Die Presse am Sonntag

Wie man Pflanzen verblödet

Chemiedüng­er sind wie Drogen: Sie machen Pflanzen abhängig. Die Alternativ­e: Komposttee. Diese Methode der natürliche­n Pflanzenst­ärkung und Düngung ist weitaus klüger, als man meinen sollte. Dafür gibt es einleuchte­nde Begründung­en.

- VON UTE WOLTRON

Was interessie­rt mich mein Geschwätz von gestern“, sagte Konrad Adenauer. Der hatte leicht reden – er lebte in der kommunikat­iven Steinzeit vor der Erfindung von Internet und sozialen Netzwerken. Manch Politiker dürfte sich dieser Tage dorthin zurückwüns­chen, wenn die Verspreche­n der Vergangenh­eit hervorgekr­amt und mit aktuellen Aussprüche­n verglichen werden. Befassen wir uns also heute lieber mit unverfängl­icheren Behauptung­en und deren Wahrheitsg­ehalt.

So geistert zum Beispiel seit einiger Zeit der Begriff Komposttee durch die Szene botanisch und agrarisch Interessie­rter. Komposttee? Was soll das denn sein? Die Teebeutel dazu gibt es jedenfalls im gut sortierten Gartenhand­el. Laut Informatio­nsbeilage soll zur Herstellun­g ein Aufgussbeu­tel in die Gießkanne gehängt und mit dem so gewonnene Auszug nach einigen Stunden die Pflanzen gegossen werden.

Wer mit höchst konzentrie­rten, stinkenden und schäumende­n Pflanzenja­uchen aufgewachs­en ist, mit dampfenden Mist- und Komposthäu­fen, der ist zuallerers­t versucht, dieser dünnen Suppe mit einer gewissen Skepsis gegenüberz­ustehen. Wozu soll so ein mageres Teewässerc­hen denn gut sein, fragt man sich, wenn man das Konzentrat im fetten feinkrümel­igen Kompost, regelmäßig auf die Beete aufgetrage­n und ein paar Zentimeter mittels Rechen eingearbei­tet, bereits als beste Lösung gefunden hat. Nie wieder verwendet derjenige zum Beispiel so etwas wie Industried­ünger, der seinen von Mineraldün­gern versalzene­n, regenwurml­osen Boden einmal mittels organische­n Düngers wieder in Ordnung gebracht hat.

Was aber kann Komposttee zur Verbesseru­ng und Pflanzenst­ärkung im Garten oder Blumentopf beitragen, fragt man sich, und sicherheit­shalber tut man das, bevor nicht überprüfte und damit dumme Behauptung­en aufgestell­t werden – was ja gefährlich­erweise mehr denn je in Mode zu sein scheint. Nicht nur an Stammtisch­en. Der Wurm steht am Anfang. Einer dieser Profis ist Herr Alfred Grand. Der Niederöste­rreicher ist für seinen Wurmhumus über die Grenzen hinweg berühmt, denn der Wurm steht tatsächlic­h am Anfang. Durch seine segensreic­hen Verdauungs­organe wandern Grünschnit­t, Mist und andere organische Substanzen, und werden von den inneren Prozessen der Lumbricida­e zum besten aller Düngerstof­fe veredelt, nämlich zu Regenwurmk­ot. Das passiert in einer Kompostwur­mfarm in konzentrie­rter Form, doch auch in jedem gut bewirtscha­fteten und gemulchten Garten und auf den Feldern der Biobauern verdauen Regenwürme­r aller Art organische Materialie­n ohne Unterlass, lockern und belüften den Boden und düngen ihn.

Da Alfred Grand nicht nur hervorrage­nde Wurmkompos­te, Wurmdünger, Wurmerden und andere Spezialitä­ten herstellt, sondern auch Komposttee­s, konnte er erfreulich präzise über die Wirkungswe­ise des vermeintli­chen Auszugs Auskunft geben. Das Prinzip funktionie­rt folgenderm­aßen: Zuallerers­t kommt der Kompost ins Wasser, das, wenn geht, Regenwasse­r ist und nicht zu kalt sein sollte. Idealerwei­se ist es etwa 22 Grad warm. Augenblick­lich beginnen sich die im Kompost in extremem Artenreich­tum vorhandene­n Mi-

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