den Weg in die Türkei und von dort aus nach Europa zu machen und ist nun seit vier Monaten in Wien. Er sagt, er komme aus einer „liberalen“Familie: Bei Entscheidu­ngen in der Familie hatte stets seine Mutter und nicht sein Vater das Sagen. Kurz nach seiner Ankunft in Wien habe er sich in eine österreich­ische Flüchtling­shelferin verliebt, die beiden sind seitdem zusammen. Zu den Kölner Übergriffe­n sagt er: „Seitdem kommen einige Helfer nicht mehr in mein altes Flüchtling­scamp.“ SŻif RŻhmŻn KhiŻlzŻ©h (25), LŻghmŻn Provinz, AfghŻnistŻ­n Saif war fünf Jahre lang in einer Spezialein­heit der afghanisch­en Armee. Er ist verheirate­t, hat eine Tochter und zwei Söhne. Seine Familie ist in Afghanista­n geblieben. Geflüchtet ist er wegen den Taliban-Milizen, die ihn mit dem Tod bedroht hätten. „Nur weil Frauen hier nicht verschleie­rt sind, ist es nicht leichter, mit ihnen eine Beziehung zu beginnen“, sagt der 25-Jährige.

Falls so etwas wie in Köln in seiner Heimat passiert wäre, hätten „die Täter nicht überlebt“, sagt er: „Entweder die Polizei oder die Familien der Opfer hätten sie umgebracht.“So sei dort die Kultur.

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