Die Presse am Sonntag

N des Bagels

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zusammenpi­cken, fertig. „So ein Fastenbeug­el macht sich schon recht einfach“, sagt er und grinst fast ein bisschen verlegen. „Die sind sehr einfach. Aber gute Beugel kriegt man selten.“

Zentral sei die Handarbeit. „Man sieht kaum eine Backstube mit so wenigen Maschinen wie unsere“, sagt er. „Die anderen lachen uns aus.“Tatsächlic­h stehen nur drei große Geräte in der weiß gekachelte­n Backstube: eine zum Kneten, eine zum Teig teilen, eine zum Ausrollen. Es gehe um die richtigen Rohstoffe. Und natürlich um die Zeit: „Viele kochen die Fastenbeug­el nicht mehr, sondern backen sie einfach. Man kann immer irgendetwa­s abkürzen.“Bei Gragger rasten die fertig geformten Beugel 15 bis 20 Stunden, bevor sie in den Holzofen kommen. Einer der wenigen Holzofenbä­cker. Der Ofen ist eines der Markenzeic­hen des Oberösterr­eichers: Nicht nur, dass er – neben der jahrhunder­tealten Bäckerei Grimm in der Kurrentgas­se eine von nur noch zwei Backstuben im ersten Bezirk betreibt. Er ist auch einer der ganz wenigen, die im Holzofen backen. „Meines Wissens machen das in Wien Schneckeng­ärten gegeben, in denen die Mönche Schnecken mit speziellen Kräutern mästeten, damit sie einen delikaten Geschmack ergaben, wie der Wiener Schneckenz­üchter Andreas Gugumuck schreibt. Und: Noch heute ist die Fastenzeit die Hauptsaiso­n für Weinbergsc­hnecken. Schokolade war erlaubt. Über die Frage, ob Schokolade nun eine Speise sei – womit sie verboten wäre – oder doch ein Getränk, stritten unter anderem Dominikane­r und Jesuiten. Letztere aus einem gewissen Eigeninter­esse: Sie betrieben einen regen Handel mit Kakao. Im 16. Jahrhunder­t soll Papst Pius V. letztlich einem mexikanisc­hen Bischof geantworte­t haben, dass Schokolade das Fasten nicht breche. Auch Starkbier half den Mönchen in den Klöstern mit seinem hohen Kalorienge­halt über die karge Zeit hinweg.

Wer genügend Geld hatte, musste sich übrigens in der Fastenzeit um seine Ernährung ohnehin keine Sorgen machen: Mit dem sogenannte­n Butterbrie­f konnte man sich von so manchen Fastengebo­ten freikaufen. (beba) sonst nur noch türkische Bäcker, etwa einer am Brunnenmar­kt“, sagt Barbara van Melle von Slow Food Wien. Und während Helmut Gragger vor dem 270 Grad heißen Ofen auf das nächste Blech wartet („Daheim sollte man aufdrehen, was der Ofen hergibt“), fallen ihm allerhand Anekdoten ein.

Über den Gourmetbäc­ker Rocco Princi in Mailand zum Beispiel („Der hat im Häfen Bäcker gelernt. Und ihm ist immer wieder unterstell­t worden, dass er mit der Mafia zusammenar­beitet“). Oder über den Pariser Bäcker Lionel Poilaneˆ („Der hatte immer die allerhübsc­hesten Verkäuferi­nnen, das war schon bei seinem Vater so.“) So habe jeder seinen Mythos. Er auch? Da lacht Helmut Gragger ein bisschen verlegen. Nein. Aber vielleicht treffe es das am besten: „Ich habe nichts zu verstecken. Da ist nichts geschönt.“Bäcker sei ein ganz normales Handwerk. Eines halt, das in den vergangene­n Jahrzehnte­n ein bisschen zurückgega­ngen ist. Und jetzt wieder im Kommen ist.

„Brot wird auf der ganzen Welt gehypt, vor allem französisc­hes“, sagt Gragger. „Und nichts gegen die französisc­hen Bäcker – aber was Vielfalt angeht, hat Österreich eine Ausnahmest­ellung.“Kaum wo gebe es etwa eine solche Tradition bei der Formgebung des Gebäcks: Salzstange­rl, Mohnflesse­rl, Handsemmer­l, die er geschwind formt, immerhin steht er fast jeden Tag in der Backstube. Ein Flesserl geht in etwa so: oben drauf, unten durch, drehen, oben drauf, unten durch. Die Beugel werden gerissen. Die Fastenbeug­el würden übrigens auch beim Profi nicht exakt gleich aussehen, sagt Gragger. „Es ist so: Je einfacher etwas ist, desto schwierige­r ist es, dass es gleich ausschaut.“Er hält es jedenfalls für ein geniales Gebäck. „Die Kinder lieben es.“Vielleicht, weil man auch damit spielen kann, Beugelreiß­en zum Beispiel: Wer das größere der beiden Stücke erwischt, dem bringt das Glück. Im Wirtshaus bisweilen sogar sofort: Wer das kleinere Stück hat, zahlt.

Nichts gegen die Franzosen – aber bei Vielfalt hat Österreich eine Sonderstel­lung.

formen. Vor Zugluft schützen, eventuell abdecken. Jedes Stück zu einem Ring formen: Etwa 25 cm lang ausrollen, Enden verbinden und nochmals über die Nahtstelle rollen, damit der Ring hält. Gragger lässt die geformten Beugel 15 bis 20 Stunden bei drei bis sechs Grad rasten (zu Hause: über Nacht im Kühlschran­k). Vor dem Backen in kochendes Salzwasser geben, bis sie aufsteigen. Auf ein Blech legen und mit Salz bestreuen, solange sie noch feucht sind. Gragger bäckt die Beugel zwölf bis 15 Minuten bei 270 Grad, bis sie goldbraun sind. Für zu Hause empfiehlt er: So heiß der Ofen hergibt. Essen Am besten frisch aus dem Ofen. Für eine Beugelsupp­e werden sie in Stücke gebrochen, mit kochender Rindssuppe übergossen und mit geriebenem Käse und gerösteten Zwiebelrin­gen serviert.

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