Die oberösterreichische Version
Seit dem Aschermittwoch bäckt Helmut Gragger statt Faschingskrapfen wieder täglich Fastenbeugel. Das in weiten Teilen Österreichs unbekannte Ringerl hat mehr als bloß die Form mit dem US-Bagel gemein.
Einen Moment lang könnte man meinen, der Fastenbeugel sei einer von diesen Tricks, mit denen man sich früher um das Fleischverbot in der Fastenzeit herumschummelte. Denn ein bisschen erinnern die Teiglinge an kleine Weißwurstringe, als Bäcker Helmut Gragger sie aus dem kochenden Salzwasser fischt. Eine knappe Viertelstunde später, als der Duft nach frisch Gebackenem vom einige Meter entfernten Holzofen in die Backstube zieht, sieht das aber schon ganz anders aus. Die Ringerl glänzen hellbraun, sie sind beim Hineinbeißen knusprig und innen weich und irgendwie zäh: ein bisschen wie ein Bagel.
Das ist jetzt kein reiner Zufall. Die Fastenbeugel ähneln eben nicht nur in Form und Name dem ursprünglich jüdischen Gebäck, das in US-amerikanischen Delikatessengeschäften bevorzugt mit Frischkäse und Lachs serviert wird. Sondern wie ihre jüdisch-amerikanischen Verwandten werden sie auch gekocht, bevor sie in den heißen Ofen geschoben werden. Das Kochen macht die ganz spezielle Textur der Beugel aus: die relativ dicke, glänzende Kruste, die weiche, dichte Krume.
Wer noch nie einen Fastenbeugel probiert hat, ist nicht allein: Die Ringe sind ähnlich wie die Fastenbrezen ein klassisches Brauchtumgsgebäck in der Fastenzeit, vor allem typisch in Ober- österreich. Aber nicht einmal dort ist der Beugel flächendeckend bekannt, erklärt Bäcker Gragger, der in kurzen weißen Hosen, in T-Shirt und Schlapfen in seiner Backstube in der Spiegelgasse im ersten Wiener Gemeindebezirk steht („Warm wird’s“, hat er bereits angekündigt). In Wien ist er der Einzige, der sie produziert. Die ersten der täglich 180 sind an diesem Aschermittwoch – dem ersten Tag, an dem statt Krapfen Beugel verkauft werden, schon weg. („Am Anfang kannten die Leute das nicht. Jetzt schon langsam. Und es gibt halt schon viele Oberösterreicher in Wien.“). Am Abend werden nun nochmals 300 Stück gemacht, mit anderthalb Dutzend Interessierten, die Slow Food Wien und Merkur am Hohen Markt in die Backstube geladen haben (siehe Factbox). Ring als Symbol für die Sonne. Mehlstaub hängt in der Luft, als Gragger mit einer großen Blechschaufel die Zutaten in die Teigmischmaschine schüttet: anderthalb Kilo Roggenmehl, knapp zehn Kilo Weizenmehl, etwas Malzmehl, Salz, Germ, ordentlich Kümmel. Er greift sich eine Handvoll Sauerteig aus dem 80-Kilo-Trog, der hinter ihm steht und der in den Morgenstunden zu Brot verarbeitet wird, gibt Milch und Wasser dazu. „Viele erwarten sich ein mordskompliziertes Rezept“, sagt der 44-Jährige. „Aber im Grunde ist es einfach: Mehl, Salz, Wasser, Gewürze, in diesem Fall auch Milch. Das ist das Rezept, mit dem wir auch arbeiten.“
So ein Fastenbeugel macht sich schon recht einfach. Aber gute Beugel kriegt man selten.
Die runde Form der Beugel – im Gegensatz zur Fastenbrezel, die in der Fastenzeit in vielen anderen Gegenden verbreitet ist und die an verschränkte Arme und damit an das Gebet erinnern soll – hat jedenfalls eine sehr lange Tradition. Vermutlich soll der Ring die Sonne symbolisieren, das Licht. In der christlichen Interpretation also die Auferstehung von Jesus Christus, die am Ende der Fastenzeit steht.
In der Backstube ist es inzwischen wirklich warm geworden, als Helmut Gragger den Beugel formt: ausrollen,