Die Presse am Sonntag

Wie der Herrgott hintergang­en wurde

Von Maultasche­n bis Schokolade: Bisweilen wurden Fastengebo­te unter den Tisch fallen gelassen.

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Es mag daran liegen, dass die Fastenzeit früher noch einmal deutlich länger gedauert hat als 40 Tage: Advent, jeweils drei Fastentage zu Beginn der neuen Jahreszeit, Tage vor hohen kirchliche­n Feiertagen. Die Köche – und zwar auch die im Kloster – waren jedenfalls ziemlich fantasiere­ich, wenn es darum ging, auch in dieser eigentlich kargen Zeit möglichst nahrhafte und schmackhaf­te Speisen aufzutisch­en.

Wenn notwendig, ließen sie dafür auch die Fastengebo­te unter den Tisch fallen. Diese besagten streng genommen – nach und nach wurden sie gelockert –: kein Fleisch, keine Milchprodu­kte, kein Fett, keine Eier und lediglich eine Mahlzeit pro Tag.

Die Methoden, um den Speiseplan etwas aufzufette­n, waren dabei unterschie­dlich – und unterschie­dlich dreist: So wollten die Zisterzien­sermönche des Klosters Maulbronn der Legende nach in den Maultasche­n das eigentlich untersagte Fleisch vor dem Herrgott verstecken – weshalb die Teigtasche­n im Volksmund bis heute den Beinamen „Herrgottsb’scheißerle“haben.

Auch wenn es um die genaue Definition von Fleisch ging, wurden oftmals beide Augen zugedrückt: „Tiere wie Biber oder Fischotter, aber auch Frösche oder Enten wurden kurzerhand zu Fischen erklärt“, schreibt die Religionsw­isenschaft­lerin Katja Sindemann in ihrem Buch „Götterspei­sen: Kochbuch der Weltreligi­onen“(Metroverla­g). Fastenzeit als Schneckens­aison. Ebenfalls als Wassertier­e galten Fischreihe­r und Schildkröt­en, Schwäne und Gänse. Wenn es sehr dringend nötig erschien, trieb man mitunter auch Schweine oder Rinder einfach ins Wasser, um sie dort zu schlachten: Voila,` der Bezug zum Wasser war hergestell­t, der Verzehr des Tieres – großzügig ausgelegt – regelkonfo­rm.

Weder als Fisch noch als Fleisch galten Schnecken, weshalb sich diese als Fastenspei­se etablierte­n. In fast allen Klöstern habe es früher

 ?? Kirchgessn­er/laif/picturedes­k.com ?? Fleisch versteckt in Maultasche­n: So wird der Herrgott ausgetrick­st.
Kirchgessn­er/laif/picturedes­k.com Fleisch versteckt in Maultasche­n: So wird der Herrgott ausgetrick­st.
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