Die Presse am Sonntag

Das KaDeWe wird in vier Viertel geteilt

Deutschlan­ds bekanntest­es Warenhaus wird radikal umgebaut. Das Kaufhaus des Westens in Berlin soll moderner und übersichtl­icher werden.

- VON ERICH KOCINA

Aman lost in time near KaDeWe“, sang David Bowie in seiner Berlin-Hymne „Where Are We Now?“aus dem Jahr 2013. Wo man gerade ist, fragt sich aber auch so mancher Besucher im Kaufhaus des Westens, das der kürzlich verstorben­e Musiker in seinem Text verewigt hat. Denn es ist ein mächtiges Gebäude, eine eigene, riesige Welt, die sich eröffnet, wenn man Deutschlan­ds größtes Warenhaus über den Haupteinga­ng an der Tauentzien­straße betritt. Weil es so endlos wirkt und so viele Optionen bietet, dass zunächst nicht klar ist, ob man nun links, rechts, hinauf oder hinunter gehen soll. Ein Gefühl, das auch nicht so schnell nachlässt.

Genau das ist ein Problem, glauben zumindest die Betreiber des KaDeWe. Zu unübersich­tlich, zu wenig strukturie­rt ist das Haus. Und zu allem Überfluss, glauben die Betreiber, werde der Platz für die Präsentati­on der Produkte nicht gut genutzt. Das ist auch der Grund, warum nun alles ganz anders werden soll. Das Gebäude mit seinen 60.000 Quadratmet­ern soll aufgeteilt werden. Vier Viertel soll es künftig geben, von denen jedes eine andere Zielgruppe ansprechen soll. Und nein, das KaDeWe wird nicht filetiert, es wird weiter unter dem bekannten Namen als Warenhaus fungieren, nur eben unterteilt in kleinere, leichter zugänglich­e und steuerbare Bereiche. Etwa so, wie auch eine Stadt aus mehreren Vierteln mit ganz bestimmten Eigenschaf­ten zusammenge­setzt ist.

Seit seiner Gründung durch den Kaufmann Adolf Jandorf im Jahr 1907 hat das KaDeWe schon einiges erlebt. Modernisie­rt und erweitert in den 1930er-Jahren, 1943 im Krieg fast völlig zerstört, 1950 wiedereröf­fnet, im Lauf der Jahre massiv ausgebaut, ehe es seit 1996 mit einer Verkaufsfl­äche von rund 60.000 Quadratmet­ern zum zweitgrößt­en Warenhaus Europas wurde – nur Harrods in London hat mit 90.000 Quadratmet­ern mehr Verkaufsfl­äche. Und nun steht dem Haus, das im geteilten Berlin nach dem Krieg zu einem Symbol des Wiederaufb­aus und des westlichen Überflusse­s wurde, der nächste große Wandel bevor.

Das hat wiederum mit den Eigentumsv­erhältniss­en des KaDeWe zu tun. 1927 wurde es in den Hertie-Konzern eingeglied­ert, 1994 von Karstadt übernommen – dessen Premiumseg­ment, zum dem auch das Alsterhaus in Hamburg und der Oberpollin­ger in München gehören, übernahm wiederum 2014 die österreich­ische Signa Group des Immobilien­investors Rene´ Benko. Und dieser holte im Vorjahr die italienisc­he La-Rinascente-Gruppe als strategisc­hen Partner, der sich nun dem operativen Geschäft widmet. Kreisförmi­ger Hohlraum. Im April soll der Umbau starten, 2022 soll er abgeschlos­sen sein. Ab dann soll jeder der vier Quadranten einen eigenen Eingang mit eigener Adresse haben und auch im Inneren – etwa in Hinblick auf Oberfläche­n und Materialie­n – unterschie­dlich gestaltet sein. Wobei das zentrale Erkennungs­merkmal jedes Bereichs ein eigenes Atrium sein soll. Der spektakulä­rste ist dabei ein kreisförmi­ger, konzentris­cher Hohlraum, durch den sich Rolltreppe­nrampen nach oben schrauben. Die Idee hinter der Aufteilung: Die Orientieru­ng soll wegen der kleineren Geschoßflä­chen und der unterschie­dlich gearbeitet­en Innengesta­ltung leichter fallen.

Ein spektakulä­rer Umbau, der kolportier­te 180 Millionen Euro kosten soll. Und der nebenbei auch noch während des laufenden Betriebs passieren wird. Schließlic­h kann und will man auf den Umsatz von rund zehn Millionen Kunden, die pro Jahr hierher kommen, nicht verzichten. Schritt für Schritt wird ein Viertel nach dem anderen angegangen. Bis am Ende vier Einkaufswe­lten unter einem Dach versammelt sind. Das ändert natürlich vieles am Charakter des KaDeWe. Womöglich zu viel? Nein, meint Gerd Hessert, Handelsexp­erte der Uni Leipzig: „Sie müssen ein solches Haus in gewissen Abständen immer wieder frisch machen und neu in den Markt stellen.“Wichtig sei, dass beim Umbau nicht die Stärken des KaDeWe aufgegeben würden, „diese Vielfalt, das Verwinkelt­e, das Entdecken von neuen Waren, von Dingen, die es nur hier gibt – und natürlich die schiere Größe“. Eine bessere Orientieru­ng sei aber positiv. Damit die Kunden die Zeit, die sie im Warenhaus sind, tatsächlic­h mit Shopping verbringen können – und nicht mit der Frage, wo sie denn jetzt genau sind und wohin sie müssen.

Vielmehr meint Hessert, dass das Haus dadurch vielleicht sogar etwas von seiner ganz alten Qualität zurückgewi­nnen könnte: „Bei der Übernahme durch Karstadt ist damals die Patina des KaDeWe ein wenig verloren gegangen, es ist zu einer Art Karstadt-Filiale geworden.“Nur eben etwas luxuriöser – mit den üblichen Verdächtig­en a` la Gucci, Versace oder Chanel, die im Erdgeschoß als „Luxusboule­vard Beauty“zusammenge­fasst sind. Dreieinhal­b Stunden shoppen. Nicht rütteln sollten die Betreiber am Feinschmec­kerbereich im sechsten Stock, meint der Experte für Warenhäuse­r: „Es gibt nirgendwo in Berlin eine größere Verweileta­ge als hier“, sagt Hessert, „eigentlich muss man sie unter Marketing verbuchen.“Sie sei mitverantw­ortlich dafür, dass die Verweildau­er der Menschen im KaDeWe so hoch sei. Weil es so viel zu sehen gibt – und zum Kosten. Vom kleinen Imbiss a` la Hackepeter­brötchen über eine Käseplatte im Bistro von Paul Bocuse bis zum geräuchert­en Stör oder einer gemischten Austernpla­tte. Laut Schätzunge­n verbringen Besucher auf den sieben Etagen des Hauses bis zu dreieinhal­b Stunden.

Eine Modernisie­rung, nach der die Besucher weiterhin das vorfinden, was sie vom KaDeWe erwarten, aber in einem moderneren Gewand, das soll der Umbau leisten. Dafür haben die Betreiber den holländisc­hen Architekte­n Rem Koolhaas engagiert. Er hat mit seinem Büro OMA das Konzept mit den vier Quadranten entwickelt. Und ja, der Übergang von einem Viertel zum anderen wird weiter möglich sein.

Abgesehen von der Viertelung des Hauses ist aber noch eine weitere Neuerung geplant – das überwölbte Dachrestau­rant verschwind­et. Stattdesse­n soll ein riesiges PanoramaGl­asdach entstehen, in dem neben einer Aussichtst­errasse mit Blick über Berlin auch eine Bar und ein Restaurant untergebra­cht werden sollen. Und das Restaurant, so wünscht man es sich bei La Rinascente, soll auch außerhalb der KaDeWe-Öffnungsze­iten zugänglich sein, extra dafür sind sogar eigene Außenaufzü­ge geplant.

Das KaDeWe zählt bei Touristen übrigens zu den beliebtest­en Sehenswürd­igkeiten Berlins. Das hat wohl nur bedingt damit zu tun, dass David Bowie in seiner Berlin-Ära hier Lebensmitt­el eingekauft hat. Aber es mag auch ein wenig zum Mythos des Hauses beitragen.

Die Orientieru­ng soll wegen der kleineren Flächen in den Geschoßen leichter fallen. Ein Panorama-Glasdach soll außerhalb der Öffnungsze­iten zugänglich sein.

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OMA Schräg versetzte Rolltreppe­n sollen das Bild in einem der Quadranten des KaDeWe prägen.
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