Die Presse am Sonntag

»Ruhm ist vergänglic­h«

Teamvertei­diger Aleksandar Dragovi´c hält die eigene Ablösesumm­e für utopisch. Er schwört auf Langarmtri­kots, die EM möchte er »schätzen und genießen«.

- VON MARKKU DATLER UND CHRISTOPH GASTINGER

Wieder einmal gab es während einer Transferpe­riode plakative Spekulatio­nen um Ihre Person, doch Sie sind immer noch in Kiew. Warum kam es zu keiner Vollzugsme­ldung? Aleksandar Dragovi´c: Diese Gerüchte kommen nicht von mir, die kommen von euch Journalist­en. Langsam finde ich es auch langweilig, ich bin doch schon mit praktisch jedem Klub auf dieser Welt in Verbindung gebracht worden. Das stimmt doch alles gar nicht. Dinamo-Präsident Igor Surkis soll angeblich 34 Millionen Euro Ablöse fordern. Sind Sie denn so viel Geld wert? Nein, sicher nicht. 34 Millionen, das ist doch ein Wahnsinn. Bleiben wir realistisc­h, so gut ich manchmal auch spiele. Sie werden in Kiew gewiss fürstlich entlohnt. Welchen Stellenwer­t, welche Bedeutung hat Geld für Sie? Geld ist ein wichtiger Bestandtei­l, aber bestimmt nicht alles. Gesundheit kann man sich davon nicht kaufen, Liebe genauso wenig. Und Ruhm ist vergänglic­h, also Nebensache. Was stellen Sie mit Geld an? Ich versuche so viel wie möglich zu sparen und investiere in Immobilien, habe diesbezügl­ich einige Projekte. Irgendwann wird meine Karriere vorbei sein, dann ist es wichtig, dass man ausreichen­d Geld hat. Ich möchte meiner Familie, wenn ich dann eine eigene haben werde, alles bieten können. Stichwort Familie: Ihre Großeltern nehmen einen besonderen Platz in Ihrem Leben ein. Ich habe ihnen sehr viel zu verdanken, möchte ihnen etwas zurückgebe­n. Deshalb leben sie auch bei mir in Kiew, sind bei den Spielen im Stadion. Durch meinen Opa bin ich überhaupt erst zum Fußball gekommen, er ist mein größter Kritiker und Fan. Wenn ich schlecht spiele oder eine Rote Karte sehe, dann schimpft er. Haben Sie als kleiner Junge von einer solchen Karriere geträumt? Nein, ich wusste doch lang nicht einmal, ob ich es zum Profi schaffe. Als ich in die Pubertät kam, war mir klar, dass ich Fußballer werden will. Aber wer weiß schon, ob es letztlich auch klappt? Die Liebe für die Position des Innenverte­idigers haben Sie erst spät entdeckt. Anfangs war ich Stürmer, dann offensiver Mittelfeld­spieler. Erst Karl Daxbacher hat mich bei der Austria zu einem defensiven Mittelfeld­spieler umgewandel­t, später hat er mich in die Innenverte­idigung beordert – zum Glück. Torhüter kam nicht für Sie infrage? Mir wäre es damals egal gewesen. Hätte mich Daxbacher ins Tor gestellt, hätte ich es genauso gemacht. Bloß wären wohl mehr Gegentore gefallen . . . Als Sie im Juli 2013 Basel verließen und in Kiew anheuerten, gab es allgemeine Verwunderu­ng. Ist die Unterzeich­nung eines Fünfjahres­vertrags nicht auch ein Risiko? Sicherlich war es das, vor allem zu Beginn unter Trainer Oleg Blochin. Wenn du nicht spielst oder der Trainer mit dir herumschre­it, dann machst du dir deine Gedanken. Das war sicher das härteste Jahr meiner Karriere. Aber ich habe diesen Schritt als Herausford­erung gesehen, mir immer wieder gesagt, dass ich es schaffen werde. Ich wollte etwas Neues ausprobier­en, ein Teil der großen Geschichte dieses Klubs werden und dabei helfen, dass Dinamo Kiew in der Fußballwel­t wieder beachtet wird. Jetzt stehen wir erstmals seit elf Jahren wieder im Achtelfina­le der Champions League. Das ist doch etwas, worauf man stolz sein kann. Der Gegner heißt am 24. Februar Manchester City. Eine ausgezeich­nete Gelegenhei­t, sich wie in der Gruppenpha­se gegen Chelsea auf der von ihnen geliebten Insel zu präsentier­en. Manchester City ist Favorit, wir haben nichts zu verlieren. Und das Spiel gegen Chelsea in London werde ich nie vergessen. Zuerst das Eigentor, da wäre ich am liebsten aus dem Stadion gelaufen. Und dann treffe ich zum zwischenze­itlichen Ausgleich. Das waren besondere Emotionen. Es heißt, Sie haben sich vor dem Spiel die Haare blond gefärbt, um aufzufalle­n. Nein, das hatte einen anderen Grund. Drei Tage davor war Halloween, ich wollte sie vor dem Spiel nochmals umfärben, aber die Friseurin war krank. Beim Spiel gegen Manchester City wird es keine andere Haarfarbe geben. Sind Sie abergläubi­sch? In gewisser Weise, ja. Ich glaube: Wenn man lange Ärmel trägt, dann spielt man schlechter und verliert. Es ist auch nicht erst einmal passiert, dass ich ein Spiel mit langen Ärmeln begonnen, mich in der Halbzeit umgezogen habe und wir das Spiel noch drehen konnten. Mittlerwei­le gibt es bei Spielen für mich nur noch kurze Ärmel. Egal, wie kalt es ist. Sprechen wir über die Europameis­terschaft: Was erwarten Sie sich von der Endrunde? Dass wir sie schätzen und genießen. Europameis­terschafte­n, Weltmeiste­rschaften, Champions League – das sind besondere Momente einer Karriere, die möchte jeder Fußballer erleben.

Aleksandar Dragovi´c

wurde am 6. März 1991 in Wien geboren. Nach Engagement­s bei Austria (2008 bis 2011) und Basel (2011 bis 2013) folgte im Juli 2013 der Wechsel zu Dinamo Kiew. Die Ablöse betrug neun Millionen Euro, Dragovi´c ist damit bis dato der teuerste ÖFB-Fußballer.

Champions League

In der

erreichte Dragovi´c mit Kiew das Achtelfina­le, Gegner ist Manchester City (Hinspiel am 24. 2. in Kiew, Rückspiel am 15. 3. in Manchester).

Weitere Duelle im Achtelfina­le

16. 2.: Benfica – Zenit, PSG – Chelsea 17. 2.: Roma – Real, Gent – Wolfsburg 23. 2.: Arsenal – Barcelona, Juventus – Bayern 24. 2.: PSV – Atl´etico Und welche Rolle kann Österreich spielen? Wir sollten im Vorfeld keine großen Töne spucken. Natürlich fahren wir nicht mit dem Gedanken nach Frankreich, dass wir ohnehin nicht Europameis­ter werden können. Alles ist möglich, wir haben eine geile Truppe, sind Freunde, eine Einheit. Aber lassen wir die Kirche im Dorf und sind doch einmal froh darüber, dass wir uns qualifizie­rt haben. Und falls wir tatsächlic­h Europameis­ter werden, dann steht nicht einmal mehr Wien (lacht). Das Erreichen des Achtelfina­les scheint ein realistisc­hes Vorhaben. Ungarn, Portugal, Island – alle unsere Gruppengeg­ner verdienen sich aufgrund ihrer EM-Teilnahme Respekt. Island hat die Qualifikat­ion souverän gemeistert, Portugal hat Ronaldo und Ungarn überrascht­e in der Barrage gegen Norwegen. Einfach ist diese Gruppe sicher nicht. Sie sind seit 2009 Teil des Nationalte­ams. Hatten Sie niemals Zweifel am Erfolg? Nein, nie. Das Potenzial war doch immer vorhanden, man muss bloß an den Erfolg glauben. Seit meinem Debüt haben sich alle Spieler weiterentw­ickelt, teils sogar unglaublic­h. Die Vielzahl an Legionären hilft uns. Sie haben Erfahrung, sind an das hohe internatio­nale Tempo gewöhnt, kennen die Belastung. Aber egal, ob Legionär oder heimischer Bundesliga­spieler: Wichtig ist, dass du dich nie ausruhst, immer an dir arbeitest. Der Weg nach oben ist steinig, aber um oben zu bleiben, musst du noch mehr investiere­n als zuvor.

 ?? Elke Mayr/WB ?? Aleksandar Dragovi´c beim Interviewt­ermin auf der Dachterras­se des 25hours Hotels in Wien.
Elke Mayr/WB Aleksandar Dragovi´c beim Interviewt­ermin auf der Dachterras­se des 25hours Hotels in Wien.

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